Offener Brief an Geschäftsführer der JC in HB

Jobcenter/ALG II Die Bremer Jobcenter haben ihre Öffnungszeiten verkürzt. Statt, wie bisher an vier Tagen geöffnet zu haben, bleiben die Türen nun auch am Freitag ebenfalls geschlossen.

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Die Bremer Jobcenter haben ihre Öffnungszeiten verkürzt. Statt, wie bisher an vier Tagen geöffnet zu haben, bleiben die Türen nun auch am Freitag (bisher nur Mittwochs) ebenfalls geschlossen. In Anbetracht der langen Wartezeiten und des großen Andrangs an jedem geöffneten Tag ist diese Entscheidung fatal.

Mich hat es dazu gebracht, dem Geschäftsführer der Bremer Jobcenter einen offenen Brief zu schreiben, welchen ihr im Folgenden lesen könnt:

"Sehr geehrter Herr Westkamp,

mit Erstaunen habe ich festgestellt, dass sich seit dem 05.01.2015 die Öffnungszeiten der Bremer Jobcenter geändert haben. Statt, wie ich es eigentlich erwartet hätte, länger die Türen für kurzfristige und terminlose Beratungen zu öffnen, bleiben diese nun jedoch, zusätzlich zum Mittwoch, auch Freitags (bisher von 08:00 bis 11:30) komplett geschlossen. Aufgrund meiner eigenen Erfahrungen mit dem Jobcenter Bremen Süd kann ich diese Entscheidung weder verstehen, noch gut heißen. Als „Kunde“ Ihrer Institution sehe ich in diesen knappen Öffnungszeiten viel mehr ein großes Problem. Warum ich diese Entscheidung so kritisch sehe, möchte ich Ihnen im Folgenden erklären.

Ich bin mir sehr sicher, dass Sie als Geschäftsführer der Bremer Jobcenter durchaus einen Überblick darüber haben, wie viele Menschen am Tag die offenen Sprechstunden nutzen. Gleichzeitig werden Sie auch wissen, wie viele BeraterInnen pro Tag ihre Arbeit dort verrichten. Sicher bin ich mir jedoch dabei nicht, ob Sie diese Zahlen richtig bewerten und einschätzen; denn zumindest im Jobcenter Bremen Süd, für welches ich sprechen kann, sah die Realität im Jahr 2014 alles andere als zufriedenstellend und gut durchdacht aus. Während sich bereits um 07:30 eine Schlange vor dem Eingang bildete, war der Warteraum um kurz nach Acht meist schon sehr gefüllt. Dies blieb meist bis gegen 10 Uhr der Fall, was jedoch nicht bedeutet, dass dadurch eine kürzere Wartezeit entstand. Hinzu kam, dass besonders in der ersten Stunde oft nur wenige Personen beraten wurden und erst im Laufe der Zeit mehr und mehr BeraterInnen auftauchten.

Diese Zustände haben sich in diesem Jahr nicht geändert. Bei meinem gestrigen Besuch in der Zweigstelle Bremen Süd bekam ich um 08:10 die Wartenummer 141. Zuletzt aufgerufen wurde die 92. Kein Wunder, in Anbetracht der Tatsache, dass nun lediglich drei Tage zur Verfügung stehen, um terminlos und kurzfristig Rat, Hilfe und Beratung zu erhalten. Die Verkürzung der Öffnungszeiten wird die eben beschriebenen Umstände im Jobcenter Bremen Süd mit zunehmender Dauer sogar noch verschärfen. Daher frage ich mich, weshalb die Öffnungszeiten der Bremer Jobcenter verkürzt wurden? Welchen Sinn verfolgt Ihre Institution mit diesem Schritt?

Ihnen wird bewusst sein, dass die öffentliche Meinung über die Jobcenter deutschlandweit alles andere als positiv ist. Nicht nur all jene, die bereits einmal selbst mit einem Jobcenter in Kontakt gekommen sind, können von negativen Erfahrungen berichten. Nach 10 Jahren ALG II hat es sich inzwischen in der gesamten Republik und in nahezu allen Bereichen unserer Gesellschaft herumgesprochen, dass innerhalb der Jobcenter immer wieder sehr zweifelhafte Entscheidungen gefällt werden, welche nicht selten, spätestens vor Gericht, zu Gunsten des „Kunden“ entschieden werden. Unter Berücksichtigung dieser und weiterer Kritikpunkte, welche im Rahmen der „Hartz4-Diskussionen“ angeführt werden, sollte eines der zentralen Handlungsfelder eigentlich sein, die eigene Institution besser aufzustellen und eine höhere Zufriedenheit im Kreis der „Kunden“ zu erreichen. Eine Verkürzung der Öffnungszeiten bei oben beschriebenen Zuständen ist jedoch sicherlich keine Maßnahme, die auf viel Zustimmung treffen wird.

