Mit einer Presseinformation vom 14. Juni fährt die Bundesagentur für Arbeit (BA) schwerstes Geschütz gegen eine Sachbearbeiterin des Jobcenters Altona, der Gemeinsamen Einrichtung von Stadt Hamburg und eben dieser Bundesagentur auf. Bereits die Überschrift macht die Maßlosigkeit der Erklärung deutlich: Inge Hannemann gefährdet tausende Mitarbeiter der Jobcenter.
Angeblich sieht sich die BA aufgrund „der anhaltenden öffentlichen Attacken“ von Hannemann „gezwungen Stellung zu nehmen“.
Was war geschehen? Zuletzt am 12. Juni, also zwei Tage vor dieser bemerkenswerten Erklärung der BA, gab es einen fast 20 minütigen Beitrag in stern-TV, in derem Mittelpunkt Inge Hannemann stand und in dem an Hartz IV und der Praxis der Job- Center kaum ein gutes Haar gelassen wurde. Das Besondere. Inge Hannemann war die Einzige, die sich mit dieser Kritik traute auch Gesicht zu zeigen. Bekannt geworden ist sie als „Hartz-IV-Rebellin“, einem Etikett, dass ihr Hamburger Medien anhefteten, weil sie sich als Mitarbeiterin des Job Centers in Hamburg-Altona weigerte, ihre jugendliche Klientel mit Sanktionen auf den rechten Pfad der Tugend zu zwingen. Außerdem unterhält sie einen Blog in dem sie seit 2012 auf Missstände rund um Hartz IV hinweist.
Dem Arbeitgeber blieb auch aufgrund der mittlerweile erreichten Prominenz ihrer Mitarbeiterin, diese Aktivitäten nicht verborgen und sie lösten bei ihm keine rechte Freude aus. Am 22.04. d.J. wurde Hannemann von ihrer Tätigkeit freigestellt und bekam Hausverbot im Altonaer Job Center. Hiergegen beantragte sie eine einstweilige Verfügung auf Weiterbeschäftigung beim Arbeitsgericht, über die am Dienstag, den 30. Juli 2013 um 12:00 Uhr, Saal 112 entschieden werden wird.
Inge Hannemann ist also eine dieser Personen aus der seltenen Spezies, die aus ihrem Herzen keine Mördergrube machen und ihre Überzeugungen auch dann leben und zum Ausdruck bringen, wenn sie es ganz allein und auch gegen viel Widerstand tun müssen.
Es lässt sich leicht vorstellen, dass eine solche Kollegin nervt aber auch, dass viele froh sind, dass sich da endlich einmal eine traut zu sagen, was viele sich kaum zu denken trauen.
Anzunehmen, dass die BA hierin die größere Gefahr sieht auch wenn sie das Gegenteil behauptet:. „Allein schon zum Schutz der vielen tausend Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die durch die Äußerungen von Frau Hannemann beleidigt, herabgewürdigt und in Gefahr gebracht werden“ äußert sich die Agentur. Denn: „Frau Hannemann missbraucht ihre angeblichen Insider-Ansichten, um sich in der Öffentlichkeit als einsame Kämpferin für Entrechtete darzustellen und behauptet dabei auch noch, für die Mehrheit der Jobcenter-Mitarbeiter zu sprechen“. Das tut sie sicherlich nicht. Hierfür sind ihre Positionen zu kompromisslos. Aber sie gibt der Kritik gegen einen als übermächtig empfundenem Apparat ein Gesicht und nimmt dabei tapfer in Kauf ihre bisherige Existenzgrundlage zu verlieren.
Damit vermag Inge Hannemann eine andere Nachdenklichkleit über Hartz IV zu erzeugen, als es die vielen Arbeitsloseninitiativen und Wissenschaftler mit ihren ausgezeichneten Argumenten in letzter Zeit vermochten.
Es macht die BA und ihre Führung offenbar fassungslos, dass da eine kleine, unscheinbare Frau ohne jede Organisation im Rücken, ihnen den Kampf erklärt hat. Dabei hatte Hannemann durchaus versucht den Dienstweg einzuhalten, allerdings hat niemand, den sie in der Führung anschrieb jemals auf sie reagiert. Das hat sich nun grundlegend geändert. Hannemann wird ernst genommen und da das System vielleicht nicht in allen Punkten so ist, wie sie sich das vorstellt, in einem Punkt ist es das unbedingt: es duldet keine Infragestellung und es ist einigermaßen rücksichtslos in der Zurückweisung derselben. Die BA erklärt also: „Frau Hannemann ist keine „Whistleblowerin“, die Missstände aufdeckt, denn die behaupteten Missstände gibt es nicht – sie kann daher auch keine „Hartz IV-Rebellin“ sein“. Ferner: „Wer in einem Jobcenter arbeitet, hat sich an Recht und Gesetz zu halten. Es kann nicht sein, dass eine Mitarbeiterin nach Gutdünken handelt und persönliche, politische Vorlieben auslebt“. Und kommt daher zum Schluss: „Frau Hannemann hat sich den falschen Beruf ausgesucht. Sie sollte nicht ihre Kolleginnen und Kollegen darunter leiden lassen“.
Starker Tobak. Inge Hannemannhält sich ja an das SGB II, nur macht sie deutlich, dass sie erhebliche Kritik hat. Allerdings geht sie anders mit Sanktionen um, als ihre Kolleg(inn)en. Es ist jedoch zu vermuten, dass das im Bereich U 25, also dort, wo man es mit jugendlichen ALG-II-Bezieher(inn)en zu tun hat, weit häufiger vorgekommen ist und Hannemann nicht die einzige war, die den Menschen in den Mittelpunkt des Verwaltungshandelns gestellt hat.
