Einen Tag nicht in die Kindertagesstätte. Vivian Roloff freut sich: "Lange schlafen und spielen." Randi Roloff, die Mutter des Mädchens, arbeitet seit Anfang 1999 als Montiererin bei der AEG Lichttechnik im niedersächsischen Springe wöchentlich nur noch 28 Stunden. Zuvor hatte sie bei 35 Stunden rund 2.100 Mark netto monatlich verdient. "Seit der Arbeitszeitverkürzung gehen mir gerade mal 40 Mark verloren," rechnet die Alleinerziehende vor. Gemeinsam mit 85 Kollegen hat sie sich für Teilzeitarbeit entschieden. Das Resümee ist durchweg positiv: "Wir haben nicht nur mehr Freizeit. Es konnten auch 21 Leute eingestellt werden."
Randi Roloff verdankt ihren Teilzeitjob dem "Verein zur Beschäftigungsförderung" in Niedersachsen. Der Geldtopf des Vereins,
ldtopf des Vereins, zehn Millionen Mark, wurde vom Metall-Arbeitgeberverband zum 1. Januar vergangenen Jahres gefüllt. Im Gegenzug hatten rund 80.000 Beschäftigte der niedersächsischen Metallindustrie im sogenannten "Tarifvertrag Beschäftigungsförderung" auf ein kleines Zubrot verzichtet: Die 2,50 Mark Kontoführungsgebühren, die noch aus der Zeit der Umwandlung der Lohntüte in Gehaltskonten stammten, wurden für immer gestrichen.Die zehn Millionen dienen dem "Jobverein" zur Prämienzahlung. Wer seine Arbeitszeit freiwillig absenkt, erhält einen Zuschuss, sodass der Lohnausgleich zwischen 70 und 90 Prozent des bisherigen Nettoverdienstes beträgt. Paritätisch prüfen die beiden Vorstandsmitglieder, IG Metall-Bezirksleiter Hartmut Meine und Dietrich Kröncke, Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Metallindustriellen Niedersachsens (VMN), die Anträge. Alleiniger Sinn des bislang in Deutschland einmaligen Modellprojektes ist die Schaffung von Teilzeitarbeitsplätzen."Die Bereitschaft zu Teilzeit ist viel größer, als allgemein angenommen wird", untersteicht Soziologe Karsten Reinecke von der Universität Hannover. Nach einer Untersuchung des nordrhein-westfälischen Arbeitsministeriums in Düsseldorf würde jeder zehnte Vollzeitbeschäftigte auch bei einer entsprechenden Kürzung seines Gehalts Teilzeitarbeit bevorzugen. Ein Trend, der sich in Niedersachsen zu bestätigen scheint.Selbst Kleinbetriebe nutzen inzwischen das Teilzeitangebot der Tarifparteien und schaffen gleichzeitig neue Stellen. Im Metallunternehmen Lühr in Stadthagen wurde ein Arbeitsloser eingestellt, weil sechs Beschäftigte auf fünf Arbeitsstunden in der Woche verzichteten. Bei Berstorff in Hannover sind bislang zwei Arbeitslose eingestellt worden. Betriebsrat Clars Kudla: "Wir haben rund 40 Anwärter. Damit wollen wir weitere zehn bis zwölf Arbeitslose in den Betrieb holen." Beim Leiterplattenherseller Fuba im südostniedersächsischen Gittelde hatten sich sogar 100 Beschäftigte für die Arbeitszeitverkürzung gemeldet, von denen 53 berücksichtigt werden konnten. 22 Beschäftigte arbeiten seit dem 1. September nur noch 28 Stunden; 31 verkürzten auf 17,5 Stunden, verteilt auf drei Tage die Woche.Die Bilanz nach 15 Monaten: Der "Tarifvertrag Beschäftigungsförderung" ist deutlich ins Rollen gekommen. Rund 600 Beschäftigte aus 14 Betrieben haben ihre Arbeitszeit inzwischen reduziert, um Platz für 121 Arbeitslose zu machen, die befristet für vorerst ein Jahr eingestellt worden sind. Beinahe wöchentlich gibt es Anmeldungen weiterer Firmen. Unter den 600 Beschäftigten, die jetzt Teilzeit arbeiten, dominieren zwar zu 61 Prozent Frauen aus den unteren Lohngruppen. Mittlerweile sind aber auch männliche Facharbeiter in dem Projekt vertreten.Ein gravierendes Problem ist allerdings immer noch ungelöst: die Steuerbefreiung für die Prämien, die der Verein auszahlt. Tarifsekretärin Martina Manthey von der IG