Game of Thrones, die erfolgreichste Serie in der Geschichte des Kabelsenders HBO, erreichte mit der Ausstrahlung der letzten Folgen im Mai 2019 durchschnittlich 44,2 Millionen Zuschauer, sie wurde mit insgesamt 38 Emmys ausgezeichnet und löste einen Hype aus, der Publikum wie Kritik gleichermaßen mitriss. Selbst hierzulande wurde der Montagabend zu einem festen Ritual. Plötzlich war das Verfolgen einer Serie wieder ein Event, das in den Folgetagen für reichlich Gesprächsstoff sorgte.
Doch dann kam das Finale, und mit ihm die große Enttäuschung. Binnen kürzester Zeit schien die Serie in Vergessenheit zu geraten. Wenn nun mit House of the Dragon ein Spin-off in die Vorgeschichte der Saga eintaucht, sieht es sich zwei enormen Herausforderungen gegenüber. Es gilt nicht nur beim Vergleich mit einer anderen lang erwarteten Fantasy-Produktion zu bestehen, Ringe der Macht, die ab nächster Woche bei Amazon Prime Video zu sehen ist. Sondern außerdem die Fehler der Vergangenheit gutzumachen.
Die ersten sechs der insgesamt zehn Folgen von House of the Dragon geben dem enttäuschten Publikum von damals Grund zur Hoffnung. Inhaltlich setzen sie nämlich genau an einem Punkt an, der Game of Thrones am Ende besonders viel Kritik einbrachte: dem brüsken Umgang mit einer der wichtigsten weiblichen Hauptfiguren und noch dazu der größten Hoffnungsträgerin für gesellschaftlichen Wandel.
Über viele Staffeln hinweg verfolgten die Zuschauer seinerzeit die kleinen Schritte bei Daenerys Targaryens (Emilia Clarke) großer Mission, das sich ständig weiterdrehende Rad wechselnder Herrscher, die es nur auf ihre eigene Macht abgesehen haben, zu brechen. Nur um dann in den finalen, hektisch erzählten Folgen mit anzusehen, wie sie plötzlich in kürzester Zeit enorme Strecken zurücklegte. Schwerer noch als die geografischen Sprünge wogen dabei die psychologischen. Die Anfälligkeit für Größenwahn und wütende Entschlossenheit zeichnete sich zwar schon zuvor stellenweise ab. Dass Daenerys aber letztlich ganz dem Wahn verfällt und wie im Rausch massenhaft Unschuldige tötet, entbehrte des erzählerischen Fundaments. Nicht umsonst sah selbst Slavoj Žižek in ihrem Ende einen „Ausdruck einer patriarchischen Ideologie, die starke politische Frauen fürchtet“ und kommentierte im Independent: „Die radikale Königin, die Freiheit für alle wollte, unabhängig von sozialem Status und Hautfarbe, wurde eliminiert, der Normalzustand wiederhergestellt.“
Wird Macht weiblich?
House of the Dragon setzt 172 Jahre vor der Geburt von Daenerys Targaryen ein und rückt mit Prinzessin Rhaenyra Targaryen (Milly Alcock/Emma D’Arcy) eine Protagonistin in den Fokus, die wie ihre Nachfahrin die bestehende Ordnung herausfordert. Nicht als selbsternannte Befreierin der Unterdrückten zwar, doch immerhin als Frau, die Aspirationen auf den Eisernen Thron hegt und damit die erste weibliche Herrscherin über das Reich wäre.
Darauf, dass die Rolle der Frau im androkratischen Westeros einen thematischen Fokus des Spin-offs darstellt, deutet bereits die erste Szene der Serie, eine Rückblende, hin: Beim „Großen Rat von Harrenhal“ lässt König Jaehaerys (Michael Carter) einige Jahrzehnte zuvor über seine Nachfolge abstimmen. Zur Wahl stehen sein Enkel Viserys Targaryen (Paddy Considine) sowie dessen Cousine Rhaenys Targaryen (Eve Best), der alle Qualitäten einer guten Königin nachgesagt werden. Sie unterliegt aufgrund ihres Geschlechts bei der Abstimmung und trägt seitdem den Beinamen „Königin der Herzen“.
Im englischen Original lautet dieser „The Queen Who Never Was“, was der Sache wesentlich näher kommt. Schließlich gehört in der Gegenwart zu König Viserys’ größten Sorgen, dass sowohl die Lords als auch das Volk gegen die Regentschaft seiner Tochter Rhaenyra aufbegehren könnten, weil sie eine Frau auf dem Thron nicht zu akzeptieren bereit sind. Dass er sie dennoch zu seiner Erbin ernennt, ist eine Verzweiflungstat, aus der Not geboren, keine männlichen Nachkommen zu haben – und ein taktischer Zug zugleich, der dem Ziel dient, seinen ungezügelten Bruder Daemon (Matt Smith) als König zu verhindern.
Mit Alicent Hohenturm (Emily Carey/Olivia Cooke) wird Rhaenyra ein gleichaltriger weiblicher Konterpart gegenübergestellt, der anders mit den patriarchalen Strukturen umgeht. Von Kindesbeinen an am Hof von Königsmund, hat sie die Spielregeln des Systems kennengelernt, beugt sich ihnen zunächst, lernt aber im Stillen, sie für sich zu nutzen, zu umgehen – ähnlich wie die Figur der Sansa Stark (Sophie Turner) in der Originalserie.
Repetitiv wirkt die Nachfolgerserie dennoch nicht: Mit einer erprobten Melange aus wortgewandten Dialogen, einem ausgeglichenen Figuren-Ensemble, in dem mit nuancierteren Kategorien als „gut“ und „böse“ gearbeitet wird, und den altbekannten Schauwerten (Sex, Gewalt und Drachen) greift das Spin-off die Stärken des Vorgängers auf. Indem der Fokus jetzt nahezu ausschließlich auf dem Haus Targaryen liegt und statt rund eine Dekade eine Zeitspanne von 30 Jahren erzählt wird, ist das Erzählgerüst aber ein gänzlich anderes. Die Frage, wer nach dem heranziehenden Erbfolgekrieg auf dem Eisernen Thron sitzen wird, verbindet House of the Dragon mit einem noch stärkeren Interesse an besagten weiblichen Perspektiven.
Wer bei der Originalserie aufmerksam war, weiß aber schon, dass auch diese Frauen nicht den großen Wandel herbeiführen werden. Vielleicht ist das Game-of-Thrones-Universum für eine solche Geste einfach zu sehr in der Realität verhaftete Fantasy – denn in der wächst der weibliche Anteil an der Macht bekanntlich auch eher gemächlich.
Info
House of the Dragon Ryan J. Condal, George R. R. Martin USA 2022, Sky
Was ist Ihre Meinung?
Kommentare einblendenDiskutieren Sie mit.