Prostitution ist keine Naturerscheinung
Von der Prostitution wird gerne behauptet, sie sei das älteste Gewerbe der Welt, was so viel bedeutet wie: Gab es immer, kann man gar nicht abschaffen. Das ist sowohl historisch als auch kulturanthropologisch falsch. Historiker haben längst überzeugende Zusammenhänge zur Entstehung der Prostitution aufgezeigt. Außerdem gibt es Gesellschaften, die Prostitution nicht kennen. Allerdings hat der koloniale westliche Blick in Kulturen, die ihm fremd waren, häufig soziale Beziehungen, die nicht dem Modell der monogamen heterosexuellen Ehe entsprachen, vorschnell als Prostitution eingeordnet. Es ist aber nicht sinnvoll, jede Vermischung von sexuellen und ökonomischen Beziehungsgeflechten als Prostitution zu bezeichnen. Das spezifische Charakteristikum von Prostitution ist, dass sexuelle Beziehungen als Ware gehandelt werden. Das können Gesellschaften so handhaben, sie müssen es aber nicht.
Prostitution ist vor allem eine Einkommensquelle
Prostitution ist, vor allem für Frauen, in erster Linie eine Möglichkeit, Einkommen zu erzielen. Die allerwenigsten Frauen wählen diese Tätigkeit aus Berufung oder weil sie Spaß am Sex mit beliebigen Männern haben – auch wenn das in Einzelfällen vorkommen mag. Vielmehr hängt die Attraktivität dieser Tätigkeit für die große Mehrheit der Prostituierten eng damit zusammen, welche anderweitigen Chancen sie haben, an Geld zu kommen. Für den regulären Arbeitsmarkt brauchen sie entweder Qualifikationen und Bescheinigungen, die sie vielleicht nicht beschaffen können, oder sie müssen auf Tätigkeiten ausweichen, die ebenfalls prekär, aber viel schlechter bezahlt sind. Alle Maßnahmen, die rund um das Thema Prostitution vorgeschlagen und diskutiert werden, müssen deshalb die Frage nach realistischen Einkommensmöglichkeiten, Arbeitsbedingungen und sozialer Absicherung ins Zentrum stellen.
Prostitution spiegelt soziale Ungleichheit
Prostitution ist aber nicht nur eine Frage des Einkommens, sondern auch eine der sozialen Herkunft. Frauen, die aus einem bürgerlichen Milieu stammen und sich diesem zugehörig fühlen, wählen nur sehr selten diese Tätigkeit – auch nicht in Lebensphasen, in denen sie wenig Geld haben, zum Beispiel während des Studiums oder wenn sie mal arbeitslos sind. Gleichzeitig ist aber die Debatte über Prostitution stark von einem bürgerlichen Blickwinkel geprägt, und zwar auf beiden Seiten: der Befürworter eines Verbots ebenso wie bei denen, die für eine Normalisierung von „Sexarbeit“ eintreten. Aber welche Vorstellungen, Sorgen und Wünsche haben Frauen aus den sozialen Schichten und Milieus, aus denen die große Mehrheit der Sexarbeiterinnen kommt? Möglicherweise ergeben sich dadurch ganz andere Anliegen und Perspektiven auf das Thema.
Gesetzliche Verbote beschneiden die Handlungsoptionen von Frauen
Gesetzliche Verbote und Regulierungen erschweren oder verunmöglichen es Frauen (und Männern), durch Prostitution Einkommen zu erzielen und beschneiden damit ihre Handlungsoptionen. Das ist der entscheidende Grund, warum solche Regulierungen abzulehnen sind. Wer sich dazu entschließt, Sex als Ware zu verkaufen, wird einen guten Grund dafür haben. Es ist herablassend, so zu tun, als wären Prostituierte nur zu uninformiert oder zu wenig selbstsicher, um einen anderen Weg zu wählen. Die Betroffenen kennen ihre eigenen Möglichkeiten und Ressourcen in der Regel sehr genau, und wenn sie sich für diese Tätigkeit entscheiden, ist das offensichtlich die beste Option, die sie angesichts der Realität, in der sie leben, haben. Wenn ihnen diese Möglichkeit genommen wird, sei es durch Verbote, durch fehlenden Schutz oder durch fehlende Infrastruktur, müssen sie logischerweise zur zweitbesten Option greifen, haben also konkrete Nachteile. Deshalb ist dieser Weg falsch.