Metall-Bezirksleitung Hannover: "Wenn die Prämien von der Einkommens- und der Sozialversicherungspflicht befreit werden, dann könnten erheblich mehr neue Jobs finanziert werden." Zur Zeit muss der Jobverein für jede ausgezahlte Mark an Prämien eine Mark für Steuern und Abgaben zurückstellen.Bereits am 26. Januar vergangenen Jahres hatte die niedersächsische Landesregierung deshalb eine Bundesrats-Initiative gestartet. Ähnlich wie bei Kurzarbeit, Altersteilzeit oder Abfindungen sollten die Prämien steuerbefreit werden - auch um "bundesweit Nachahmer zu finden". Seitdem schieben Arbeitsminister Walter Riester und Bundesfinanzminister Hans Eichel das Modell hin und her. IG Metall-Bezirkschef Meine hat "Bedenkenträger" auf allen Seiten ausgemacht, obwohl im Bündnis für Arbeit auch Teilzeitarbeit gefördert werden soll: "Unser Modell ist zehnmal wichtiger als all die Luftblasen, die bisher beim ÂBündnis für Arbeit herausgekommen sind." Auch sein Verhandlungspartner Kröncke schimpft: "Jeder Kaninchenzüchterverein ist als gemeinnützig anerkannt, aber wir müssen unser Vermögen für die Prämien versteuern. Wenn wir hier keine Gesetzesänderung erreichen, wäre unser Startkapital doppelt so schnell aufgebraucht."Ein schnelles Ende der Diskussion wäre angebracht. Denn die Zahlen sprechen für die Gesetzesänderung. So hat die niedersächsische Staatskanzlei den Berlinern vorgerechnet, dass der Staat bei diesem Modell in erheblichem Umfang Kosten sparen könnte. Wenn vier Arbeitnehmer der Steuerklasse III ihre Arbeitszeit reduzieren, hätte der Staat zwar einen jährlichen Lohnsteuerausfall von rund 3.600 Mark. Demgegenüber stünde jedoch, bei Neueinstellung eines Arbeitslosen, die Einsparung des Arbeitslosengeldes von - durchschnittlich - 29.194 Mark.So könnte die hannoversche Teilzeitinitiative auch Pate sein - für andere Tarifgebiete und Branchen, denn die Attraktivität des Modells spricht für sich. Teilzeitexperte Reinecke hält das Modell deshalb für so erfolgreich, weil es nicht nur die Sozialpartner einbindet, sondern auch die Politik sowie die lokalen und regionalen Arbeitsämter. Die Tarifparteien an der Leine sind von ihrem Modell so überzeugt, dass sie den Tarifvertrag bereits um ein weiteres Jahr verlängerten. Beide Seiten denken darüber nach, das Teilzeitprojekt sogar auf Dauer zu etablieren. Fred Stang, Vorsitzender der Metallindustriellen: "Einige der beteiligten Firmen haben bereits um eine Verlängerung gebeten, weil sie eine deutliche Motivationssteigerung innerhalb der Belegschaft gespürt haben und sich über einen Rückgang des Krankenstands freuen."Wie der Prämientopf des Vereins künftig gefüllt werden kann, ist noch unklar. Dietrich Kröncke, der Tarifpraktiker der Unternehmerseite, kündigte an, "noch mal zehn Millionen Mark nachschießen" zu wollen, wenn sich auch die IG Metall bewege. Denkbar sei beispielsweise eine Änderung der bisherigen Heiligabend-Regelung: am 24. Dezember wird den 80.000 Beschäftigten ein Gehalt bis 15 Uhr gezahlt, obwohl sie nur bis 12 Uhr arbeiten.Die Teilzeit-Initiative der niedersächsischen Metall-Tarifparteien könnte wegweisend sein. Schließlich haben die Deutschen bei Teilzeit noch Nachholbedarf. Interessenten gibt es genügend. So ist die Teilzeitquote in Deutschland 1999 auf knapp 20 Prozent gestiegen, meint Eugen Spitznagel vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesanstalt für Arbeit. Damit wäre ein Rekordstand erreicht. Allein in den vergangenen fünf Jahren, so Spitznagel, habe die Teilzeitquote um durchschnittlich 0,7 Prozentpunkte zugenommen. Der Bereichsleiter des IAB ist denn auch überzeugt: "Die Förderung von Teilzeit könnte neue Beschäftigungsverhältnisse schaffen."