Spielfiguren auf einer unsicheren Drehscheibe

Theater Robert Borgmann adaptiert Shakespeares "Richard III." am Schauspiel Stuttgart blutleer und banal mit packenden Bildern. Marek Harloff gibt der Titelrolle nur wenig Profil

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"Richard III." am Schauspiel Stuttgart, Foto (C) JU Ostkreuz

Richard III. ist legendär als Shakespeares diabolischster und durchtriebenster Bösewicht, dessen Weg zum Thron Leichen pflastern. Seine Tragödie Richard III. erzählt von Richard, Herzog von Gloucester, der zu Dramenbeginn gleich erklärt, ein verbrecherischer Schurke werden zu wollen, um an die Krone zu gelangen. Denn um König zu werden, muss er seine beiden Brüder, den regierenden König Edward IV. und Herzog Clarence beseitigen. Richard verleumdet Clarence beim König, der diesen in den Tower sperrt. Der Inhaftierte wird kurz darauf in Richards Auftrag ermordet. Richard wird auf seinem skrupellos blutrünstigen Weg oft verflucht, doch es gibt keine ebenbürtigen Widersacher, die seinem intrigantem und skrupellosem Spiel Einhalt gebieten. Auch Prinzessin Anne, um die Richard wirbt, lässt ihrer Empörung aufgrund des Verdachts, Richard habe ihren Gatten Prinz Edward und dessen Vater, König Heinrich VI., getötet, keine Taten folgen. Als ihr Richard anbietet, ihm den Dolch ins Herz zu bohren, lässt sie das kurz erhobene Schwert wieder fallen. Einflussreiche Verbündete wie etwa den Herzog von Buckingham lockt Richard mit möglichen Posten unter seiner Herrschaft. Doch Versprechen kann Richard bekanntlich wie so vieles andere brechen.

Trotzdem bleibt es auf der Bühne am Schauspiel Stuttgart bei der Adaptation des Dramas überraschend blutleer. Regisseur Robert Borgmann zeigt Marek Harloff in der Rolle der Titelfigur – ohne ausgereiftes Rollenprofil wirkt dieser scheinbar fehlbesetzt. Harloff agiert als Richard III. unbedarft, pubertär und linkisch, voller Trotz schwadroniert er und es scheinen fehlgerichtete, kindliche Energien sein verheerendes Tun zu lenken. Machtvoll, verwegen oder heimtückisch verschlagen wirkt sein Richard III. nicht, im schwarzen Anzug und Springerstiefeln keiner früheren Epoche zuordenbar. Es wird für den Zuschauer nicht nachvollziehbar, wie sein Richard es schafft, so viele adlige Angehörige zu töten und sogar die eigene Ehefrau auf den Scheiterhaufen zu bringen. Auch das karge Bühnenbild gibt mit nur wenigen Requisiten kaum Hinweise auf die dynastischen Verstrickungen in Shakespeares Königsdrama. Die Akteure kreisen auf einer rotierenden, sich kippenden, runden Fläche und tauchen mal auf und dann wieder ab. Die meisten von ihnen sind in Mehrfachrollen zu sehen, was zusätzlich verwirrt.

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Marek Harloff als "Richard III." am Schauspiel Stuttgart, Foto: (C) JU Ostkreuz

Peter René Lüdicke monologisiert so etwa als sterbender König Edward IV. etwas tüdelich über „unendlichen Spaß“, bevor er die Hosen fallen lässt, um Margaret aus dem Hause Lancaster, die Witwe von Heinrich VI. zu geben. Manolo Bertling spielt einen sanften Clarence, der wohlgesonnen auf Richards Bruderliebe vertraut. Ahnungs- und widerstandslos lässt er alles Ränkeschmieden über sich geschehen, um schlussendlich als Geist wiederzukehren und drohend Totenschädel oder eine riesige, schwarze Fahne zu schwingen. Sandra Gerling in der Rolle Lady Annes und Susanne Böwe als schnippische Königin Elisabeth geben als Frauenopfer Richards weniger klein bei, wenn sie ihren Verdächtigungen mit machvoller Stimme Gehör verschaffen – dies jedoch nur kurz. Schon bald legen sie ihre, mit Krinoline oder Reifrock geweiteten Kostüme ab, die an Kleiderhaken befestigt von der Bühne emporgehoben werden. Ohne ihre pompösen Gewänder können die trauernden Witwen Richard III. weniger Verteidigungsfläche entgegensetzen. Es sind solche und ähnliche packenden Bilder, die immer wieder effektvolle Spannungsmomente in Borgmanns Inszenierung hervorrufen. Bereichert wird die sonst leider etwas banale Adaptation auch durch spannungsvolle Soundcollagen, Licht- und Feuereffekte und künstlerisch gestaltete Videoeinspielungen. Auch der poetische Epilog überrascht angenehm, wenn Katharina Knap in der Rolle Buckinghams die Zuhörer mit dem Gedicht „The Hollow Men“ von T. S. Eliot entlässt und sich als Richards Weggefährte nackt neben diesen, von Albträumen geplagten und wahnsinnig gewordenen legt.

Diese Theaterbesprechung erschien am 21.3.2015 erstmals auf Kultura Extra.

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RICHARD III. (Schauspiel Stuttgart, 11.3.2015)

Regie & Bühne … Robert Borgmann

Kostüme … Adriana Braga Peretzky

Musik … webermicholson

Video … Lianne van de Laar

Licht … Carsten Rüger

Dramaturgie … Jan Hein

Besetzung …

Richard III. … Marek Harloff

Clarence … Manolo Bertling

Elisabeth … Susanne Böwe

Herzogin von York/ Lady Anne … Sandra Gerling

Richard II./ Buckingham/ Mörder … Katharina Knap

König Edward /Margaret /Mörder … Peter René Lüdicke

Hastings … Elmar Roloff

Richard (jung) … Hosea Hellebrandt

Prinz … Georg Welsch, Samuel Liebhäuser

Gerichtsschreiber … Frank Laske

Premiere war am … 26. September 2014, Schauspiel Stuttgart

Weitere Termine … 29.3./ 9.4.2015

Weitere Infos siehe auch http://www.schauspiel-stuttgart.de/spielplan/richard-der-dritte/

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Geschrieben von

Ansgar Skoda

Redakteur& Kulturkritiker u.a. bei der "TAZ" & "Kultura Extra" http://about.me/ansgar.skoda Webentwickler und Journalist

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