Zeitumstellung

Postdemokratie Journalist aus Rio, Informant in Moskau. So funktioniert Demokratie. Und die FAZ bereitet sich auf die Zeit danach vor.

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Journalisten in Rio, Aufklärer bitten Moskau um politisches Asyl und in Deutschland sind geschlossene Psychiatrien für die Aufbewahrung von Menschen zuständig, die Korruption aufdecken. Es wird allmählich Zeit sich auf die neue Ära vorzubereiten.

Die gute Nachricht vorab: Mollath geht es soweit ganz gut, dank eines Journalisten der Süddeutschen Zeitung, der über Jahre hinweg wie ein bayrisches Zamperl nach den Wadeln der Justiz und ihren Psychiatern Spezln schnappte. Der Querulant aus Nürnberg, der trotz Schutzhaft nicht einsichtig werden wollte, ist nun wieder frei, dank des aufmerksamen Redakteurs und seinen Kollegen, dem Rechtsanwalt und letztendlich dem Nürnberger Oberlandesgericht. Die Demokratie wurde kurz bevor der Vorhang fiel nochmal gerettet.

Es bleibt ein fader Beigeschmack und die Tatsache, dass nicht jeder von uns einen Rechtsanwalt und eine geschlossene Presse hinter sich hat, wenn mal der Schuh klemmt.

Die Ereignisse auf dem Londoner Flughafen haben Journalisten aus der ganzen Welt aufgeschreckt und schlugen wie Blitze des Bösen in die Redaktionen ein. Eigentlich recht spät, denn Greenwald lebt schließlich seit längerem in Rio de Jeneiro, um den amerikanischen Gesetzteshütern aus dem Weg zu gehen. Nun könnten wir debattieren, ob die Gesetzteshüter im Unrecht sind, und im Grunde die Bösen decken, aber das Wetter ist aktuell zu schön, um mit Bagatellen den Tag zu vertrödeln.

Viel interessanter ist die Reaktion der FAZ, die nun den Guardian in seine einzelnen Bestandteile zu zerlegen versucht, und nicht geizig mit Häme und vermutlich auch Neid um sich wirft. Diese Demontage geschieht auf niedrigem Niveau, aber dennoch ist es ein dreistes Stück (Zwangsarbeit?).

Die Dinge sind nicht mehr so, wie sie einst waren, als unser Staat und unsere Verbündeten noch die Guten waren. Mittlerweile kommen Zweifel, ob die Bösen wirklich auch die Bösen sind, oder ob sie eventuell nie die Bösen waren. Aber lassen wir die Vergangenheit und widmen uns der Gegenwart.

Hier, ganz im Jetzt, beobachte ich, dass scheinbar seriöse Journalisten in Brasilien leben müssen, da ihre aufklärerische Arbeit in den USA nicht möglich ist, während der Initiator einer weltbewegenden Affäre in Moskau Schutz vor den Amerikanern sucht. Die Engländer eilen in alter Manier der Weltmacht zur Seite, wenn es darum geht, rasch mal ein Land zu anektieren oder auch unbequeme Journalisten dingfest zu machen und spätestens jetzt stelle ich fest, dass ich die Karten mit den vielen Guten und Bösen neu mischen muss.

Ist eigentlich viel zu anstrengend, denn unsereiner muss auch noch einen Beruf ausüben und am Wochenende grillen. Aber es bleibt einem im Leben 2.0 halt nicht erspart. Da ich keinen Dackel habe, der der Sache auf den Grund geht, muss ich mich auf ein gesundes und funktionierendes Pressewesen verlassen. Durch die freie Meinungsäußerung werde ich im Social Media mit weiteren Hintergrundinformationen gefüttert, die zum Teil sogar sehr nützlich und nahrhaft sind.

Nun erlebe ich, wie dieses wertvolle Gut der freien Meinungsäußerung torpediert wird, und wie unsere Verbündeten plötzlich nicht mehr im hellen Licht strahlen. Hier stellt sich nun die Frage, ob dies schon immer so war, oder ob die Systeme nur Schlagseite bekommen haben? Es wird sich wohl sehr schnell herausstellen, ob die Demokratie lediglich beschädigt ist, oder bereits in der Leichenhalle liegt.

Es bleibt spannend.

Nur nicht in Frankfurt. Bei der Allgemeinen Zeitung für Deutschland. Dort steht bereits fest, dass Deutschland und seine Verbündeten schon immer die Guten waren, und alles über diesen Tellerrand hinaus ist suspekt. So auch der Guardian, der aktuell zwar Informationen zur Verfügung stellt, die von weltumspannender Bedeutung sind, aber das schert die Herren aus dem Taunus wenig.

So ist die überregionale Zeitung auch für die postdemokratische Ära gut positioniert.

Ich möchte meinen Hunden danken, die während ich schrieb nur zufrieden schmatzen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Antonymus

Life is what happens to you while you are busy making other plans - John Lennon

Antonymus

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden