War schon ewig nicht mehr auf einem Konzert

DVD-Kritik 'Leif in Concert Vol. 2' setzt dem Kneipenleben ein kleines Denkmal. In Lockdown-Zeiten erscheint die Musikkomödie mit Luise Heyer nun für das Heimkino mit Bonusmaterial.

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Regisseur und Autor Christian Klandt setzte mit Leif in Concert Vol. 2 dem facettenreichen Kneipenleben 2019 unwissentlich ein kleines Denkmal. Der Film erschien dieses Frühjahr auf DVD mit unzähligen Extras wie unveröffentlichen Szenen, einem originell-persönlichem Set-Tagebuch und Outtakes. Das Yorckschlösschen, die traditionsreiche Berliner Blues- und Jazzkneipe, deren Innenräume in der pointenreichen Komödie gezeigt werden, hat wegen der Pandemie geschlossen. Viele Kneipen dürften die vergangenen Lockdowns nicht überlebt haben.

Der Vorspann des Films zeigt schelmisch charmant, dass die porträtierte Kneipe überall in Deutschland verortet werden kann. Hier radelt die Kneipenbetreiberin kopfhörergewappnet musikhörend zum Ort des Geschehens über markante Plätze in Berlin, Hamburg, Köln, Düsseldorf und noch vielen anderen Städten. Luise Heyer (Das schönste Paar (2019), Der Junge muss an die frische Luft (2018), Härte (2015)) mimt die emotional nahbare, attraktive und zupackende Barfrau Lene. Noch vor Schichtbeginn räumt sie nicht nur die beeindruckenden Hinterlassenschaften des Vorabends auf. Sie setzt sich auch mit einem hinterbliebenen Stammgast, dem unzuverlässigen Getränkezulieferer, ihrem vergesslichen Chef und einer Toilettenbesucherin, die nicht bis zur Kneipenöffnung warten kann, auseinander. Zwischendurch wird die Kneipe als Probebühne für eine Poetry Slammerin, ein Tanzensemble und eine Popband genutzt.

Neben sehenswerten Auftritten lebt die Komödie von lebendigen, improvisiert wirkenden Kneipengesprächen und sich daraus ergebender Situationskomik. Ungeniert informiert etwa in Plauderfetzen zweier Enddreißiger Dr. Mark Benecke den sichtlich gefassten Tom Lass über Vaginalsäfte und ausgekippte Leichen; „natürlich von Tieren“ wird nachgeschoben. Dramatikerin Nora Abdel-Maksoud gönnt sich mit der polnischen Filmregisseurin Monika Anna Wojtyllo in der Kneipe einen Imbiss. Dabei überlassen sie mitgebrachten Schnecken die Salatblätter, beobachten diese auf dem Kneipentisch und unterhalten sich über große Kunst. Solche Szenen bleiben in Erinnerung. Der Kneipengast Bela B. bemerkt gegenüber seiner Tischnachbarin Jule Böwe, er sei schon ewig nicht mehr auf einem Konzert gewesen, ein sprechendes Statement des bekannten Musikers der Punkrock-Band Die Ärzte.

Die DVD beeindruckt jedoch vor allem mit einen bunten Sammelsurium an bemerkenswerten Extras zum Film. Da gibt es unter anderem eine kleine Hommage an den 2020 verstorbenen Darsteller Tilo Prückner, eine nicht verwendete Performance von „In Ketten“ der Band Karl die Große, eine Glückskeksgalerie mit kurzen geistreichen Sprüchen des Allstar-Ensembles und das Musikvideo „Lovers and Losers“ der Singer-Songwriterin June Cocó. So lässt sich das filmische Kneipenleben gleich mehrfach Revue passieren. Man freut sich darauf, vielleicht schon bald wieder - nicht nur virtuell - Begegnungsorte wie das Yorckschlösschen besuchen zu dürfen, sondern persönlich an der Kneipenkultur wieder teilzuhaben.

Eingebetteter Medieninhalt

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Ansgar Skoda

Redakteur& Kulturkritiker u.a. bei der "TAZ" & "Kultura Extra" http://about.me/ansgar.skoda Webentwickler und Journalist

Ansgar Skoda

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden