Im öffentlichen Bett

Schlafzimmer Bushido als Anführer des Nuttendezernats, Alice Schwarzer als Pornoaufseherin und Frauenhefte als Verklemmungslöser. Was in Schlafzimmern von jungen Menschen passiert

Laura und Hendrik zum Beispiel. Kennen sich noch nicht so gut, sind aber Mitte 20. Wollen eigentlich sofort anfangen und haben auch genug getrunken. Da fährt Alice Schwarzer im getunten BMW ins Schlafzimmer. Lauras Mutter ist auch dabei. Schwarzer nimmt ihr Megafon und macht eine Durchsage: Du pornografiebeherrschtes Objekt! Lauras Mutter sagt: Was fällt dir ein, dich penetrieren zu lassen? Sex, dieser totalitäre Schweine-Staat. Laura verdreht die Augen. Hendrik: Was hast du? Laura: Nix, mach’ einfach weiter. Beide wissen, dass das hier noch was werden muss.

Die Tür öffnet sich, moderne Frauenmagazine kommen hereinspaziert, ein Flachbildschirm ist auch dabei. Darauf eine adrette Nachrichtensprecherin, die aus Feuchtgebiete vorliest. Als der Schleim und das Blut schon das Zimmer überschwemmt haben, hält die Nachrichtensprecherin inne, faltet die Hände und wendet sich an Hendrik und Laura: Ihr Lieben, falsch an eurem Sex ist bisher, dass ihr euch zu sehr schämt. Nicht so verklemmt, bitte. Ihr müsst entspannter sein! Laura, lass dir von niemandem reinreden, Nimm Dir, was du willst! (Frauenmagazine klatschen.) Laura hebt die Hand, sie hat eine Zwischenfrage. Äh, ehrlich gesagt weiß ich gar nicht so richtig, was ich will. Was mache ich denn jetzt?

Die Nachrichtensprecherin blickt mitleidig auf Laura, welche Hendrik schnell ein paar Küsse verpasst. Man kommt ja zu nichts. Plötzlich versteht man auch nichts mehr, weil Technomusik aus den Lautsprechern dröhnt. Die Nacht steht im Zimmer. Schöne Frau, schwarze Haare, schattige Schminke, Stadt und ein paar Drogen. Was ihr macht ist langweilig, ruft sie über die Techno-Musik. Werdet krasser! Männer sind brutal, Frauen werden brutaler. Fleisch ist Fleisch. (Reste weiblicher Gefühlsstränge müssen noch zersägt werden, aber am Ende wird es hinhauen mit der Gleichheit. Auf dem Weg sterben ein paar, aber das ist halt Dialektik.)

Die beiden versuchen krasser zu werden (Ich geb’ dir nen Cumshot und du denkst, du kriegstn Ziegelstein ab). Laura sieht aus den Augenwinkeln die modernen Frauenmagazine, einige applaudieren schon nicht mehr. Zwischen ihren Zeilen reiten noch Ritter auf Schimmeln. Unter uns und ganz ehrlich: Es sollte der Eine sein, für den Laura die Einzige ist. Rosen und Schwüre. Laura: Liebst du mich eigentlich? Die Nacht bekommt einen Lachanfall, Hendrik ist so irritiert, dass er sich mit den Fäusten auf die Brust zu trommeln beginnt. Aber Tarzan, sagt Laura, ich bin für dich doch mehr, als nur ein One-Night-Stand, oder? Die Nacht pfeift durch die Zähne und eine Auswahl ihrer Gestalten herbei. Alle, die Laura bis jetzt hatte, so 25 Männer, salutieren vor dem Bett. (Du musst dir ihre Nummer nicht merken, denn sie hängt in jedem Club über der Bar) Laura: Sorry! Hendrik guckt entsetzt Laura an, die sich schnell ins Laken wickelt.

Bushido eilt herbei und weist sich als Anführer des Nutten-Dezernats aus. Alice Schwarzer bloggt das sofort ins Internet. Bushido droht, Laura mit Sexspielzeug zu steinigen. Das Nutten-Dezernat ist für die Aufrechterhaltung der Ordnung zuständig. Ganz einfach: Huren sind Huren. Gute Mädchen sind gute Mädchen. (Bushido zeigt auf Laura). Gute Mädchen heben sich auf. Sie sind weiß und leise. Laura nimmt ihre Nachttischlampe und wirft sie nach Bushido. Lauras Mutter wirft ihr Ausländerfeindlichkeit vor und fällt in Ohnmacht.

Antonia Baum ist Autorin

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