Âventiure-lustiger Teenie, der sein Herz verlor

Premierenkritik, Uraufführung: Die eindrückliche Familienoper „Iwein Löwenritter“ überträgt ein Versepos aus dem 12. Jahrhundert in die Jetztzeit. An der Oper Bonn begeistert Moritz Efferts Komposition mit farbigem und vielschichtigem Spiel das überwiegend junge Publikum

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Der Titelheld und sein Bruder stehen erstarrt mit gebanntem Blick gen Publikum. Die halbdunkle Spielfläche prägen schwarz-weiß karierte Muster und überdimensionierte, bewegliche Schachbrettfiguren. Eine Frau tritt im schachbrettgemusterten Kleid energisch aus Theaterrauch hervor. Sie bestimmt plötzlich das Geschehen und ist merklich aufgebracht. Lunete, Hofdame und Zofe einer Königin, hat es nicht leicht. Ihre Herrin Laudine könnte ins Unglück gestürzt werden. Laudines frisch Angetrauter Iwein hält sich nicht an eine Vereinbarung und verletzt so die Spielregeln. Er sucht das Abenteuer in der Ferne. Die zaubermächtige und listige Lunete verflucht den Helden, obwohl sie Iweins Tapferkeit und Stärke insgeheim bewundert. Lunete weiß als gewiefte Schachspielerin, dass immer nur zu gewinnen langweilig ist. Ihre Verbannung Iweins scheint demgemäß endlich. Lunete ist eine von vielen Weggefährten Iweins, die den Heranwachsenden auf seiner bereichernden Reise lehren und beeinflussen.

Die Kinderoper Iwein Löwenritter, jüngst uraufgeführt an der Oper Bonn, behandelt Werte wie Freundschaft, Mut, Liebe und Ehre. Es geht um die Unterscheidung von Gut und Böse, Rücksichtnahme und Empathiefähigkeit und darum, sich selbst zu finden. Komponist Moritz Effert und Librettistin Andrea Heuser setzen für das Heldenepos von Hartmann von Aue Bezüge zur Jetztzeit. Grundlage für die Oper war das Jugendbuch Iwein Löwenritter (2011) von Büchnerpreisträgerin Felicitas Hoppe, das ebenfalls auf der mittelalterlichen Vorlage beruht.

Zu Anfang langweiligen sich die Brüder Leon und Gereon während eines Zoobesuchs mit ihrer Schulklasse. Sie lümmeln sich mit umgedrehten Cappys auf einer Bank herum und unterhalten sich über Inhalte auf ihren Smartphones. Da beginnt hinter ihnen ein Löwe, der von Christoph Levermann mit einer Handpuppe gespielt wird, mit ihnen zu sprechen. Der Löwe wird fortan zu einem kommentierenden Erzähler der Geschichte und bald zusätzlich von Michael Krinner mit kraftvollem Bass verkörpert. Das Zoogitter fährt hoch und Leon und Gereon werden in das Gehege und eine Art Wildnis und Zauberwelt gelockt, wo der Opernchor in sphärischen Melodien Waldtiere nachahmt. Sie erhalten Rittergewänder und –rüstungen. Beide trennen sie sich und werden zu den legendären Helden Iwein und Gawein am Artushof. Sie begegnen ungewöhnlichen Gestalten und kämpfen gegen Ungeheuer, Drachen und Riesen.

Selbst angegriffen, tötet Iwein anfangs hinterrücks einen König. Iwein kennt die geltenden Regeln und Gepflogenheiten nicht. Flugs verliebt er sich in die Witwe des von ihm Ermordeten. Die noch trauernde Witwe Laudine erwidert bald seine Liebe. Beide tauschen ihre Herzen, was szenisch durch zwei Sopranistinnen (Ava Gesell, Sarah Léna Winterberg) visualisiert wird, welche den pochenden Herzen auch gesanglich Kontur verleihen.

Requisiteur Thomas Stingl gestaltet eine wandlungsfähige Kulisse mit kunstvoll gemalten Bühnenbildern. Die Solisten und der Chor tragen bis auf die beiden Helden vorne meist Papierkostüme. Der russische Tenor Anton Kuzenok mimt die Titelrolle mit wandlungsfähigem Stimmorgan bei teils auch anspruchsvolleren Partien. Jakob Kunath gefällt in der Rolle Gaweins insbesondere bei den choreographischen Kampfszenen. Die tschechische Sopranistin Lada Bočková singt die Rolle der Laudine leicht, klar und nuancenreich. Mezzosopranistin Katharina von Bülow ist als schillernde Hofdame Lunete ein dramatischer Hingucker. Chor und Beethoven Orchester der Oper Bonn gestalten ein sphärisches, farbig vielschichtiges Musiktheater. Ein eindrucksvoller, abwechslungsreicher und kurzweiliger Abend.

Eingebetteter Medieninhalt

IWEIN LÖWENRITTER (Oper Bonn, 30.01.2022)

Musikalische Leitung: Daniel Johannes Mayr

Inszenierung: Aron Stiehl

Bühne: Thomas Stingl

Kostüme: Sven Bindseil

Licht: Boris Kahnert

Dramaturgie: Rose Bartmer

Choreinstudierung: Marco Medved

Besetzung:

Löwe (Puppenspieler) … Christoph Levermann

Löwe (Sänger) … Michael Krinner

Lunete … Katharina von Bülow

Iwein (Leon) … Anton Kuzenok

Iweins Herz … Ava Gesell

Gegner / Wilder Mann … Pavel Kudinov

Gawein (Gereon) … Jakob Kunath

Laudine … Lada Bočková

Laudines Herz … Sarah-Léna Winterberg

Chor des Theater Bonn

Statisterie des Theater Bonn

Beethoven Orchester Bonn

Premiere an der Oper Bonn war am 30. Januar 2022.

Nächste Termine: 13., 17.2./ 26.3./ 17., 20.4.2022

Eine Kooperation des Theater Bonn mit der Deutschen Oper am Rhein und dem Theater Dortmund im Rahmen der Reihe Junge Opern Rhein-Ruhr

Weitere Infos siehe auch: https://www.theater-bonn.de/de/programm/iwein-lowenritter/173944

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Geschrieben von

Ansgar Skoda

Redakteur& Kulturkritiker u.a. bei der "TAZ" & "Kultura Extra" http://about.me/ansgar.skoda Webentwickler und Journalist

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