Worte für den Liebsten

CD-Kritik: Rufus Wainwrights neues Album "Take All My Loves / 9 Shakespeare Sonnets" ist eine Hommage an Shakespeares Lyrik. Sopranistin Anna Prohaska singt fünf Sonette opernartig

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Rufus Wainwright
Rufus Wainwright

Foto: Mike Coppola/AFP/Getty Images

Die Sammlung Take All My Loves ist gewöhnungsbedürftig, vereint sie doch neben anspruchsvoller Poesie höchst unterschiedliche Musikrichtungen und Interpreten. Obwohl das Bildnis und der Name des kanadischen Singer-Songwriters und Komponisten Rufus Wainwright das CD-Cover zieren, hören wir seinen sanften Pop-Tenor nur in den Leading Vocals von vier Songs. Take All My Loves / 9 Shakespeare Sonnets enthält insgesamt 16 Tracks, in denen 11 ausgewählte Shakespeare-Sonette rezitiert, neun davon musikalisch und gesanglich in Szene gesetzt werden. Zu den prominenten Sprechern der Shakespeare Sonette zählen Carrie Fisher, William Shatner und Helena Bonham-Carter. Abgelöst werden die feierlichen Rezitationen von opernhaft oder poppig inszenierten Vertonungen der Verse als Songs. Florence Welch von der englischen Musikgruppe Florence + The Machine verleiht etwa Sonnet 29 "When in Disgrace with Fortune and Men’s Eyes" mit ihrem dramatisch schwelgerischen Soul- Gesang einen ganz eigenen Charme.

Die meiste Zeit und beinahe mehr noch als Rufus Wainwright hört man jedoch die österreichische Opernsängerin Anna Prohaska. Die 33-jährige verleiht gleich fünf der Sonette ihre höhensichere Stimme und lässt die Dichtung Shakespeares sich opernarienhaft dehnen und sanft timbriert schwingen. Als Koloratursopranistin beeindruckt Prohaska besonders durch zarte und agile Stimmführung und Beweglichkeit im hohen Register. Klanglich setzt Prohaska auf dem Album reizvolle Akzente, wenn sie die Shakespeare-Verse schwermütig wiederholt oder sich steigernd leidenschaftlich losschmettert.

Melancholisch hingebungsvoll sprechen auch die 92-jährige Inge Keller und der 83-jährige Jürgen Holtz Shakespeares Liebesgedichte auf Deutsch. Wainwright begleitet dann Holtz in "All Dessen Müd" selbst im gebrochenen Deutsch, wobei zuvor noch Christopher Nell mit einstimmt und mit seiner Countertenorstimme dem Gedicht eine Melodie entlockt. Auch hier richtet sich das Begehr der lyrischen Stimme an einen Mann, wie in den meisten von Shakespeares Liebessonetten. Diese vermeintliche Homoerotik der Gedichte beschäftigte bereits vor Wainwright namhafte schwule Künstler. Derek Jarman ließ etwa 1985 in The Angelic Conversation Judi Dench vierzehn Shakespeare Sonette sprechen und zeigte dabei unterschwellig homoerotische Themen und Sehnsüchte auf.

Wainwrights Album ist eine klangfarbenfrohe Hommage an Shakespeares bildgewaltige und andeutungsreiche Sonette. Zusammen mit Robert Wilson komponierte er bereits vor einigen Jahren viele der Songs für ein 2009 am Berliner Ensemble uraufgeführtes Theaterstück. Anlässlich des 400. Todestages von William Shakespeare erschien im April diese wagemutige Compilation und lädt dazu ein, Shakespeares geistreiche und sehnsuchtsvolle Liebespoesie immer wieder neu zu hören.

Diese CD-Besprechung erschien erstmals am 11.8.16 auf Campus Web.

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Geschrieben von

Ansgar Skoda

Redakteur& Kulturkritiker u.a. bei der "TAZ" & "Kultura Extra" http://about.me/ansgar.skoda Webentwickler und Journalist

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