Sind Boote voll, ertrinken Menschen!

Flüchtlinge - Wirtschaft Ein Beitrag über Flüchtlinge, scheinbar volle Boote und Neoliberalismus, der viel will und dafür wenig leistet, aber vielleicht Gedanken zum Weiterdenken enthält.

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Da der folgende Text lang ist und eventuell zu lang, um gänzlich gelesen zu werden, geht ihm eine kleine Liste mit den textinternen Überschriften voraus. Ein Klick auf die jeweilige Überschrift führt zur entsprechenden Stelle im Text:

Das Rettungsboot

Wenn Wasser fehlt

Dieses Boot ist noch nicht voll

Scheinbar alternativlos (wenn man im Rahmen bleibt!)

Die Sache mit der (zu?) ungleichen Verteilung

Ein Plädoyer für die Reichen (kleiner Exkurs)

Ein Tabu bildet einen Rahmen

Retter werden vielleicht Beschränkte

PEGIDA: eine klare Abgrenzung

„Neid“ ODER die Gebote NEUN und ZEHN

Ein paar Worte zum Wort „Reichensteuer“

Die Frage nach der Schuld

Was tun?

Was nicht Thema dieses Artikels war

Moderne Problemlösungen sind nicht national

Und wenn Alternativloses alternativlos bleibt?

Das Boot ist voll. Ja, es ist voll, behaupten manche. Nicht nur Rechtsextreme sagen so etwas derzeit, deren Boote eigentlich immer voll sind. Auch einige Demokraten sehen angesichts der vielen Flüchtlinge volle Boote, viel zu volle Boote in Form überforderter Länder und Kommunen. Und man kann nicht leugnen, dass die Kommunen auch in Deutschland derzeit sehr gefordert sind, manche vielleicht sogar überfordert. Aber liegt das wirklich vor allem an den Flüchtlingen oder gibt es eine Ursache hinter der Ursache?

Das Rettungsboot

Manchmal sind Boote tatsächlich voll. Wäre das berühmte Boot ein echtes (!) und als echtes Rettungsboot völlig überfüllt, und immer weitere Menschen würden versuchen, auf das Boot hinaufzuklettern, könnte es irgendwann die einzige Möglichkeit der Bootsinsassen sein, mit aller Kraft zu versuchen, diejenigen, die zusätzlich ins Boot klettern möchten, mit aller Gewalt davon abzuhalten, um sich selbst zu retten.

Solch eine Entscheidung in einer Extremsituation führt höchstwahrscheinlich zum Tod von Menschen, denen man nicht hilft, weil man ihnen in dieser Extremsituation nicht helfen kann, sofern man sich nicht selbst opfert. Und die Verweigerung, sich selbst für jemanden zu opfern, der nicht mehr und nicht weniger zu leben verdient, als man selbst, wird wahrscheinlich für viele als in einer Extremsituation moralisch vertretbare, aber zweifelsohne sehr harte Entscheidung durchgehen.

Ein Mensch stirbt, weil ein anderer nicht sterben möchte. Der andere wird möglicherweise traumatisiert oder er erhebt das „Er oder Ich“ zum Lebensprinzip und hält Empathie und Hilfsbereitschaft fortan in allen Lebenslagen für ein Zeichen von Realitätsferne und Lebensuntauglichkeit.

Wenn Wasser fehlt

Ein anderes Szenario, das ähnlich extreme Entscheidungen verursachen könnte: Die Menschheit hat die Menge an trinkbarem Wasser so reduziert, dass sie trotz Ausnutzung aller technischen Möglichkeiten und trotz eingehaltener Regeln, die den Wasserverbrauch für nicht lebensnotwendige Dinge unter Strafe stellen, nicht mehr für alle Menschen ausreicht, selbst wenn jeder nur noch das Lebensnotwendige zu sich nimmt.

Dann bricht möglicherweise weltweit ein „Die-oder-Wir“ Kampf aus, bei dem sich (wie auch immer zusammengesetzte) Gruppen um das letzte Wasser bekriegen. Und es gäbe keine Möglichkeit, durch ein vernünftiges Aufteilen eine Situation herbeizuführen, die einen alle rettenden Ausgleich bietet. Hoffen wir einfach, dass solch eine Situation nie eintritt.

Dieses Boot ist noch nicht voll

Beide Beispiele zeigen eine Situation, die möglicherweise keine andere Entscheidung als eine extreme zulässt, die eventuell viele Menschenleben kostet. Um nochmals zum Bild des Bootes zurückzukehren: Das Boot ist voll. Es kann keine weiteren Menschen aufnehmen, weil es sonst mitsamt allen untergeht, weshalb jeder weitere, der das Boot erreicht, abgewehrt wird, auch wenn er dadurch ertrinkt. Wer früh genug ins Boot gelangt ist, hatte einfach Glück, gute Beziehungen, ausreichend Geld oder Überzeugungskunst oder was auch immer. Die anderen hatten dieses Glück nicht.

Bilder vom vollen Boot (und diverse Varianten) sind Bilder, die Asylgegner, Fremdenfeinde, Rechtsradikale, aber auch einige demokratische Politiker in der Vergangenheit genutzt haben und in der Reinform oder als abgewandelte Variante bis heute nutzen. Aus ihrer Sicht ist ein Land ein Boot und auch dieses Boot ist voll. Aus ihrer Sicht stößt man an die Grenze der Kapazitäten, weil die Kommunen die Versorgung der Flüchtlinge UND ihrer bisherigen BürgerInnen nicht mehr stemmen können. Voll. Nichts geht mehr. Schluss.

