Monika Harms im Unglück

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Der Spiegel hat der obersten Anwältin des Landes mal wieder eins übergebrezelt. In der neuen Ausgabe (S. 36) wird mit Bezug auf die BGH-Entscheidung zur Überwachung angeblicher mg-Mitglieder nochmal kräftig nachgetreten. Es entsteht ein bisschen der Eindruck, die Dame mit der putzigen Max-und-Moritz-Frisur stünde kurz vor dem unfreiwilligen Rücktritt. Was ja nicht das schlechteste wäre. Allein der Untertitel:

Der Bundesgerichtshof wirft der Bundesanwaltschaft unangemessene Härte bei Ermittlungen gegen linke Gruppen vor. Auch in Berlin ist Generalbundesanwältin Monika Harms isoliert.

Bitte ein Weilchen auf der Zunge zergehen lassen.

Ich wäre jetzt gern mal Mäuschen bei Regierungsrunden im Bereich Innenpolitik: Die Justizministerin, die ja bekanntlich schonmal wegen des großen Lauschangriffs zurückgetreten ist, versucht liberale Mindeststandards anzupeilen. Die Familienministerin richtet Programme gegen "Linksextremisten" ein. Der BGH erklärt laut und deutlich, dass die Verfolgung von Linken gefälligst wenigstens den Anschein erwecken sollte, sich im rechtstaatlichen Rahmen zu bewegen und sich die Damen und Herren Linkenfresser mal wieder ein bisschen einkriegen sollen. Der Innenminister spielt mit seinem iPhone und möchte von den Leuten wieder liebgehabt werden, die für Freiheit statt Sicherheit sind. Die Kanzlerin hat genug andere Baustellen und will Ruhe im Laden. Die verstehen sich bestimmt alle prima.

Der Spiegel zum neuen BGH-Beschluss:

Der Beschluss ist der vorläufige Höhepunkt in einer Serie von Belehrungen, Rügen und Korrekturen, die die Bundesanwaltschaft seit dem Amtsantritt von Monika Harms 2006 einstecken musste. Vor allem bei Verfahren gegen die linke Szene werfen die Richter den Ermittlern übertriebene Härte vor, in diversen Fällen seien die Bundesanwälte über das Ziel hinausgeschossen.(...) Dass sich Harms, die anfangs so forsche Generalbundesanwältin, mehr und mehr ins Abseits ermittelt hat, dämmert auch der Bundesregierung.

Die Details sind nicht neu, selbst der Kurzfilm Gefährder, der letztes Jahr z.B. bei der Berlinale lief, beschreibt genau das. Ist natürlich trotzdem schön, wenn es auch jenseits von Blogs, Demos und Kunst eine Rolle spielt:

Im Kern geht es um die Frage, was im Zeitalter des islamistischen Terrorismus und zwölf Jahre nach Auflösung der Roten Armee Fraktion (RAF) als Terrorismus anzusehen ist - und entsprechend hart bekämpft werden darf. Während die Gefahr heutzutage von islamistischen Attentätern ausgehe, heißt es in Berlin, verfolgten die Ermittler jede autonome Kleingruppe wie einen Wiedergänger der RAF, aus Sicht des Bundesgerichtshofs häufig jenseits der Legalitätsgrenze.

Und warum? Weil das sog. Richterband, also die Kontrolle polizeilicher / staatsanwaltlicher Maßnehmen durch einen 'unabhängigen Richter' in der Regel nicht so gut funktioniert wie in Fernsehkrimis gern vorgetäuscht. An dem Punkt lohnt es sich, sich an den beruhigenden Singsang der SPD zu erinnern, die es als 'wirklich großen Erfolg des Rechtsstaates' verkaufte, der Online-Durchsuchung nur zuzustimmen, weil noch eben eingebaut wurde, dass ein Ermittlungsrichter zwischengeschaltet wurde. Derweil riesige Demos dagegen protestierten.

Und wie wir auch schon in Andrejs Ermittlungsakten sehen konnten: das mit dem Ermittlungsrichter funktioniert nicht richtig. Da die bei Terrorismus u.ä. auch mit am BGH sitzen, ist es dem Beschluss durchaus anzurechnen, dass der eigene Ermittlungsrichter mit dran war. Immer der gleiche, übrigens, bei dem beschriebenen Verfahren wie z.B. auch bei Andrej. Und - das kann gar nicht oft genug gesagt werden - das Verfahren gegen Andrej läuft weiter. Mit Begründungen, die kein Stück besser sind.

Die Kritik offenbart Fehler im System. Eigentlich sollen Ermittlungsrichter jede Überwachung überprüfen. Doch in der Praxis agieren sie meist weniger als Kontrolleure denn als Partner der Staatsanwälte - und lassen die Anträge in der Regel anstandslos passieren. "Das Immunsystem hat versagt", sagt der Anwalt Sönke Hilbrans, der die Sache vor Gericht gebracht hat. "Insgesamt hat der BGH bei einem einzigen Betroffenen 39 Entscheidungen von Ermittlungsrichtern als rechtswidrig aufgehoben, die meist wörtlich den Anträgen der Bundesanwaltschaft entsprachen."

Dazu konstruiert der Spiegel eine Bredouille im eher persönlich-politischen Bereich: Harms war früher selber Bundesrichterin, CDU-nah, und hatte dann mit Tolksdorf einen vorsitzenden Richter am Staatsschutzsenat, der deutlich genauer hinguckte. Und den sie nicht leiden konnte. Sie selber wurde in der Ära Schäuble ernannt, der Innenpolitik eher mithilfe von Schleppnetzen gestaltete. Die aktuelle Regierung verfolgt offenbar in der Tendenz etwas modernere Methoden. Monika Harms sei auf dem Rückzug.

Neue Großverfahren gegen linke Gruppen werde es von der Bundesanwaltschaft nur in spektakulären Ausnahmefällen geben, heißt es in der Behörde. Von einem "Hauch von Resignation" ist in Karlsruhe die Rede.

Ich finde, ein schönes Signal wäre dann vielleicht auch die Einstellung des Verfahrens gegen Andrej Holm? Hmmm? Das gibt nämlich sonst garantiert irgendwann auch nochmal schlechte Presse.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Anne Roth

Anne Roth schreibt ins Netz seit 1999 / beruflich Referentin für Netzpolitik der Linksfraktion im Bundestag / parteilos / Fokus: DigitaleGewalt

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