ACAB – in der Neuinterpretation der taz

taz Die taz-Redakteurin Hengameh Yaghoobifarah hat sich jüngst im Fach Satire versucht und ist damit grandios gescheitert.

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Ihr Text beginnt bereits so, als führe man mit einem ungefederten Fahrrad über eine napoleonische Herrstraße aus unbehauenen Feldsteinen: „Falls die Polizei abgeschafft wird, der Kapitalismus aber nicht: Was passiert dann mit all den Menschen, die heute bei der Polizei sind?

Nach Durchquerung der Holperstrecke steht am Ende dann die Antwort: „Spontan fällt mir nur eine geeignete Option ein: die Mülldeponie. Nicht als Müllmenschen mit Schlüsseln zu Häusern, sondern auf der Halde, wo sie wirklich nur von Abfall umgeben sind. Unter ihresgleichen fühlen sie sich bestimmt auch selber am wohlsten“.

Als erste Schreibübung wäre das Produkt sicherlich geeignet, der Produzentin klar zu machen, dass Satire so nicht geht. Schon die Idee die Abschaffung der Polizei mit der Nichtabschaffung des Kapitalismus zu kombinieren ist völlig an den Haaren herbeigezogen. Allerdings nicht für die Autorin, die hier einen inneren Zusammenhang zu vermuten scheint, den sie im Text dann nicht zur Aufführung bringt und glaubt dies einleitend erklären zu müssen. Somit beantwortet sich die rhetorische Eingangsfrage fast von selbst, die Polizei würde als privatwirtschaftlicher Sicherheitsdienst weiterexistieren, sollte die Polizei hier und jetzt abgeschafft werden.

Hengameh Yaghoobifarah geht es um etwas anderes. Dem Traum „von einer Zukunft ganz ohne Polizei. Darüber, wie so etwas aussehen und ob das funktionieren könnte“. Eigentlich möchte sie mit ihrer resümierenden Perspektive der Entsorgung auf dem Müllhaufen der Gegenwart zum Ausdruck bringen, dass alles bleiben soll, wie es ist. Dabei übernimmt sie die Stereotypen derjenigen, die die Polizei abschaffen wollen und dekliniert es anhand der diversen Berufsbilder durch, dass für die Polizei nirgends anders Platz wäre, so man nicht nur das Problem verschieben möchte.

Wenn man so möchte, ist der Text eine Camouflage eines Plädoyers für die Institution Polizei, indem ein stiller Dialog mit denjenigen geführt wird, die von deren Abschaffung träumen.

Natürlich wollen weder Hengameh Yaghoobifarah noch die taz, dass die Polizei abgeschafft wird und daher ist die Fantasie und die Gleichsetzung mit Müll erkennbar weder als Positionierung zu verstehen, noch wird sie so tatsächlich im Artikel vorgenommen.

Die Deutsche Polizeigewerkschaft hat wegen des Artikels lt. einem Bericht der FAZ Strafanzeige gegen die „taz“ erstattet, weil es sich nach ihrer Interpretation um Volksverhetzung handeln würde. Zugleich wurde beim Deutschen Presserat Beschwerde eingereicht. Kritisiert wird laut FAZ: „für Polizisten sei der Text ein ‚Schlag ins Gesicht‘. ‚Andere Menschen zu entpersönlichen, ihnen Würde und Menschen abzusprechen und sie wie Unrat auf einer Müllhalde entsorgen zu wollen - wie hasserfüllt, degeneriert und voller Gewaltbereitschaft muss man eigentlich sein, um solche widerlichen Gedanken aufzuschreiben?‘, erklärte der DPolG-Vorsitzende Rainer Wendt. Die Berufsvertretung werde solche Denkweisen mit „allen zur Verfügung stehenden Mitteln bekämpfen" (FAZ, 16.06.2020).

Eben nicht! Wäre der DPolG-Vorsitzende Rainer Wendt auch ohne Schaum vorm Mund vorstellbar, so hätte er gemerkt, dass ihm da unerwartet Hilfe zuteil wurde. Blöd genug war der Text ja, dass auch ihm hätte auffallen können, dass die Autorin eine Position durchspielt, die augenscheinlich nicht die ihre ist. Sie will die Polizei nicht abschaffen und wenn doch, dann kann man sie nur zum Müllsortieren gebrauchen. Aber selbst wenn es ihre Haltung abbilden sollte, so wäre deren Voraussetzung ja, dass ein Land die Auflösung der Polizei und aller Sicherheitsorgane im Inneren beschlossen hätte. Erst dann stellt sich ja die Frage nach dem Wohin?

"Müllhalde" ist unter diesen Umständen nur synonym für den Verlust jeglichen Gebrauchswertes von Polizist:innen, unterstellt also zugleich das Verschwinden der Kriminalität und mithin einen paradiesischen Zustand, der gleichzeitig aber keinerlei Rückwirkung auf die Polizei bzw. Polizist:innen haben soll. Deswegen ist das Problem nicht die Idee, dass die Institution der Polizei auf dem Müllhaufen am Rande der gesellschaftlichen Entwicklungen landen könnte, sondern die schlechte Konstruktion des Artikels. Die Absicht dringt nicht kraftvoll nach außen, weswegen schlichte Gemüter sich am selbst imaginierten Bild zum Ende des Artikels abarbeiten. Dabei bedienen sie sich der gleichen Methode wie es schlichte Gemüter aller Farben tun. Diejenigen die gerne empört sind, werden hierfür immer einen Anlass finden und der Artikel „All cops are berufsunfähig“ macht es ihnen besonders leicht.

So bleibt es bei einem gründlich misslungenen Artikel, der ggf. bei denen Zustimmung erlangt, die der Vorstellung der Abschaffung der Polizei statt Horror etwas Positives abverlangen können. Kaum anzunehmen, dass das die Autorin zufrieden macht.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.

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