Selbstbestimmte und erzwungene Prostitution existieren selten in Reinform
In der Debatte wird meist über zwei Extreme diskutiert: Die einen verweisen auf Zwangsprostitution und fordern ein generelles Verbot, die anderen auf selbstbestimmte Prostitution und fordern gesellschaftliche Akzeptanz. Doch in Wirklichkeit sind Fälle, in denen Frauen gegen ihren erklärten Willen von brutalen Menschenhändlern mit blanker Gewalt zur Prostitution gezwungen werden (was ohnehin verboten ist, wenn es auch nicht ausreichend verfolgt wird) eher selten. Und noch seltener sind wohl diejenigen Fälle, in denen Frauen aus reiner Passion Sexdienstleistungen verkaufen, obwohl sie eine Fülle von anderen Möglichkeiten hätten. Die übergroße Mehrheit bewegt sich in einer Grauzone zwischen Freiwilligkeit und Zwang, wobei sowohl ökonomische als auch soziale Faktoren eine Rolle spielen. Die Übergänge sind fließend, und einzelne Fälle finden sich auf jedem Punkt der Skala. Statt Freiwilligkeit und Zwang als gegensätzliches Entweder-Oder zu diskutieren, sollte das Augenmerk auf die Verwobenheit beider Aspekte gerichtet werden: Welche Umstände ermöglichen den betroffenen Frauen ein Mehr an Freiwilligkeit, und welche tragen dazu bei, dass die Frauen neuen Zwängen unterworfen werden?
Die problematischen Aspekte von Prostitution dürfen nicht kleingeredet werden
Auch wenn man aus guten Gründen ein Verbot der Prostitution ablehnt, sollte man doch nicht so tun, als wären die menschenfeindlichen Begleiterscheinungen des Gewerbes nur bedauerliche Ausrutscher und Nebenaspekte. Frauen, die in der Prostitution arbeiten, tragen ein hohes Risiko, körperlich und seelisch verletzt und ausgebeutet zu werden. Viele von ihnen werden Opfer von Gewalt. Diese strukturellen Zusammenhänge müssen gesehen und ernst genommen werden.
Wir sollten mehr über Freier nachdenken als über Prostituierte
Der Dreh- und Angelpunkt einer solchen Debatte wäre nicht die Motivation von Frauen (oder Männern), in der Prostitution zu arbeiten – die liegt ja völlig auf der Hand. Sondern worum es im Kern geht, ist die Motivation von Männern, sexuelle Dienstleistungen zu kaufen. Welche Bedürfnisse befriedigen sie, indem sie einem anderen Menschen Geld dafür bezahlen, mit ihnen Sex zu haben? Auch hier ist eine breite Palette von Möglichkeiten denkbar, und nicht alle sind gleichermaßen problematisch. So mag es Menschen mit körperlichen oder geistigen Einschränkungen geben, denen es nur schwer oder gar nicht möglich ist, auf andere Weise einen Sexualpartner oder eine Sexualpartnerin zu finden. Oder auch Männer und Frauen, die den Wunsch nach sexuellen Praktiken verspüren, zu denen die Menschen in ihrem Umfeld nicht bereit oder in der Lage sind. Allerdings gibt es auch viele Männer, und sie sind die große Mehrheit der Freier, die sich tatsächlich Sex wünschen, bei dem ganz allein ihre eigenen Wünsche und Bedürfnisse im Zentrum stehen sollen. Und die dafür zwar eine reale, lebendige Frau zur Verfügung haben wollen (sonst könnten sie ja auch onanieren oder technische Hilfsmittel zum Einsatz bringen), deren Wünsche und Begehren dabei aber keine Rolle spielen sollen – in der Warenwelt ist der Kunde eben König.
Prostitution ist keine normale Arbeit
Die Gegnerinnen und Gegner eines gesetzlichen Verbotes von Prostitution argumentieren häufig damit, dass es sich hierbei doch um eine normale Arbeit handele, die ebenso betrachtet werden müsse wie andere möglicherweise ungeliebte Tätigkeiten. Ist nicht die Verkäuferin oder die Reinigungsfrau ebenfalls ökonomischen Zwängen unterworfen und würde vielleicht lieber etwas anderes tun? Sicher ist es prinzipiell möglich, Sex in diesem Sinn als Ware oder als Dienstleistung zu verstehen. Die Frage ist, ob wir das wollen. Normale Arbeit, also der Tausch von Arbeitskraft gegen Geld, beruht auf einem System der Arbeitsteilung. Der Käufer von Arbeitsleistungen hat entsprechend auch einen Anspruch auf einen äquivalenten Tausch. Wenn also die erbrachte Dienstleistung oder das bezahlte Produkt Mängel aufweist, kann es zurückgegeben werden. All das ist vertraglich geregelt, und es gibt Dritte, die in Konflikten darüber entscheiden. Es wirkt sich auf unsere kulturelle Vorstellung von Sexualität aus, ob wir sie als Ausdruck gegenseitigen Begehrens zwischen zwei (oder mehreren) Menschen verstehen oder als banale Dienstleistung, die ebenso wie das Putzen der Wohnung an professionelle Dritte outgesourced werden kann.
Prostitution gründet auf einer fragwürdigen Vorstellung von Sex
Das Phänomen Prostitution kann es also überhaupt nur in einer Kultur geben, für die Sex nicht die gegenseitige Lust aufeinander zur Voraussetzung hat, sondern einseitig denkbar ist. In der es als akzeptabel gilt, wenn jemand, der Sex haben will, die eigene Lust mit jemandem befriedigt, der oder die selber in dieser Situation eigentlich lieber keinen Sex haben will. Die zahlreichen patriarchalen Implikationen dieser Vorstellung sind offensichtlich. Sie baut auf der langen Tradition auf, wonach es auf das Begehren der Frau nicht ankomme. Früher ging man ohnehin davon aus, dass sexuelle Lust bei Frauen eine medizinische Anomalie sei, und heute ist die Idee verbreitet, die einzige Vorbedingung für legitimen Sex wäre „Consent“, also Einwilligung. Das ist aber etwas anderes als Begehren. Für Sex, der wirklich als gegenseitiges Geschehen verstanden wird, also als etwas, das zwei (oder mehr) Menschen miteinander tun möchten, reicht „Consent“ nicht aus. Es braucht beiderseitiges Begehren. Die Abkopplung sexueller Handlungen vom (weiblichen) Begehren ist eine der Wurzeln patriarchaler Kultur, und sie liegt auch allen Debatten über Prostitution zugrunde.
Mehr Möglichkeiten für Frauen schaffen
Diese kulturellen Debatten über den Charakter von Sex müssen geführt werden, aber nicht zulasten von Frauen, die durch Prostitution Geld verdienen. Hier braucht es kurzfristige Maßnahmen, die die Situation der Betroffenen substanziell verbessern. Prostitution wieder in die Illegalität zu verdammen, ist der falsche Weg, nicht nur, weil es die Handlungsoptionen für diese Frauen verringert, sondern auch, weil es den Zugang zu Hilfsstrukturen, Beratungseinrichtungen und Selbstorganisation erschwert. Je mehr Handlungsoptionen und Einkommensmöglichkeiten eine Gesellschaft Frauen zur Verfügung stellt, und zwar vor allem denen, die wenig Bildungschancen oder soziale Ressourcen haben, umso größer wird der Spielraum für diese Frauen, den Aspekt der Freiwilligkeit in ihren Lebenswegen zu verstärken.
Antje Schrupp ist Journalistin, Politologin und Philosophin. Sie promovierte über Frauen in der „Ersten Internationalen“ und hält Vorträge zu den Themen Arbeit, Gender, Politik und Religion. Ihr Blog antjeschrupp.com heißt Aus Liebe zur Freiheit. Notizen zur Arbeit der sexuellen Differenz
Kommentare 16
Mir fehlt unter den 10 Thesen eine zu den gewerblichen Nutznießern der Prostitution. Ich möchte die These wagen, daß nicht die Prostituierte (in etwa so, wie wir sie heute kennen) den ältesten Beruf der Welt ausübt, sondern der Zuhälter, in seinen wechselnden Erscheinungsformen. Unter ältestem Gewerbe würde ich mir eher Spezialisierungen in Sachen Kult, Gebrauchsgegenstände, Waffen etc. vorstellen, in denen Menschen nicht mehr unmittelbar auf Nahrungssuche waren, sondern im Tausch gegen Nahrung ihre Arbeit als Höhlenmaler, Töpfer, Waffenhersteller etc. verrichteten. Dazu hat Rahab mal einen lesenswerten Blog geschrieben, sie sagt: die Griechen sind die Erfinder der Zuhälterei.
Es wäre zur Bekämpfung der Ausbeutungsverhältnisse im Rotlicht vermutlich ausreichend, wenn die bestehenden Gesetze bundesländerübergreifend angewandt werden: gegen Menschenhandel, Mietwucher, Nötigung, Gewalt aller Art, Weisungsbefugnis von Laufhäuser-Betreibern etc.etc. Dazu ist eine Polizei nötig, die von Prostituierten und Freiern nicht als der Feind begriffen werden muß.
Ein Verbot der Arbeit Prostituierter würde die gesellschaftliche Diskussion über Sex, der wirklich als gegenseitiges Geschehen verstanden wird, einmal mehr beenden helfen und vor allem Nachfrage/Angebot sexueller Dienstleistungen in die Illegalität drängen, in der Menschenrechtsverletzungen bekanntlich blühen und gedeihen.
So übel ich den Vergleich Pädosexualität-Prostitution und die Opfer-Etikettierungen von Alice Schwarzer auch finde, aber sie schaffte damit eine mögliche Klammer der Diskussionen der letzten Jahre: über asymmetrische Machtverhältnisse mit sexuellen Mitteln.
Erfreulich wäre, würde nicht immer alles nur voyeuristisch beglotzt, um dann unter *Skandal* säuberlich in Schubladen verstaut zu werden, sondern bliebe für eine ganze lange Weile auf dem Tisch. Dann könnte man sich u.a. auch mal mit den möglichen Schnittmengen unter den Inanspruchnehmern möglichst gezwungener und elender Frauen + Männer auf z.B. dem Drogenhartgeldstrich, der stets gut gefüllten Bumsbomber in arme Länder und der sexualisierten Gewalt gegen Kinder beschäftigen. Der gemeinsame Nenner liegt auf der Hand: asymmetrische Machtausübung mit sexuellen Mitteln.
Frau Schwarzer zieht leider die blödzeitungskompatible Verkürzung in jeder nur denkbaren Hinsicht vor und wenn sie sich nicht schon vorher ins Denk-Aus geschossen haben sollte, scheint mir das allerspätestens jetzt der Fall gewesen zu sein.
Seit 2002 ist Prostitution offiziell nicht mehr sittenwidrig. Zu recht, denn wir leben in einer Gesellschaft, in welcher alle Lebensbereiche sexualisiert sind. "Sex sells" heißt es. Werbung ohne Sex? Kaum denkbar. Swingerclubs flächenddeckend. Pornographie ein Megabusiness.
Warum eigentlich können Frauen und Männer, welche sexuelle Dienstleistungen anbieten wollen, nicht einen Gewerbeschein erhalten, so wie alle? Ich kann dies nicht nachvollziehen. Ob 10 oder 20 Thesen zur Prostitution, wen kümmert es. Fakt ist, Prostitution ist nicht sittenwidrig und ist deswegen wie jede andere Tätigkeit zu behandeln.
Danke für die Einsichten. Was die späteren Punkte betrifft, müsste also darüber nachgedacht werden, wie mit dem Problem umgegangen wird, dass nicht "jeder Topf einen Deckel" findet. Topf+Deckel, gegenseitiges Begehren beim Sex, ist das Ideal, warum kann es nicht erreicht werden? Weil die Menschen unterschiedlich sind, weil sie zu wenig Kompromisse machen. Es gibt von Jevgeny Samjatin den provokanten Roman "Wir" (1920), bei dem jeden Morgen jede_r Staatsbüger_in den Hormonspiegel durchgibt, und daraus wird dann der/die ideale Partner_in für den Abend ermittelt. Wundersamerweise gibt es abends dann lauter sich bestens ergänzende Paare... Ist natürlich Unsinn, aber es zeigt das Problem: Selbst wenn es mit dem Begehren nur eine rein hormonelle, technische Angelegenheit wäre, dann würde immer noch nicht genau jeder Topf einen Deckel finden.
Was also machen, wenn es viele nicht genau korrespondierende Töpfe und Deckel gibt? Onanie, Triebumleitung oder Triebunterdrückung, oder eben zu Prostituierten gehen. Habe ich etwas vergessen? Kann man/frau sich weiter darüber Gedanken machen?
Endlich mal ein Artikel, der etwas in die kulturelle Tiefe geht. z.B. mit dem Satz: "Es wirkt sich auf unsere kulturelle Vorstellung von Sexualität aus, ob wir sie als Ausdruck gegenseitigen Begehrens zwischen zwei (oder mehreren) Menschen verstehen oder als banale Dienstleistung," da schimmert durch, dass Männer (und Frauen), die sich körperliche Liebe kaufen, scheinbar in der stärkeren Position (des Zahlenden) sind, aber in Wirklichkeit ärmer: Sie haben die Hoffnung einer körperlichen Liebe auf Gegenseitigkeit (oder Mehrseitigkeit) aufgegeben, oder/ und sie haben (vielleicht der größte Teil) aufgegeben, in ihrer bestehenden Paar-(oder anderen) Beziehung ihre sexuelle Bedürfnisse zu äußern.
Und ganz wichtig finde ich, das Antje Schrupp als ERSTE Gruppe diese nennt: "So mag es Menschen mit körperlichen oder geistigen Einschränkungen geben, denen es nur schwer oder gar nicht möglich ist, auf andere Weise einen Sexualpartner oder eine Sexualpartnerin zu finden. .."
Prostituition ist m.E. immer Ausdruck der Beziehungs-Armut, der gestörten Kommunikation über sexuelle Bedürfnisse in Beziehungen. Denn natürlich weiß auch jeder Freier: Liebe kann mann nicht kaufen. Die Illusion davon lassen sich viele Millionen Männer jährlich viele Milliarden kosten. Und kehren einsam und stumm aus dem Bordell nach Hause zurück. Wenn wir über Prostitution reden, müssen wir über Liebe und ihren körperlichen Ausdruck reden, über uns und unsere Verklemmtheiten. Wir müssen über die Dinge reden, die die wunderbare mdr-Serie "MAKE LOVE" (www.make-love.de nur zwischen 22:00 und 6:00 wirklich infrmativ) behandelte: Darüber das mindestens 30% der Frauen noch nie einen Orgasmus hatten (Paulo Coelho lässt in ELF MINUTEN die Hure Maria sagen, dass ein wichtiges Motiv für Männer ins Bordell zu gehen, sei, "den Frauen (die ihn vortäuschen) einen Orgasmus zu vermitteln), über die Errektionsprobleme vieler Männer. Das ergäbe einen schrecklichen Jahresbericht der "Sexuellen Armut" in deutschen Haushalten (übrigens absolut unabhängig von der politischen oder weltanschaulichen Ausrichtung der Protagonisten!) , und auch dies ist der Nährboden für die Illusion, körperliche Hingabe und Sex kaufen zu können.
Das aber fällt viel schwerer, als auf die "Freier, diese Schweine" und die „Huren, diese Opfer“ mit dem Finger zu zeigen. (und dabei zu übersehen , dass drei unserer Finger zu uns zurück zeigen, in unser eigenes Bett, Schlafzimmer oder den Küchentisch, und unseren geheimen Wünschen, nie ausgelebt, nie ausgesprochen, weil so mit Scham verdeckt.
Ach, Anja Meulenbelt hatte doch so recht mit der Aufforderung: Die Scham ist vorbei. Leider: noch lange nicht.
So übel ich den Vergleich Pädosexualität-Prostitution und die Opfer-Etikettierungen von Alice Schwarzer auch finde, aber sie schaffte damit eine mögliche Klammer der Diskussionen der letzten Jahre: über asymmetrische Machtverhältnisse mit sexuellen Mitteln.
Ich finde auch, genau wegen dieses Aspekts, ist der Vergleich - was ja keine Gleichsetzung bedeutet - aus meiner Sicht berechtigt. Übel finde ich ihn nicht, aber er hat schon was "listiges". Das ist eben die Schwarzer, die weiß, wie man sowas dann hinbiegt und - von mir aus - "verkürzt". Aber ich finde das nicht so kritikwürdig. Sie bewegt sich in einer Medienwelt. Und immer ihr immer nur die "Bildzeitung" vorzuhalten, ach herrje. Egon Bahr hat kürzlich einen langen Beitrag in der BILD-Zeitung veröffentlicht. Da gings um die Große Koalition. Oskar Lafontaine - nicht minder. Und hat noch ein Millionenhonorar dafür eingeklagt. Und der letzte Beitrag erschien ja in "die Zeit".
...;-)... ich werfe ihr schon auch Die Zeit vor, blödzeitungskompatibel sollte das mit aussagen.
Wenn Sie die Diskussionen beider Artikel dort lesen (zu einem schlampig geschriebenen Exzerpt und später zum Artikel aus der Printausgabe), werden Sie feststellen, daß dort weniger asymmetrische Machtverhältnisse als vielmehr Verharmlosungen sexualisierter Gewalt gegen Kinder erörtert und solche Standpunkte zeitweilig noch mit Redaktionsempfehlungen geadelt wurden - was da sonst noch so alles ablief, habe ich hier zusammengefasst.
Ich vermute eigentlich, der Vergleich diente ihr zu absichtsvoller Skandalisierung und die geschnupperte Morgenluft einiger Pädo-Aktivisten war von ihr ganz gern gesehen - so schafft man ja auch Realitäten. Die besagte Diskussion ist mit AS m.M.n. nicht führbar, dazu macht sie sich viel zu sehr an den Fakten zu schaffen, haut durch die Bank alle in die Opferpfanne und verkürzt nach Kräften: für die Durchsetzung einer konservativen Agenda.
Egon Bahr und Oskar Lafontaine treten nicht vehement gegen die Pornographisierung der Gesellschaft ein - dieser Vergleich hinkt schon sehr, liebe Magda.
Neinein, AS hätte, würde sie auf Glaubwürdigkeit Wert legen, in der Blödzeitung ganz genau nichts verloren.
Aber es ist eben nicht jede eine Judith Holofernes.
Hallo,
hier ist ein Thema angesprochen, die viele verschiedene Facetten hat, und unter sehr unterschiedliche Aspekte diskutiert werden kann (Psysche, Moral, Oekonomie, Politik etc.)
Hier mochte ich nicht ausschweifen, sondern nur einige Bemerkungen machen.
Wir Menschen sind Potenziell Ganzheitliche Wesen, aber zur Zeit beschaefigen wir uns vorwiegend damit, so schnell wie moeglich, momentane Bedurfnisse zu befriedigen. Also wenn wir Kopfschmerzen haben schnell eine Tablette zunehmen, bei Stress schnell eine Flache Bier, bei Muedigkeit schnell ein Kaffee, bei Langeweile schnell den Fernsehen oder ein Joint, bei Agression villeicht Arobik, und bei Lust eben einen schnellen Sex. Und all diese Nachfragen bringen ihre Angebote hervor, und dass trotz aller moralischer Praedigt oder juristischer Restriktion.
Aber nach all dieser Taten, sind wir nicht wirklich befriedigt, und verlangen nach mehr Schokolade bis zum geht nicht mehr.
Also was tun?
Mein vorschlag: Nichts
Gruss
Ja, hat den Schwarzer jetzt in BILD über ihre Anti-Prostitutions-Initiative geschrieben? Oder beziehst Du Dich auf ihre Werbung für BILD und die damaligen Kachelmann-Berichterstattung.
Ich fand damals die Judith Holofernes auch sehr mutig.
Ja, so ungefähr sehe ich das auch. Bei Holofernes gings ja auch darum, glaube ich, direkt Werbung für BILD zu machen. Das hat Schwarzer damals mitgemacht und dann diese Kolumnen geschrieben. Seitdem ist sie unten durch bei vielen.
Stimmt schon, kann man so oder so sehen.
Ich bezog mich auf alle Auftritte Alice Schwarzers in und für die Blödzeitung.
Die Kachelmann-'Berichterstattung' ist allerdings ein sehr schönes Beispiel für die Vergleichbarkeit von Zeit und Blöd in Form der Nichtbeachtung journalistischer Minimalstandards, nämlich der unterschiedlich gelagerten Versuche der Einflußnahme auf den Prozess. Bei Blöd Frau Schwarzer, bei Zeit Sabine Rückert klick. Auaweia.