Scheinbar alternativlos (wenn man im Rahmen bleibt!)

Unter den hier skizzierten Voraussetzungen bekommen diejenigen, die Flüchtlingen helfen möchten, sehr schnell den Stempel „naive Gutmenschen, die sich der Realität verweigern“. Ein „Wir schaffen das“ wirkt dann unrealistisch und diejenige, die es ausspricht, könnte als jemand gelten, der aus falsch verstandener Gutherzigkeit unfähig ist, die harten, aber notwendigen Entscheidungen zu treffen, die in einem vollen Boot zu treffen sind.

Und so ersetzt die Person das „Wir schaffen das“ vielleicht durch ein „Wir schaffen das nicht zuletzt auch, indem wir einen Großteil der Flüchtlinge abwehren, um uns nur noch um den Rest zu kümmern“, was viele vielleicht immer noch für zu wenig Abwehr und für zu große Realitätsferne halten. Und für manch einen dieser Leute haben statt der Flüchtlingshelfer die Victor Orbans und Horst Seehofers dieser Welt die Vernunft auf ihrer Seite. Aber vielleicht ist es eine sehr beschränkte Vernunft, die sie an den Tag legen?

Die Sache mit der (zu?) ungleichen Verteilung

Der materielle Wohlstand ist in Deutschland deutlich ungleicher verteilt als in anderen Industrienationen. Das geht aus dem Sozialbericht der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hervor. Die ärmsten 60 Prozent kommen demnach lediglich auf sechs Prozent des gesamten Vermögens. Die reichsten zehn Prozent der Deutschen verfügen laut der Studie hingegen über beinahe 60 Prozent des gesamten Nettohaushaltsvermögens.“

Quelle: Artikel „Vermögen in Deutschland besonders ungleich verteilt“ vom 21.05.2015 in „Zeit Online“.

Nach Oxfams Recherche besitzen die 80 reichsten Menschen der Erde genauso viel wie die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung zusammen – das sind rund 3,5 Milliarden Menschen. Ein Prozent der Weltbevölkerung besitzt mehr als die restlichen 99% zusammen.

Quelle: Website Oxfam.de

Laut Darstellung auf Haushaltssteuerung.de stiegen die gesamten Schulden (beim öffentlichen und nicht-öffentlichen Bereich) der Kommunen in Flächenstaaten Deutschlands 2010 von 298,27 Milliarden Euro im Jahr 2010 auf 328,88 Milliarden im Jahr 2014 an. Pro Kopf ergab das 2010 eine Verschuldung von 3.931 Euro und 2014 von 4.381 Euro.

Quelle: Haushaltssteuerung.de

Die hier genannten Zahlen und Studienergebnisse sind – wie alle Zahlen und alle Studienergebnisse – sicherlich mit Vorsicht zu genießen, weil viele Studien angreifbar sind und man allzu schnell Zahlen in einer Weise deutet, die ihre Aussagekraft überschätzt. Aber wenn die Angaben tendenziell stimmen, hätten wir beobachtbar wachsende Ungleichheiten in drei Bereichen:

  • das Vermögen der unteren Schichten der Weltbevölkerung und das einer schmalen Oberschicht driften auseinander, auch wenn die Zahl der Ärmsten der Armen und der Hungernden laut neuester Zahlen zuletzt abgenommen hat.

  • auch im relativ reichen Deutschland driften die Vermögen beider Schichten auseinander, wenngleich die unterste Schicht im weltweiten Vergleich beim Versorgungsgrad deutlich besser dasteht als andere Menschen, die als arm gelten,

  • einem wachsenden Privatvermögen der reichsten Deutschen steht zumindest auf kommunaler Ebene ein wachsender Grad der Verschuldung gegenüber.

Dabei ist auch klar, dass die Bereiche einander beeinflussen. So ist Armut einer der Fluchtfaktoren und Flucht führt zu einer wachsenden Herausforderung für Kommunen in Deutschland, von denen nicht wenige gleichzeitig verstärkt mit einem Mangel an Möglichkeiten zu wirtschaften haben.

Hier drängt sich dann die Frage auf, ob große Probleme mit der Versorgung von Flüchtlingen, die einige Kommunen in Deutschland haben, nicht auch in dieser ungleichen Verteilung eine von mehreren Ursachen haben, weil allzu schnell ein Mangel entsteht (z.B. an günstigem Wohnraum oder Möglichkeiten sozialer Hilfe) und weil sich dadurch ein Kampf um knappe Ressourcen aus Sicht einiger oder gar vieler verschärft.

Wären die Privatvermögen etwas geringer, wobei hier insbesondere die Privatvermögen der Reichsten gemeint sind, und die Haushalte der Kommunen dafür etwas üppiger gefüllt und würden üppiger gefüllte Kassen zum Beispiel zur Schaffung von neuem günstigem Wohnraum genutzt, würde der Mangel vielleicht gar nicht in dem Ausmaß bestehen, in dem er besteht?

Ein Einwurf: Aber es wird ja gerade etwas getan, etwa gegen Wohnungsmangel in Ballungsräumen. Der Bund stellt Gelder für den sozialen Wohnungsbau zur Verfügung. Wo also liegt das Problem? Die Frage ist berechtigt. Dieser Text wird später auf sie eingehen (Wer vorgreifen möchte: Reichensteuer).

Ein Plädoyer für die Reichen (kleiner Exkurs)

Das muss an dieser Stelle sein, um Missverständnisse zu vermeiden. Dieser Text skizziert keine Schwarz-Weiß-Szenerie mit guten Armen und bösen Reichen. Einige der reichsten Menschen der Welt waren vielleicht wirklich einfach cleverer, geschickter und leistungsstärker als der Durchschnitt und haben sich dadurch Reichtum gesichert. Einige begreifen Reichtum auch als Verantwortung und geben große Teile ihres Vermögens aus, um die Situation für diejenigen zu verbessern, die es schwerer haben, sich ein menschenwürdiges Leben zu sichern.

Es geht nicht darum, Arme als gute und Reiche als schlechte Menschen zu definieren. Es geht auch nicht um die Forderung, alle Unterschiede in Verdienst oder Besitz zu nivellieren. Aber es geht um die Frage: Wenn einige Menschen nicht ausreichend Ressourcen besitzen, um ein ihnen auf Basis der Menschenrechte eigentlich zugesichertes Leben leben zu können, woher soll dann das Geld kommen, um ihnen dieses Leben zu sichern? Sollen diejenigen, die knapp über dem Existenzminimum leben, näher ans Minimum herangeführt werden? Oder kommt Geld dann doch von dort, wo es im Überfluss vorhanden ist?

Ein Tabu bildet einen Rahmen

Ohne verstärkt darüber nachzudenken, wie man eine wachsende Ungleichheit stoppt und ohne das Wort „Umverteilung“ zumindest einmal in den Mund zu nehmen, sind die Boote – um nochmals zum Bild zurückzukehren – zwar nicht voll, aber es wird an einigen Stellen Im Bootsinneren deutlich enger. Und es wird zumindest so eng, dass einige (auch Demokraten) „Das Boot ist voll“ rufen und andere eifrig nicken. So ist es! Ist es so?

Die Diskussion, ob und inwieweit ein Wachstum privater Vermögen der reichsten Schicht in Deutschland und anderswo möglicherweise in kritischen Zeiten auch durch den möglichen Einsatz und die Leistung Besitzender nicht gerechtfertigt ist, scheint mir weitgehend einem Tabu unterworfen zu sein. Viele Politiker führen solche Diskussionen nicht. Möglicherweise tun sie es aus Angst, hier eine wachsende Spannung zwischen Arm und Reich zu provozieren. Da nehmen sie eventuell eher in Kauf, dass sich Zorn gegen Flüchtlinge richtet, solange sich Zorn nicht zu stark in Hass und Gewalt entlädt. Wachsende Spannungen sollte man aber hier wie da vermeiden, durch Lösungen, die man guten Gewissens als mit den Menschenrechten kompatible Lösungen bezeichnen kann.

Das oben skizzierte Tabu könnte – sofern es besteht – einen Rahmen des Denkbaren bilden, den Anhänger einer marktkonformen Demokratie bei der Suche nach nachhaltigen Lösungen, die auch die Versorgung von Flüchtlingen einschließt, nicht überschreiten. Innerhalb des Rahmens klingt es dann für einige vernünftig, die einen abzuweisen, um die anderen zu retten (das Rettungsboot).

Vernünftig scheint dann zu sein, Diskussionen über Moral zu unterbinden oder zumindest auf später zu verschieben, weil aktuell Notwendiges getan werden muss. Und Notwendiges bedeutet in dieser Logik: Es müssen Zäune gebaut werden, um die Kommunen vor dem Kollaps zu bewahren.

Retter werden vielleicht Beschränkte

Wenn man aber den Rahmen gedanklich aufgibt und beginnt, die Frage zu stellen, ob es wirklich gerechtfertigt ist, dass eine kleine Minderheit dasselbe besitzt wie eine riesige Mehrheit, dass auch in der Krise die Vermögen besonders Vermögender wachsen, während die Verschuldung der Allgemeinheit steigt, dann wirken all die „Das Boot ist voll“ Leute plötzlich vielleicht nur noch wie (im Denken) Beschränkte.

Sie sind dann eventuell nicht mehr Retter, sondern beschränkt, weil das für sie Unantastbare im wirtschaftlichen System aus ihrer Sicht keine ernsthafte und mit Konsequenzen geführte Diskussion zulässt, wie man der Allgemeinheit Ressourcen sichert, um sich erfolgreich Aufgaben zu widmen, denen sie sich widmen muss, um Menschen- und Grundrechte ernstzunehmen. Bei solchen Aufgaben dem Markt zu vertrauen, der es immer und überall richten wird, erweist sich immer mehr als Illusion, deren Aufrechterhaltung manche neoliberalen Politiker vielleicht zu den größten Ideologen unserer Zeit macht.

Sie denken innerhalb des Rahmens, suchen innerhalb des Rahmens nach Lösungen, wenn Flüchtlinge kommen oder Staaten in die Krise rutschen. Die Lösungen sehen dann möglicherweise immer häufiger so aus, dass man bei der Missachtung von Grundrechten beide Augen zudrückt, weil außergewöhnliche Umstände halt außergewöhnliche Maßnahmen erfordern.

Wir Europäer zäunen uns ein, damit Nicht-Europäer draußen bleiben. Und die einen Europäer drücken beide Augen zu, wenn andere Europäer durch Sparmaßnahmen soweit unter wirtschaftliche Mindeststandards gedrückt werden, dass ein Überleben schwer oder bisweilen auch unmöglich wird. Wichtige Entscheider haben eventuell goldene Regeln verinnerlicht, die viel Schaden anrichten: Wenn wir in die Krise rutschen, wird unten gespart, aber nicht oben genommen! Und wenn wir Arme aussperren können, damit nicht ganz so Arme schweigen, dann tun wir das.

PEGIDA: eine klare Abgrenzung

Die bisherige Argumentation könnte für manch einen wie eine Legitimation wachsender Fremdenfeindlichkeit klingen, obwohl die Argumentation das nicht wirklich hergibt. Dennoch ist es Zeit für eine sehr klare Abgrenzung. Selbst, wenn es sich manche Mangelsituation in Kommunen verschärft und sich extremen Zuständen annähert, ist es letztlich ein Ausdruck von Feigheit, auf die nationale Karte und die Abwehr aller Flüchtlinge zu setzen und damit die Schwächsten zum Ziel von Hass und Gewalt zu machen.

Statt vehement etwa ein Ende von Steueroasen in Europa zu fordern, damit der Allgemeinheit mehr Geld zur Verfügung steht, das genutzt werden kann, um Flüchtlingen UND bisherigen BürgerInnen der Kommunen ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen, radikalisiert sich in Teilen der Gesellschaft der Protest gegen Flüchtlinge. Wirtschaftliche Aspekte und Ängste sind zwar nur eine mehrerer Komponenten und können alleine den Protest nicht erklären. Allerdings rechtfertigt keins der „Argumente“ den teils extremen Hass auch nur annähernd, sodass der Begriff „Pack“ für die Hassenden auf mich oft gerechtfertigt wirkt.

Zugleich nutzen manche Politiker die Gunst der Stunde, um sich als Macher und Vernunftsmenschen zu präsentieren, indem sie nach einer Verschärfung des Asylrechts eine Verschärfung des Asylrechts fordern, der dann eine Verschärfung des Asylrechts folgen soll.

Sie machen dies vielleicht nicht zuletzt, weil sie bei derartigen Forderungen zumindest in Teilbereichen der Gesellschaft relativ einfach viel Zustimmung erhalten und einen Handlungsspielraum nutzen können, der ihnen beispielsweise bei der Forderung nach Instrumenten, um die Schere zwischen Arm und Reich wieder etwas zu schließen, vielleicht nicht zur Verfügung stünde.

Und so mag manch einer den Protest gegen Flüchtlinge trotz seiner Radikalisierung noch immer für willkommener halten als den gegen TTIP, CETA und TISA. Zäune gegen Flüchtlinge sehen für solche Menschen vielleicht wie die leichter zu verwirklichende „Lösung“ aus, jedenfalls im Vergleich zu einer verstärkten Demokratisierung von Verhandlungen über Handelsabkommen. Sie müsste man voraussichtlich gegen den Widerstand mächtiger Verhandlungspartner durchsetzen, die solch eine Demokratisierung NICHT befürworten. Flüchtlinge sind da nicht ganz so wehrhaft.

Manch einer aus dem Kreis der Demokraten mag daher gedacht haben und noch immer denken, man könne den Protest gegen Flüchtlinge instrumentalisieren, ihn ablehnen und zugleich ein wenig befeuern, weil er Flüchtlinge zum Ziel von Unzufriedenheit macht, gegen die man dann Zäune bauen kann. Aber es scheint so, als würden zumindest einige derer, die so denken, gerade merken, dass dieser Protest im Extremfall wie der magische Besen werden könnte, den Goethes Zauberlehrling nicht bändigen konnte.

„Neid“ ODER die Gebote NEUN und ZEHN

Man kann nicht über Umverteilung sprechen, ohne „Neid“ zu thematisieren. Wenn man von einer wachsenden Ungleichheit spricht, ist der Neidvorwurf nie allzu weit entfernt und so ist das Thema „Neid“ ein ganz großes, auch in heutiger Zeit. Neid ist Todsünde. Dem Neid sind alleine zwei der zehn Gebote gewidmet: „Du sollst nicht begehren deines Nächsten Haus“ (9. Gebot) und „Du sollst nicht begehren deines Nächsten Weib, Knecht, Magd, Vieh noch alles, was dein Nächster hat“ (10.Gebot).

Dagegen gibt es nur ein Gebot, das die Verletzung körperlicher Unversehrtheit geißelt, nämlich das fünfte („Du sollst nicht töten“), obwohl ein „Du sollst nicht foltern“ oder ein „Du sollst einem Menschen nicht Lebensnotwendiges entziehen, sodass er dadurch stirbt“ vielleicht auch wichtig gewesen wäre.

