Am vergangenen Sonntag ab 12 Uhr konnte man für zwei Stunden ein gesellschaftsintaktes Gefühl haben. Die Journalistin Carolin Emcke moderierte in der Schaubühne die Veranstaltung „Streitraum“. Es ging um Medien auf dem Prüfstand. Die Krise, so der Ansatz, stelle alles in Frage – nur die Medien, die die Krise vermitteln nicht. Die Frage war, ob die drängenden Diskussionen mit unseren Medien, mit den Instrumenten also, mit denen wir uns über unsere Gesellschaft verständigen, überhaupt geführt werden könne, und wo der Ort für soziales Lernen und politische Bildung liegen könnte.
Das und mehr sollte besprochen werden von Carolin Emcke und ihren vier Gästen: Micha Brumlik, Erziehungswissenschaftler, Thomas Krüger, Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung, Kuno Haberbusch, Fernsehjournalist, der sich für investigativen Journalismus einsetzt und Stefan Niggemeier, Journalist und Gründer des Bildblog.
Zusammen vermittelten die in einem Hufeisen sitzenden Diskutanten auf der Bühne ein gutes, warmes Gefühl. Sie ließen einander meistens ausreden, sie sprachen nicht in Fernseh-Sätzen und Zeitungs-Schlagzeilen, sondern konnten Gedanken ohne Medienhast entwickeln, und sie machten allesamt den Eindruck, als läge es ihnen wirklich am Herzen sich kritisch über unsere Medien auseinanderzusetzen.
Keine Konfektionsware
Es war eine solche Freude ihnen dabei zuzuhören, wie sie ernsthaft diskutierten, ja, zu sehen, dass sich dort vorne auf der Bühne eine Diskussion entfaltete, eine, die sich auch wirklich so nennen darf — es war also so ermutigend und voll von gesellschaftsintaktem Gefühl, dass ich Ihnen hier einige Impressionen aufschreiben möchte, viel mehr können es ja nichts sein, die Zeitung verlangt Kürze und Vereinfachung, weil Ihnen den Lesern, wie unterstellt wird, andernfalls langweilig wird.
Also: Kuno Haberbusch vermutete, dass der Beruf des Journalisten so schlecht angesehen sei, weil die Menschen Politiker und Journalisten als Teil der selben Inszenierung erlebten, zu welcher den Journalisten ihrerseits die kritische Distanz fehle. Die Journalisten wollten zu sehr Teil von dem sein, worüber sie berichten und demonstrierten ihre eigene Macht, indem sie sich in einem mächtigen Umfeld bewegten. Darunter leide ihre Glaubwürdigkeit. Überhaupt, so Thomas Krüger, würde die aus den Medien vermittelte Politik mit ihren Statements und Konfektionssätzen nur mehr als einzige Inszenierung wahrgenommen, so dass die Menschen das Gefühl bekämen, sie sei ihrem Leben fern und habe nichts damit zu tun. Ja, sagte Stefan Niggemeier, es fehle an Vertrauen in den Journalismus und so mancher glaube gar, dass man ihn völlig abschaffen könne. Junge Menschen, so Haberbusch, zögen ohnehin die RTL 2 News der Tagesschau vor und dieser RTL2-Quatsch bedeutet eine gewaltige Komplexitäts-Reduktion, die den Zuschauer nicht ausreichend informiere, um sich an politischen Diskursen beteiligen zu können.
Unter politisch Gebildeten
Über das Internet wurde dann debattiert, das die Öffentlichkeit fragmentiert und die alten Presse-Machthaber, die befürchten ihre Deutungshoheit zu verlieren, und über das Gute und das Schlechte daran, und die Forderung, dass die neu entstandenen Teilöffentlichkeiten von den Medien integriert werden müssten, um einen gesamtgesellschaftlichen Diskurs aufrechtzuerhalten. Es war durch und durch interessant, tausendmal ergiebiger als jede Talk-Show, die ich bisher im öffentlich-rechtlichen Fernsehen sehen musste.
So wurde die Ausgangsfrage durch die Veranstaltung selbst beantwortet. Die Frage also, ob die anstehenden Probleme in unseren Medien, den Instrumenten, mit denen wir uns über unsere Gesellschaft verständigen, überhaupt angemessen diskutiert werden können, und was der Ort für soziales Lernen und politische Bildung sein kann. Das Gelingen hat allerdings seinen Preis. Thomas Krüger sagte einen bemerkenswerten Satz: „Politische Bildung funktioniert immer dann, wenn sie für politisch Gebildete ist“.
Das warme, gesellschaftsintakte Gefühl gab es für zwei Stunden in einem Raum voller politisch Gebildeter zu denen politisch Gebildete in mitunter komplizierter Sprache herunter sprachen. Draußen, auf dem Weg nachhause war es kalt, in der U-Bahn liefen die BZ-Schlagzeilen, sieben Mal wollte einer die Obdachlosenzeitung verkaufen und die solariumbraune Frau mit der Airbrushmaniküre und den zwei Handys hätte niemals verstanden, was die Diskutanten auf der Bühne gesagt haben. Sie hätte sich wahrscheinlich gefragt, was das mit ihrem Leben zu tun hat.
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