Wanderfrohe Klänge mit leiser Rheinromantik

Rheinvokal-Festival Sopranistin Sheva Tehoval und Pianist Christoph Schnackertz präsentierten am 8.8. im Arp Museum Bahnhof Rolandseck Liedzyklen von Dvořák, Liszt und jiddische Volkslieder

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Rheinvokal, das internationale Festival für Vokalmusik, gastierte am 8. August mit zwei Vorführungen im Neubau des Arp Museums Bahnhof Rolandseck. Die belgische Sopranistin Sheva Tehoval und Pianist Christoph Schnackertz performten einfühlsam und technisch versiert Lieder für Singstimme und Klavier ausgewählter bekannter Komponisten.

Zu Beginn des Nachmittags standen eingängige Melodien aus dem Liederzyklus Zigeunermelodien op. 55 von Antonin Dvořák, komponiert im Januar 1880. Während heutzutage über den Begriff „Zigeunersoße“ diskutiert wird und sich Robert Habeck sogar für sein „Indianerehrenwort“ rechtfertigen muss, waren im 19. Jahrhundert das romantisierte Sujet und der Exotismus des sogenannten fahrenden Volkes sehr beliebt.

Viele Komponisten widmeten sich dem vermeintlich freien, nomadenhaften Leben der Sinti und Roma. Es gibt so einen ganzen Reigen an Liedern aus dem 19. Jahrhundert, die den unbändigen Freiheitsdrang, ihre Unabhängigkeit und Unbeschwertheit von gesellschaftlichen, oft als spießig empfundenen Normen, bebildern.

Ebenso wie Dvořák hat auch der Dichter der Texte, Adolf Heyduk, tschechische Wurzeln. In Tschechien waren Sinti und Roma die größte ethnische Minderheit der Gesellschaft. Sheva Tehoval singt Dvořáks melancholische Zigeunermelodien über „wanderfrohe Klänge“ und „Wanderlust“ mit ausgeglichener und beweglicher Stimme. Christoph Schnackertz sorgt am Klavier mit tänzelnden Aufwärtsbewegungen für ein leuchtendes Klangbett.

Später interpretiert das Duo sechs Lieder aus dem Liederzyklus op. 38 des russischen Komponisten und Pianisten Sergej Rachmaninow. Dieser vertonte in op. 38 um 1916 russische Liebesgedichte von zeitgenössischen Lyrikern des Symbolismus. Tehoval und Schnackertz harmonisieren gut, wenn Singstimme und Klavier dynamisch verschmelzen. Die fein gearbeiteten Melodien werden mal vom Klavier, mal vom Vokalpart getragen. Rachmaninow hatte den musikalisch recht homogenen Zyklus seinerzeit einer aufstrebenden, jungen Sängerin gewidmet. Tehoval trägt die düstere Grundstimmung der Lieder mit schwebendem und leuchtend changierendem Gesang.

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Danach füllt das Duo ganz virtuos die Ausstellungsräume mit der Darbietung von fünf ausgewählten Liedern von Franz Liszt. Der österreich-ungarische Komponist und Pianist vertonte zwischen 1839 und 1849 zahlreiche Gedichte von Heinrich Heine und Johann Wolfgang von Goethe. Mit lang absteigenden Klavierakkorden und gleichförmigen Notenwerten bereitete Liszt Goethes Gedicht „Über allen Gipfeln ist Ruh“ (1780) um 1848 kompositorisch auf. Sheva Tehoval setzt die Töne bei diesem naturbejahenden und zugleich todessehnsüchtigen Versen farbenreich und wirkungsvoll strahlend. Die romantische Sehnsucht nach Waldeinsamkeit wird mit beachtlicher Klangweite ausgedrückt.

Auch „O lieb, so lang du lieben kannst“, beruhend auf einem Gedicht von Ferdinand Freiligrath um 1845 und eine Vertonung von Heines Gedicht „Im Rhein, im schönen Strome“ von 1844 werden gefühlvoll dargeboten. Eine Brise Rheinromantik kam hierbei leise auf. Weich im Ausdruck wird auch das sehnende „Kling leise mein Lied“ von 1848; beruhend auf einem Gedicht des österreichischen Schriftstellers Johannes Nordmann, performt. Schließlich findet auch „Freudvoll und leidvoll“ (1844) über die Zerrissenheit einer Liebesbeziehung beim Publikum Gefallen. Hier entlehnte Liszt die Verse aus Goethes Tragödie Egmont (1789).

Ein Publikumshighlight sind vier jiddische und insgesamt kontrastreichere Volkslieder. Offen und direkt drehen sich die Lieder um grundsätzliche philosophische Fragen. Die orientalisch anmutende Motivik der berührenden Melodien reicht bis in die kirchlichen Gesänge des Mittelalters zurück.

Ein insgesamt gelungener Abend mit einfühlsamen Interpretationen größtenteils bekannter gediegen-schwermütiger Lieder.

Aufgrund der Vorführungen um 15 und um 18 Uhr waren die Ausstellungen des Museums ohne Ankündigung ab 14 Uhr nicht mehr begehbar. Das sorgte insbesondere bei weit angereisten Ausstellungsinteressierten für Unmut.

Weitere Infos siehe auch: https://www.rheinvokal.de/

Ein Mitschnitt des Konzertes wird am Dienstag, 16.11.2021, von 13.05 bis 14.58 Uhr im SWR2 Mittagskonzert ausgestrahlt.

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Geschrieben von

Ansgar Skoda

Redakteur& Kulturkritiker u.a. bei der "TAZ" & "Kultura Extra" http://about.me/ansgar.skoda Webentwickler und Journalist

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