Man schaut nicht auf den Besitz des Anderen. Man neidet nicht. Einige Linke haben zwar eine Umverteilung auf der Fahne, aber viele scheuen das Wort möglicherweise aus Angst, dem Vorwurf persönlichen Neids ausgesetzt zu sein. ICH will das, was ER/SIE hat. Diese Scheu sitzt auch in Deutschland tief, vielleicht ganz besonders bei denen, die an den unteren Rand der Gesellschaft gespült worden sind. Der aus Südkorea stammende Philosoph Byung-Chul Han, Professor für Philosophie und Kulturwissenschaft an der Universität der Künste Berlin, sagte 2014 in einem Interview mit der Zeit:

Ich kenne viele Hartzer, sie werden wie Müll behandelt. In einem der reichsten Länder der Welt, in Deutschland, werden Menschen wie Abschaum behandelt. Ihnen wird die Würde genommen. Diese Menschen protestieren natürlich nicht, weil sie sich schämen. Sie beschuldigen sich selbst, anstatt die Gesellschaft verantwortlich zu machen, anzuklagen. Von dieser Klasse kann man keine politische Handlung erwarten.“

Wenn dem so ist und es spricht wohl einiges dafür, dann wird den im weltweiten Vergleich zwar materiell bessergestellten Armen in einem reicheren Land wie Deutschland tendenziell eine Demütigung zuteil, die sie schweigen lässt. Nicht missverstehen: Es hängt viel von den SachbearbeiterInnen ab, wie etwa Hartz4-Empfänger in Arbeitsagenturen behandelt werden, und ob dabei Hilfe oder doch eher eine Demütigung im Vordergrund steht.

Aber falls auch nur einige der Geschichten auf Seiten wie Gegen-Hartz.de stimmen, falls die Argumente von Menschen wie Inge Hannemann überprüfbar richtig sind und so scheint es mir zu sein, dann schallt Hartz4-Empfängern tatsächlich recht oft entgegen: Sei still. Du bist alleine an deiner Situation schuld.

Und dir geht es doch gut, denn da sind ja noch die anderen, in anderen Teilen der Welt, die nureingeschränkten bis sehr eingeschränkten Zugang zu lebenswichtigem Dingen wie Nahrung, sauberem Wasser und medizinischer Versorgung haben. Dir geht es viel besser, was natürlich irgendwie stimmt, aber nicht dazu führen darf, dass die, denen es irgendwie besser als den Armen in anderen Teilen der Welt geht, nichts mehr an am Verhalten Anderer ihnen gegenüber kritisieren dürfen.

Mit demselben Argument könnte man demjenigen Kritik verbieten, der von einer Schüssel Reis pro Tag lebt, sofern es Menschen gibt, die nur alle zwei Tage solch ein Schüsselchen erhalten. Und so schweigen die einen aus Scham. Und die anderen haben meistens eine so leise Stimme, dass ein Ignorieren hierzulande ganz leicht fällt, falls nicht gerade viele Flüchtlinge im Land sind.

Ein paar Worte zum Wort „Reichensteuer“

Wenn wirklich hierzulande nicht wenige Hartz-IV-Empfänger aus Scham auf jede Kritik verzichten, wirkt ein Begriff wie „Reichensteuer“ für ein Instrument, um Kommunen im Krisenfall mehr Handlungsfähigkeit zu geben, möglicherweise ebenso plakativ wie kontraproduktiv. Möglicherweise gewinnt man diejenigen, die sich schämen, „es nicht zu schaffen, ohne staatliche Hilfe auszukommen“, nicht mit solch einem Begriff.

Er könnte für sie zu sehr nach persönlichem Neid riechen, den sie sich nicht nachsagen lassen wollen. Und so ist vielleicht dieses Neid-Argument die stärkste Waffe, auf die der Neoliberalismus setzen kann, weil es so tief in die Köpfe gepflanzt wurde?

Wenn eine Gesellschaft nicht zuletzt auf Wettbewerb basiert, gibt es immer Erstplatzierte und Zweitplatzierte und Letztplatzierte. Und vielleicht sind die Erstplatzierten besser als die Letztplatzierten. Vielleicht haben manche auch nur bessere Startbedingungen. Oder was auch immer. So ist das Leben.

Alleine die Tatsache, dass man im Wettbewerb (aus welchen Gründen auch immer) nur Zweiter, Dritter oder Letzter geworden ist, sollte kein Grund für persönliche Missgunst sein. Auch als Letztplatzierter muss man sich nicht schämen, aber der Andere war tüchtiger oder hatte einfach nur mehr Glück.

So etwas passiert. Immer wieder. Ihm das vorzuwerfen, nur weil man das kleinere Auto fährt oder in der Mietwohnung statt in der eigenen Villa wohnt, käme aus meiner Sicht tatsächlich einer ungerechtfertigten Missgunst nahe, sofern nicht Skrupellosigkeit Hauptursache für den Reichtum des Anderen ist. Aber um diese Missgunst geht es hier nicht. Eine wachsende Ungleichheit zwischen Arm und Reich wird spätestens dann zum Zynismus,

  • wenn die am unteren Rand der Weltgesellschaft und/oder der Gesellschaft eines Landes nicht menschenwürdig leben können,

  • immer näher an einen Punkt rücken, ab dem sie unterhalb von definierten Mindeststandards leben müssen

  • oder wenn daraus eine Gesellschaft resultiert, die Angst vor relativer Armut und vor einer damit verbundenen Demütigung durch Teile der Gesellschaft zu einer Triebfeder des Handelns macht.

