Gedenken

Linksbündig Das Gedenkstättenkonzept unterscheidet nun doch zwischen DDR und Nationalsozialismus

Eigentlich hatte Kulturstaatsminister Bernd Neumann im vergangenen Jahr dem Kulturausschuss des Bundestages nur einen Entwurf der Fortschreibung des Gedenkstättenkonzeptes vorstellen wollen, das die rot-grüne Regierung 1999 erstmals erarbeitet hatte. Er dachte wohl, es würde ohne viel Aufhebens durchgewunken werden. Dann aber hagelte es außergewöhnlich scharfe Kritik von Sachverständigen und Betroffenen, vor allem von denjenigen, die sich mit der Geschichte des Nationalsozialismus befassen. Das Verständnis der Diktaturen des 20. Jahrhunderts, das aus dem Entwurf spricht, falle hinter den Stand der Forschung zurück, hieß es, und dass die DDR-Schuld "über das historisch belegte Unrecht hinaus monströs überdehnt" würde. Denn das Papier setzte schon in der Einleitung den Nationalsozialismus mit dem DDR-Sozialismus gleich, indem es von den "beiden totalitären Systemen" sprach. Es hatte den Anschein, als hätte die Kommunistenfresserfraktion nun endlich die Oberhand gewonnen, nach dem Motto, mit der Aufarbeitung des Nationalsozialismus sei es nun mal genug, die ungeteilte Aufmerksamkeit, einschließlich erhöhter finanzieller Ausstattung, gebühre der Aufarbeitung des DDR-Unrechts.

Der Ausschuss wies das Papier im November nach der Anhörung im Bundestag zur Überarbeitung an den Kulturstaatsminister zurück. Die seit einer Woche vorliegende "Fortschreibung der Gedenkstättenkonzeption" hat diese Sicht nun korrigiert. In der Einleitung heißt es klar: "Es ist unverzichtbar, den Unterschieden zwischen NS-Herrschaft und SED-Diktatur Rechnung zu tragen. Das nationalsozialistische Deutschland verursachte millionenfaches Leid durch seine Verfolgungs- und Vernichtungspolitik. (...) Jede Erinnerung an die Diktaturvergangenheit in Deutschland hat davon auszugehen, dass weder die nationalsozialistischen Verbrechen relativiert werden dürfen, noch das von der SED-Diktatur verübte Unrecht bagatellisiert werden darf." Trotzdem trägt die Konzeption bis in die sprachlichen Formulierungen hinein zwei verschiedene Handschriften.

Was die Vorhaben angeht, so werden die KZ-Gedenkstätten Dachau, Bergen-Belsen, Neuengamme und Flossenbürg wie auch die Gedenkstätte Deutsche Teilung in Marienborn in die institutionelle Förderung der Bundesrepublik aufgenommen.

Neu ist ein geplanter "Geschichtsverbund zur Aufarbeitung der kommunistischen Diktatur in Deutschland", dem Archive, Gedenkstätten, Museen und wissenschaftliche Einrichtungen verschiedenster Couleur und Herkunft angehören werden. Es bleibt abzuwarten, inwieweit den einzelnen Einrichtungen die - wie es im Konzept versprochen wird - "notwendige Freiheit für ihre Arbeit gelassen" oder nicht doch unter der Hand eine Kanonisierung im Sinne der abgeschmetterten Konzeption angestrebt wird. Darüber wird es wohl noch einige Diskussionen geben.

Aber öffentlicher Streit ist für das Gedenken nicht das Schlechteste, es beugt den Gefahren der Ritualisierung vor.

Einiges bleibt im Vagen oder wird, wie die eigentlich anstehende Entscheidung über die Zukunft der Birthler-Behörde, in die nächste Legislaturperiode verschoben. Dafür wird der Deutsche Bundestag eine unabhängige Expertenkommission einsetzen.

Für alle Orte des Erinnerns gilt, die Opfer und ihre Organisationen einzubeziehen, die Arbeit zu vernetzen und die politische Bildungs- und die Forschungsarbeit zu vertiefen. Ihr Ziel muss auch sein - wenn man schon bei diesem schwierigen Wort bleiben will -"antitotalitäre" Haltungen in der Gesellschaft zu entwickeln. In einer Gegenwart, die von einer Gefährdung der Demokratie, unter anderem durch neue Formen des Überwachens, geprägt ist.

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