Abschließend möchte ich nun noch auf einen Aspekt eingehen, welcher bei Ihrer Tätigkeit nicht vergessen werden darf; die Verantwortung. Führungskräfte haben immer eine besondere Verantwortung, welcher sie in ihrer täglichen Arbeit gerecht werden müssen. In Ihrem Fall ist diese Verantwortung gleich in doppelter Hinsicht vorhanden. Einerseits sind Sie für Ihre Mitarbeiter verantwortlich, welche ebenfalls unter verkürzten Öffnungszeiten sowie möglichen negativen Reaktionen der „Kunden“ leiden. Andererseits sind jedoch auch viele tausend Menschen in Bremen von Ihrer Institution abhängig, was Sie auch gegenüber diesen Personen in eine gewisse verantwortungsvolle Position versetzt. Die Entscheidung für verkürzte Öffnungszeiten wird beiden Verantwortungsbereichen nicht gerecht. Während es für Ihre „Kunden“ nun noch schwerer und zeitintensiver wird, kurzfristig und terminlos Beratung und Hilfe zu erhalten, sind auch Ihre MitarbeiterInnen von dieser Maßnahme betroffen. Selbst wenn nun an den drei offenen Tagen mehr BeraterInnen eingesetzt werden, sinkt der tägliche Aufwand nicht. Die Zahl der „Kunden“ nimmt nicht ab, nur weil die Öffnungszeiten verkürzt werden; und selbst wenn sie es tun, ist dies kein positiver Effekt dieser Maßnahme.

Effektiver wäre hierbei die Optimierung der Arbeitsweisen innerhalb Ihrer Institution. Dazu würde es gehören, die Personalzahl zu erhöhen, Anliegen schneller zu bearbeiten und statt nur auf Paragraphen, auch mal auf den individuellen Fall zu schauen. Auch längere Öffnungszeiten können dazu gehören; nicht aber eine Verkürzung. So könnten nicht nur Sorgen, Probleme und Hürden im Leben der „Kunden“ abgebaut, sondern auch die Zufriedenheit Ihrer „Kunden“ sowie der Mitarbeiter gesteigert werden. Über diesen Weg würde auch das gesamtgesellschaftliche Bild der Jobcenter verändert, verbessert werden können.

Ich weiß, dass Sie allein solche Maßnahmen nicht beschließen bzw. einleiten können und vermutlich auch die Verkürzung der Öffnungszeiten nicht allein aus Ihrer Feder stammt. Jedoch sind Sie, wie eingangs bereits dargelegt, die ranghöchste Person und somit auch zentraler Ansprechpartner bei Fragen und Kritik. Daher fordere ich Sie dazu auf, meine Kritik ernst zu nehmen und die hier kritisierte Entscheidung bezüglich der Öffnungszeiten nochmals intensiv zu überdenken. Im Hinblick auf Ihre Position sowie der damit verbundenen Verantwortung sollte auch die kritische Selbstreflexion zentraler Bestandteil des Entscheidungsfindungsprozesses sein. Über ein Antwortschreiben, in welchem Sie die Fragen nach dem Grund für die verkürzten Öffnungszeiten plausibel und nachvollziehbar beantworten, wäre ich sehr erfreut.

Aufgrund des allgemeinen Interesses an der öffentlichen Diskussion habe ich diesen Brief als offenen Brief gestaltet und auf meinem Blog veröffentlicht. Da auch Ihre Antwort für weitere Menschen interessant sein dürfte, möchte ich darauf hinweisen, dass ich auch dieses Schreiben dort einstellen würde. Ich hoffe, dies hindert sie jedoch nicht, auf meine Kritikpunkte und Fragen zu antworten.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit und

mit freundlichen Grüßen."

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