Und er wird dann zu einem Zynismus, wenn sich ein Staat oder eine Staatengemeinschaft Mindeststandards für alle vor allem dann leistet, wenn es dem Land oder der Staatengemeinschaft wirtschaftlich relativ gut geht: aufgrund eigener Leistung oder glücklicher Umstände oder Ausnutzung von Macht zu Lasten anderer Länder. Das macht solche Mindeststandards zu einem Luxus, den sich ein Staat in guten Zeiten gönnt und der wegfällt, wenn für Luxus kein Platz mehr ist.

Hier scheint mir ein Paradigmenwechsel nötig zu sein, durch den die Schaffung und Erhaltung von Mindeststandards für alle zum obersten Ziel wird. So muss etwa Geld in Krisenzeiten stärker als bisher von denen kommen, die am meisten davon haben und gar nicht von denen, die durch Einschnitte die Basis für ein menschenwürdiges Leben verlieren. Es ist unter anderem die Sparpolitik in Griechenland, die mir gezeigt hat, dass es derzeit völlig anders läuft.

Die Frage nach der Schuld

Neben dem Neidvorwurf ist aus meiner Sicht eine bisweilen allzu einseitige Schuldzuweisung ein bewusst oder unbewusst eingesetztes Instrument, um bestehende Verhältnisse grundlegend unveränderbar zu machen. Es wird oftmals Schuld verteilt, auch in der Flüchtlingsfrage. Und wer schuldig ist, hat dann aus Sicht der Schuldverteiler Hilfe verwirkt.

  • Kriegsflüchtlinge können bleiben. Vielleicht. Einige zumindest. Aber Wirtschaftsflüchtlinge? Die kommen hierher und setzen sich ins gemachte Nest, weil sie keine Lust haben, Zuhause am Aufbau ihrer Wirtschaft zu arbeiten. Ist doch so. Oder? Nein. Eher nicht.

  • Griechen haben über ihre Verhältnisse gelebt (alle, ausnahmslos) und haben niemals ihre Hausaufgaben gemacht, weshalb sie jetzt die Konsequenzen tragen müssen, egal, wie die aussehen.

  • Und Hartz 4 Empfänger sollten endlich einmal den Arsch hoch kriegen, um etwas aus ihrem Leben zu machen. Es liegt ausnahmslos an ihnen, dass sie in ihrer Situation verharren.

Man trifft in heutiger Zeit auf viele derartige Rechtfertigungen und es scheint so, als würden sie auch zur Legitimation dienen, um Menschen die Würde zu nehmen, um ihnen Lebensnotwendiges zu enthalten und/oder sie abzuwehren. Es trifft eine ganze Reihe derjenigen, die in irgendeiner Weise Leistungen der Allgemeinheit fordern oder erbitten, ohne (derzeit, vorübergehend, auf Dauer) im Wirtschaftssystem Leistung zu erbringen.

Natürlich muss man bei Flüchtlingen diskutieren dürfen, wer derzeit kommen kann und wer nicht. Natürlich kann man von Griechenland auch Reformen fordern und von jemandem mit Hartz IV, dass er – wenn es ihm nicht durch Krankheit etc. unmöglich ist – selbst etwas tut, um seine Situation zu verbessern. Beobachtbar ist aus meiner Sicht aber eine pauschale Abwertung dieser Menschen, um Kürzungen von Leistungen, weitere Einsparungen beziehungsweise Zäune zur Abwehr zu rechtfertigen.

So etwas schafft zugleich eine trügerische Sicherheit für diejenigen, die von Kürzungen und abwehrenden Zäunen (noch) nicht betroffen sind, aber Angst haben, sie könnten irgendwann betroffen sein. Sie erhalten die Botschaft: Solange du dich so und so verhältst, trifft dich das Schicksal der Griechen und der Wirtschaftsflüchtlinge und der Hartz4ler nicht. Du bist fleißig. Dir passiert nichts. Du läufst nicht weg, wenn alles etwas schwierig wird. Du packst an. Dir passiert nichts.

Die Bereitschaft vieler Leute, an den faulen Griechen zu glauben, mag auch damit zusammenhängen, dass sie genau diese trügerische Sicherheit nicht aufgeben möchten, man selbst würde niemals durch irgendwelche Sparmaßnahmen in Probleme geraten, weil das nur Faule trifft. Aber es ist wirklich nur eine trügerische Sicherheit.

Was tun?

Sobald es darum geht, nicht nur Probleme zu benennen, sondern konkrete Maßnahmen zur Beseitigung von Problemen, wird es – wie so oft – sehr schwierig. Was weder dieser Text noch sein Autor leisten können, weil auch weitaus klügere Menschen als Einzelpersonen daran scheitern, ist einerseits ein Konzept, das eine nötige Umverteilung organisiert, und andererseits ein konkreter Plan zur Umsetzung des Konzepts.

Die geplante Finanztransaktionssteuer und der (vielleicht viel zu zaghaft geführte) Kampf gegen Steuerparadiese in der EU sind mittelfristig mögliche Ansatzpunkte, um ein weiteres Auseinanderdriften von Vermögen auf der Welt zu verhindern, um auch in Deutschland unter anderem Kommunen zu stärken, damit sie auf auftretende Herausforderungen adäquat reagieren können.

Eine Entwicklungshilfe in Höhe der einst vereinbarten 0,7% des Bruttosozialprodukts könnte ein Schritt in die richtige Richtung sein. Speziell in Deutschland kommt eine Entstigmatisierung von HartzIV-Beziehern hinzu, die möglicherweise nur mit einer Abschaffung von Hartz IV zu bewerkstelligen ist.

Die Stärkung der Kommunen ist aus meiner Sicht auch deshalb wichtig, weil sie die administrative Einheit sind, die am nächsten an den Menschen dran ist, von denen offiziell alle Macht ausgeht. Und in Kommunen merkt man oft am schnellsten, wenn etwas NICHT funktioniert, jedenfalls nicht so, dass allen ihrer Mitglieder ein menschenwürdiges Leben ermöglicht wird.

Das bedeutet aus meiner Sicht auch: Kommunale Verbände müssen bei Verhandlungen über internationale Handelsabkommen ein gewichtiges Wort mitreden, weil vielleicht vor allem durch sie darauf geachtet würde, dass auch auf kleinster administrativer Ebene funktioniert, was in der großen Politik beschlossen wird.

Das alles sind mitnichten skizzierte Maßnahmen, die aktuell und kurzfristig helfen können, einen menschenwürdigen und helfenden Umgang mit Flüchtlingen zu organisieren und mit dem Zuzug von Flüchtlingen verbundene Ängste ernstzunehmen, ohne dabei fremdenfeindliche Forderungen zu bedienen. Sie sind auch deshalb nicht hilfreich, weil sie vermutlich nur mittelfristig wirken und weil die hier gelieferte Skizze von Lösungsansätzen der Komplexität des Notwendigen nicht einmal annähernd gerecht wird.

Es muss viele Köpfe geben, die sich um Verteilungsfragen Gedanken machen, viele mutige Entscheider, die Menschen- und Grundrechte sichtbar als Basis ihres Handelns begreifen, um wirkliche Lösungen zu erarbeiten. Dabei ist auch klar: Hier im Artikel geht es nur um soziale und wirtschaftliche Aspekte des Themas „Flucht“, daneben spielen natürlich auch politische Aspekte eine Rolle und es wird zudem um kulturelle Identitäten gehen müssen, darum, wie Vertrautes und Fremdes für die alten und neuen Mitglieder einer Gesellschaft in Einklang gebracht werden können, und wo Toleranz möglicherweise auf eine Intoleranz trifft, die Toleranz an ihre Grenzen bringt, weil sich diese Intoleranz nicht tolerieren lässt.

Einige Dinge geschehen. Eine Finanztransaktionssteuer scheint auf dem Weg zu sein, man versucht (zaghaft) in der EU, Steuerlöcher zu schließen, aber wir sind wohl dennoch weit davon entfernt, ein Wirtschaftssystem zu bauen, das die Bedürfnisse aller Menschen wieder ernster nimmt. Jeder Anhänger marktkonformer Demokratien wird sich gegen so etwas stemmen, weil ihn die Ideologie des freien Marktes, der alle Probleme für alle löst, dazu antreibt.

Jeder Nationalist wird den globalen Aspekt verneinen und die starke Nation propagieren, innerhalb derer die Problemlösung zu geschehen hat, und er wird das eventuell paaren mit einem kräftigen Schuss Verachtung für die Bewohner anderer Nationen. Aber die nationale Lösung ist nur eine Scheinlösung. Der Rückzug in die Nation wird den großen Herausforderungen dieser Welt nicht gerecht. Leider ist sie aber verführerisch.

Was nicht Thema dieses Artikels war

Um es hier abschließend nochmals zu betonen: Es geht hier nicht um die Forderung, dass jeder exakt dasselbe verdient. Es geht auch nicht darum, Markt und Wettbewerb komplett abzulehnen und als Grund allen Übels darzustellen. Markt und Wettbewerb haben durchaus Vorteile, weil sie Egoismus für Fortschritt einspannen, woraus dann jedoch auch wieder Nachteile resultieren. Ich glaube dennoch, dass ein Wirtschaftssystem, das nur mit Menschen funktioniert, die stets das Allgemeinwohl im Auge haben (von dem sie dann letztlich auch profitieren), aber nie ihren ganz persönlichen Vorteil, NICHT funktioniert.

Und so geht es aus meiner Sicht „nur“ darum, dass Markt und Wettbewerb niemals über Menschen- und Grundrechte stehen dürfen und dass nicht Mangelsituationen entstehen dürfen, die harte Entscheidungen künstlich rechtfertigen. Nicht eine marktkonforme Demokratie darf das Ziel sein, wenn man Demokratie auch in Zukunft als Option halten möchte, sondern ein demokratiekonformer Markt.

Eine Gefahr, dass sich eine Marktkonformität der Demokratie gegenüber einer Demokratiekonformität des Marktes durchsetzt, besteht, wenn große Handelsabkommen wie TTIP, CETA und TISA Ungleichheiten weiter verschärfen, weil sie die Mechanismen, die zu solchen Ungleichheiten führen, unangreifbarer machen. Aktuell könnte Portugal ein gutes Beispiel dafür zu sein, wie internationale Vereinbarungen zu einem Fallstrick werden können, die Korrekturen an sozialpolitisch bedenklichen Maßnahmen (Sparprogrammen) deutlich erschweren.

