Sanfte Überlagerungen wie fallendes Laub

CD-Kritik: Agnes Obels neues Album "Citizen of Glass" plätschert mit raffiniert verwobenen Harmonien melancholisch-dekorativ dahin, hinterlässt jedoch nur selten bleibende Eindrücke

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In Citizen of Glass schafft die dänische Singer-Songwriterin Agnes Obel romantisch meditative Klänge für den verhangenen Herbst oder den regnerisch-kalten Winter. Verschwörerisch gehauchter, lasziv gedämpfter Gesang und trippelnde Rhythmen wie fallender Regen treffen auf sich langsam entwickelnde musikalische Motive. Atmosphärisch dicht überlagern sich die Tonfolgen zu Melodien von rätselhafter, fließender Schönheit. Langgedehnte Vocals vereinen sich mit sanften Beats und klassischer Instrumentierung. Formschöne Klaviereinsprengsel treffen auf dichte Streicherelemente. Obel engagierte für ihr drittes Album den Geiger John Corban, die Cellistinnen Kristina Koropecki und Charlotte Danhier und begleitet sich selbst am Piano.

Eingebetteter Medieninhalt

Obels eher zurückgenommene, verträumte und helle Stimme haucht poetische Lyrics, wenn sie den sogenannten "gläsernen Menschen" und Fragen von Transparenz in unserer digitalisierten Medienwelt thematisiert. Sie schwelgt fragil in der Wiederholung von Vokallauten. Die Stimme der 36-jährigen Dänin wird meist elektronisch mit Halleffekten verstärkt. Der Song "Familiar" überrascht zudem mit männlichen, künstlich verfremdeten Vocals. Die raffiniert verwobenen, meditativen Harmonien der dichten Instrumentierung sorgen für wohliges Gänsehaut-Feeling. Insbesondere die rhythmischen Songs "Red virgin soil" und "Grasshopper" erzeugen mit dicht arrangierten Orchestrierungen, die ganz ohne Gesang auskommen, Spannung.

Nach Aventine (2013) und ihrem gefeierten Debütalbum Philharmonics (2011) schafft die, heute in Berlin lebende Obel erneut ein musikalisches Kleinod mit perlendem Gesang und behaglichen oder rätselhaften Rhythmen zum mehrmaligen Hören. In Citizen of Glass fehlt es jedoch an Songs, die als massenkompatible Hits herausstechen. Denn leider bleiben die einzelnen, einander kompositorisch oft ähnelnden Tracks kaum in Erinnerung; eher die Stimmungen, die das kurzweilige Album als Ganzes zu entfachen vermag. Auf Obels aktueller Tournee lassen sich ihre atmosphärischen Klanglandschaften demnächst auch live in ausgewählten, stilvollen Konzertlocations genießen.

Diese CD-Kritik erschien erstmals auf Campus Web.

Tourneedaten von Agnes Obel

28.10. Düsseldorf, Johanniskirche - New Fall Festival
29.10. Düsseldorf, Johanniskirche - New Fall Festival
30.10. Stuttgart, Liederhalle Mozart-Saal - New Fall Festival
04.-05.11. Weissenhäuser Strand - Rolling Stone Weekender
14.11. Berlin - Admiralspalast
15.11. München – Theaterfabrik

Website von Agnes Obel

<b><a href="Website http://www.agnesobel.com/"target="_blank">Hier geht es zur Homepage</a></b>.

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Geschrieben von

Ansgar Skoda

Redakteur& Kulturkritiker u.a. bei der "TAZ" & "Kultura Extra" http://about.me/ansgar.skoda Webentwickler und Journalist

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