Von Pflanzen im Park und Menschen am Hofe

Kino Alan Rickmans unterhaltsames Sittengemälde "Die Gärtnerin von Versailles" mit Kate Winslet in der Titelrolle schwelgt in Hofkultur und Gartenarchitektur von Ludwig XIV.

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Er ist ein Verfechter von Symmetrie und Ordnung, sie eine Anhängerin von Chaos und Anarchie. Die Anarchie müsse sich dem königlichen Befehl und das Chaos dem Budget unterordnen, erklärt er ihr. Die Gärtnerin von Versailles behandelt unterhaltsam den Konflikt von Natur und höfischer Künstlichkeit. Im Frankreich erhält Ende des 17. Jahrhunderts die unkonventionelle Sabine de Barra (Kate Winslet) von André Le Nôtre (Matthias Schoenaerts), dem obersten Gartenarchitekten am Hof Ludwig XIV. (Alan Rickman), den Auftrag, einen Barockgarten zu bauen. Der Sonnenkönig wünscht sich für sein neues Schloss in Versailles einen Park, der alles bisher Dagewesene in den Schatten stellt. Ein verspieltes, phantasievolles und extravagant überraschendes, barockes Meisterwerk drängt somit auf seine schnelle Fertigstellung. Neben dieser Herausforderung kämpft Sabine auch noch mit neidischen Konkurrenten, illoyalen Mitarbeitern und schwierigen Wetterverhältnissen. Eine noch unbekannte Welt ist für sie auch der Hofstaat seiner Majestät. Doch der exaltierte Herzog von Orléans (Stanley Tucci), seine Gemahlin Prinzessin Palatine (Paula Paul) und die Mätresse des Königs, Madame de Montespan (Jennifer Ehle) nehmen die Novizin am königlichen Hofe freundlich in ihre Kreise auf. Allmählich, dezent und respektvoll entwickelt sich sogar eine zarte Romanze zwischen ihr und Le Nôtre. Le Nôtres extravagante Gattin (Helen McCrory) schmiedet jedoch gefährliche Rachepläne für die Rivalin und sabotiert ihr Bauprojekt.

In seinem heiter-unterhaltsamen und spannenden Sittengemälde einer längst vergangenen Epoche schwelgt Regisseur und Drehbuchautor Alan Rickman detailverliebt in der Hofkultur Ludwigs XIV., dessen Rolle er hingebungsvoll selbstironisch verkörpert. Bebildert wird die Geschichte mit extravaganten Kostümen und prächtigen Arrangements prunkvoller Architektur und Gartenkunst.

Die meisten Figuren wie etwa der Landschaftsarchitekt André Le Nôtre (1613-1700) basieren auf historischen Vorbildern. Alleine die von Kate Winslet mit geradliniger Aufrichtigkeit integer und bodenständig verkörperte Sabine de Barra hat es in Wirklichkeit nie gegeben. Ihre Figur ist blondiert, was zur damaligen Zeit auch nicht möglich war. Sabines einfache Wahrhaftigkeit scheint an keine höfischen Regeln gebunden. Es mutet fast schon übernatürlich an, wenn sie als einzige Figur im Ränkespiel am Hofe Ludwig XIV. gar nicht auf die Idee kommt, für ihre eigene berufliche oder private Existenz zu taktieren oder aktiv um die Gunst des Königs zu buhlen. Ihre Figur steht wie ihr eigener Garten, in dem Le Nôtre zu Filmbeginn beinahe ehrfürchtig Laternen entzündet, mit seiner dichten Bepflanzung und mit Muscheln und Lavagestein kreativen Ausgestaltung für sinnlich-natürliche Üppigkeit. Le Nôtres selbst gestalteter Garten erscheint hingegen mit drei Meter hohen, kugelförmig geschnittenen Pflanzenskulpturen streng monolithisch und verbreitet mit schachbrettmusterartig geordneten Topfpflanzen eine einschüchternde Atmosphäre.

Kamerafrau Ellen Kuras schafft in Die Gärtnerin von Versailles beeindruckende Bilder aus ungewöhnlichen Perspektiven, wenn sie etwa das Räderwerk einer fahrenden Kutsche oder die Wurzeln eines Baumes filmt, der gerade in ein Loch im Boden eingelassen wird. Der Edinburgher Cellist und Komponist Peter Gregson steuert einen stimmungsvollen, manchmal etwas aufdringlichen Soundtrack bei.


In den königlichen Gärten gezeigte Kiwi-Bäume gab es zu der damaligen Zeit in Europa noch nicht. Kiwifrüchte hießen früher Chinesische Stachelbeeren und kamen erst in den 1950er-Jahren nach Europa. Doch das Ballsaalboskett, das Sabine inklusive Treppen und Wasserspiele unter freien Himmel errichtet, gibt es wirklich. Der Originalschauplatz befindet sich bis heute in den Gärten von Versailles mitsamt des funktionierenden Brunnen und der gestuften Seitenwände. Der Film zeigt weitere Originalschauplätze, wenn er die weitläufigen Gartenanlagen um das Jagdschloss Versailles nahe Paris, Hauptresidenz der französischen Könige vor der Französischen Revolution, porträtiert. Gedreht wurde tatsächlich in Einrichtungen aus der Zeit von Ludwig XIV., wie Blendheim Palace und Waddesdon Manor. Die Produktion drehte auch in Schauplätzen wie Hampton Court Palace oder Ashridge Park.


Allein die üppigen Landschaftsbilder lohnen den Filmbesuch. Es gibt jedoch dramaturgische Schwächen, wenn Sabine etwa immer wieder mit einem dunklen Geheimnis aus ihrer Vergangenheit hadert. Dieses gegen Ende gelüftete traumatische Erlebnis scheint für den Film ebenso überflüssig wie eine ausufernd gefilmte kitschige Liebesszene zwischen ihr und Le Nôtre. Gegen Ende fällt bei einem Sturm ein machtvolles Schleusentor guillotinengleich herab, und man mag an die Enthauptungen denken, die dem französischen Adel im Rahmen der Französischen Revolution noch bevorstehen werden. Doch darüber wurden schon viele Filme wie Les Misérables (verschiedene), Marie Antoinette (2006) oder Leb wohl, meine Königin! (2012) gemacht. So mag man sich gerne diesmal von einem erfrischenden Happy-End erheitern lassen.

Mehr Infos zum Film, der am 30. April startet, hier.

Diese Filmkritik erschien erstmals am 1. April 2015 auf Kultura Extra.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Ansgar Skoda

Redakteur& Kulturkritiker u.a. bei der "TAZ" & "Kultura Extra" http://about.me/ansgar.skoda Webentwickler und Journalist

Ansgar Skoda

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