Wie demokratisch es gewesen ist, dass Republikpräsident Aníbal Cavaco Silva den Konservativen Passos Coelho mit der Regierungsbildung beauftragt hat, obwohl es eine linke Parlamentsmehrheit gibt, kann zumindest kontrovers diskutiert werden. Artikel wie der auf Telegraph.co.uk zeigen die Problematik, die Handelsabkommen wie TTIP unter Umständen verstärken könnten. Der Rahmen, in dem sich Demokratie entfaltet, würde dabei im ungünstigen Fall immer enger. Die Globalisierung würde für sie zur Falle.

Moderne Problemlösungen sind nicht national

Andererseits ist der Prozess der Globalisierung unumkehrbar und letztlich sind wir Menschen soweit gekommen, dass man große Herausforderungen wie ein nachhaltiges Wirtschaften mit vorhandenen Ressourcen nicht mehr auf einzelstaatlicher Ebene erfolgreich annehmen kann. Der weitgehende Rückzug in den Nationalstaat würde nur dazu führen, dass eine Vielzahl miteinander konkurrierender Nationalstaaten Global Playern wie international agierenden Konzernen gegenübersteht, die die verschiedenen Standorte gegeneinander ausspielen.

Sie würden das sicherlich nicht aus schierer Bosheit machen, sondern weil es betriebswirtschaftlich Sinn ergibt. Die Politik muss sich letztlich auf derselben (globalen) Ebene positionieren, weshalb internationale Wirtschaftsabkommen durchaus sinnvoll sind, sofern sie nicht einseitig Interessen der einen bedienen und Andere außen vor lassen. Die globalisierte Welt ist Realität. Es gibt kein Zurück, jedenfalls keins, das etwas taugt.

Wenn Alternativloses alternativlos bleibt!

Wenn Alternatives alternativlos bleibt, weil wir den Rahmen, in dem Alternativloses vielleicht (!) wirklich alternativlos ist oder zumindest wenig Raum für Alternativen lässt, nicht infrage stellen, und wenn sich Ungleichheiten auch in entwickelten Ländern weiter verschärfen, könnte es künftig immer mehr „Das Boot ist voll“ Situationen geben, die aus Sicht der scheinbar „Vernünftigen“ Ausnahmen rechtfertigen, in denen die Menschenrechte vorübergehend außer Kraft gesetzt werden.

Und dann wird Afghanistan zum sicheren Herkunftsland, obwohl es keins ist. Und dann gelten möglicherweise Zugeständnisse gegenüber Machthabern wie Erdoğan als legitim, obwohl man die berühmten Werte, die eigentlich die Basis des politischen Handelns sein sollen, schwer verletzt. Und dann wird eventuell auch der Tod von Menschen in Kauf genommen, solange er nur weit genug weg von der eigenen Haustür geschieht.

Es könnte in solch einem Fall geschehen, dass das, was wir als Wertegemeinschaft sehen wollen, immer weiter ausgehöhlt wird, bis es eine Hülle fast ohne Inhalt ist. Foltern für die Freiheit, Drohnenkriege und eine mörderische Sparpolitik könnten ihren Teil dazu beitragen.

Aber eine Demokratie mit ausgehöhlten Werten begeistert niemanden. Und das könnte auf Dauer zu einer ernsthaften Bedrohung für etwas werden, was eigentlich sehr bewahrenswert ist.

Demokratie muss begeistern, um zu überleben. Tut sie es nicht, ist sie ernsthaft in Gefahr. Und ich glaube, man muss heute einerseits konstatieren, dass es viele mächtiger werdende Systeme ohne demokratische Basis gibt. Und man muss sich ernsthaft fragen, wie viel Demokratie dem Handeln der USA und der EU in heutiger Zeit tatsächlich noch zugrunde liegt.

Abschließendes zu diesem Text

Dieser Text beinhaltet einige Erklärungsansätze, die möglicherweise nicht mehr als „Küchenpsychologie“ sind. Der Autor (also: ich) kann solch einer Ansicht nicht wirklich etwas entgegensetzen. Er besitzt zwar einen Abschluss in Erziehungswissenschaften, ist aber kein ausgebildeter Psychologe und wirft deshalb Thesen in den Raum, die für ihn schlüssig wirken, die aber von Fachleuten verifiziert oder falsifiziert werden müssten.

Der Autor (immer noch: ich) kann zudem nicht dafür garantieren, dass er nicht jede Menge Quatsch geschrieben hat. Vielleicht ist es sogar soviel Quatsch, dass man diesen Text wieder löschen muss. Aber da er vielleicht auch die eine oder andere diskussionswürdige Stelle enthalten könnte (!), taucht er vorübergehend hier auf. An die Admins: Den Text habe ich auch in meinem eigenen Blog veröffentlicht. Falls das für euch nicht OK ist oder ihr das böse Google-Monster fürchtet, gebt mir bitte Bescheid.

Zu guter Letzt: Dieser Text ist kein Brötchen. Beißen Sie nicht hinein. Beschmieren Sie ihn nicht mit Butter. Niemandem wäre damit geholfen. Vielen Dank.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Ansgar Sadeghi

Ein neugieriger Mensch, der gerne im 3-Länder-Eck D-BE-NL lebt, andere Menschen spannend findet und sich (manchmal) gerne so seine Gedanken macht.

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