Judith Holofernes war aus meiner Sicht weniger sehr mutig als schlicht und einfach auf dem Punkt - fand ich so erfrischend wie rar.
Die Bildzeitung ist ein gefährliches politisches Instrument – nicht nur ein stark vergrößerndes Fernrohr in den Abgrund, sondern ein bösartiges Wesen, das Deutschland nicht beschreibt, sondern macht. Mit einer Agenda.
Sie schreiben:
Damit meine ich, dass sie nicht für Geld etwas getan hat ...
Nicht für Geld, lesen Sie's nach:
Aus dem Anschreiben von Jung von Matt:
Das schöne an der Kampagne ist, dass sie einem guten Zweck zu Gute kommt. BILD spendet in Namen jedes Prominenten 10.000,- Euro an einen von Ihnen zu bestimmenden Zweck.
Aus der Antwort von Judith Holofernes:
Und dann kommt ihr, liebe Agentur, und baut diesen armen gespaltenen Prominenten eine Brücke, eine wackelige, glitschige, aber hey, was soll´s, auf der anderen Seite liegt, sagen wir mal, eine Tüte Gummibärchen. Ihr sagt jenen Promis: wisst ihr was, ihr kriegt einfach kein Geld! Wir spenden einfach ein bisschen Kohle in eurem Namen, dann passt das schon, weil, wer spendet, der kann kein Ego haben, verstehste?
Werch ein Illtum.
Ich glaube nicht, daß man das im Einzelfall abwägen muss. Wer im Sinn des Wortes Vor-Urteile im Rahmen eines Prozesses verkündet, wer an genau der Werbekampagne für Blöd teilnahm, die Judith Holofernes bestens begründet ablehnte, wer sich gegen die Pornographisierung der Gesellschaft einsetzt, um das in einem Blatt mit reichlich Titten zu tun, verfolgt Interessen, denen wenigstens ich mich nicht anschließen möchte.
@Magda
Bei mir ist AS schon ein bißchen länger unten durch, nicht erst seitdem.
Bei mir ist AS schon ein bißchen länger unten durch, nicht erst seitdem.
Ich war mit ihr überhaupt nicht mehr befasst. Ich habe - vor 20 Jahren ungefähr - schon die erste Anti-Schwarzer Welle miterlebt. Damals hat Bascha Mika ein kritisches Buch geschrieben über sie.
Ich hatte eine Bekannte in Bonn, die erzählte, wie gefürchtet die Schwarzer ist. Aber: Wenn ich den Ton vernehme, in dem dann manchmal über sie geschrieben wird, von Leuten, die überhaupt nicht wissen, worum es geht, die sich da abarbeiten, weils billig ist, dann bin ich wieder auf der anderen Seite. Damit bist Du natürlich nicht gemeint.
Und manchmal finde ich ihre Fähigkeit zur Vereinfachung gar nicht so schlecht. Finster fand ich vor Jahr und Tag mal ihr Buch über Kelly und Bastian. Sie ist schon sehr schnell und sehr eindimensional in ihren Diagnosen.
Mal etwas anderes: Stimmt es, dass Sie mit Kunst zu tun haben?
Sie nicht, elisRea? Das wär aber sehr schade für Sie...;-)...
Nee, Sie meine ich nicht Tlacuache - es war mehr so eine allgemeine Beobachtung in allen Foren.
Bascha Mika hat sich dann trotz JournalistInnen-Preis eben doch von Alice Schwarzer entfernt.
Ist das jetzt gemein und ganz arg bös unsachlich wenn ich feststelle dass bei all den Prostituierungs-Threads stets zu großer Mehrheit die Frauen die Prostitution skeptisch sehen und die Männer eher nicht? Oder sagt das vielleicht sogar was aus über das Thema und die ganze Debatte?
Ist das jetzt gemein und ganz arg bös unsachlich wenn ich feststelle dass bei all den Prostituierungs-Threads stets zu großer Mehrheit die Frauen die Prostitution skeptisch sehen und die Männer eher nicht? Oder sagt das vielleicht sogar was aus über das Thema und die ganze Debatte?