Natürlich ist sie eine Whistleblowerin und sie hat sich nicht den falschen Beruf ausgewählt. Im Gegenteil. Das sie nach Auffassung der BA kein Hartz-IV-Rebellin sein kann, ist schon spaßig, entspricht aber dem Habitus von Herrschern, die regelmäßig Rebellen absprechen welche zu sein und sie stattdessen als Kriminelle, Marodierende usw. besprechen. Dahinter steckt offenbar die lustige Vorstellung, dass sich Rebellion gefälligst um Prüfsiegel oder Zertifizierung bei denen zu bemühen habe, gegen die sich die Rebellion richtet.
Zu vermuten ist, dass man die Hartz IV-Rebellin jetzt mit aller Kraft aus dem System ausscheiden möchte und dabei auch vor Unverhältnismäßigkeiten nicht zurück schreckt. Es geht auch längst nicht mehr nur um die mutige Sachbearbeiterin aus Altona, sondern um ein klares Zeichen an die Mitarbeiter(innen), sich ja nicht zu trauen auf Hannemanns Spuren zu wandeln. Die Fürsorge für die Kolleg(inn)en spielt dabei die geringste Rolle, denn sonst hätte man sich mit Frau Hannemann, dem Personalrat und vielleicht einer Mediatorin hingesetzt und ausgelotet was noch geht.
Egal was man von ihren Ideen und Ansichten im Detail halten mag. Sie hat Mut bewiesen und darüber eine überfällige Debatte erneut in Gang gebracht. Hierfür gebührt ihr Respekt und Anerkennung.
Die Zivilgesellschaft sollte deutlich machen, dass sie es nicht mag, wenn staatliche Einrichtungen auf eine couragierte Mitarbeiterin mit der Keule losgehen. Egal ob man ihre Position teilt oder nicht, aushalten muss eine Behörde mit über 100.000 Mitarbeiter(innen) eine Inge Hannemann schon.
Online-Petition :
Kommentare 18
Sehr geehrte Damen und Herren,
in Deutschland verlieren Menschen Ihre Wohnungen und sterben auch ohne Flut! Die Menschenrechte von den Armen in Deutschland werden mit Füßen getreten. Die Leute werden auf die Straße geworfen und werden einfach sterben gelassen.
Die Rentnerin Rosemarie Fliess nach einer Zwangsräumung wurde aus Ihrer Wohnung direkt in den Tod geworfen und ist gestorben. Und sie war und ist kein Einzelfall.
Dabei darf kein Mensch in Deutschland auf die Strasse geworfen werden, auch wenn jemand seine Miete nicht mehr bezahlen kann. Das besagt der Artikel 13 (Die Wohnung ist unverletzlich…) in Verbindung mit Artikel 1 (Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt…) im Grundgesetz!
Es gibt keinen Höchstpreis für Mieten in Deutschland und dies nutzen viele Vermieter für ihre gewinnmaximierenden Zwecke gnadenlos aus; auch wenn dadurch jemand sein Leben verliert. Und die Jobcenter helfen dabei, die Menschen auf die Straße zu werfen, indem sie die Kosten-Senkungs-Aufforderungen für die Unterkunft an die Mieter versenden, die komplette Miete nicht übernehmen, die Zwangsräumungen zulassen und das Menschenleben anhand von WAV Werten messen.
Was machen die Armen, Rentner, Arbeitslosen, Geringverdiener, wenn die Mieten steigen und/oder wenn die Jobcenter die Gesamtmiete nicht übernehmen? Sie sparen am Essen und Ihrer Gesundheit, sammeln Flaschen auf der Straße, sie betteln... Sie führen kein normales Leben mehr; es geht ums Überleben! Sie können gerne die Sozialstationen befragen. Sie werden Ihnen von Tausenden Menschen pro Jahr berichten, die regelmäßig zu Ihnen in Trennen kommen, weil sie Ihre Miete nicht mehr leisten können oder durch die unkompetente und menschenfeindliche Haltung von Jobcenter zur Verzweiflung getrieben werden.
Nun stellt sich die Frage, was ist ein Menschenleben noch wert? Das was die MWV- Werte besagen. Also, wenn die Wohnung teuerer ist als WAV Wert (ca. 405 €/Person), dann ist auch für Jobcenter das Leben eines Menschen zu teuer und die Miete wird nicht / nicht vollständig durch das jeweilige Jobcenter übernommen!
Die Jobcenter nehmen Ihre Pflichten falsch wahr. Sie müssen die Vorschriften der Bundesregierung, die auf dem Grundgesetz basieren, im Auftrag der Bundesregierung befolgen. Stattdessen findet oft eine Schikane von Arbeitslosen, die oft diskriminierend behandelt und unterdrückt werden. Jobcenter verwenden / verschwenden Steuergelder um Gerichtsverfahren gegen Hilfebedürftige zu führen. Dabei gewinnen die Jobcenter weniger als 50% der Gerichtsverfahren. Darauf wurde bereits die Bundesjustiz mit einem klagenreduzierenden Projekt aufmerksam.
Da die Nachfrage nach Wohnungen in Berlin größer ist als das Angebot, will der Senat (lt. Herrn Gothe, Staatssekretär für Städteentwicklung und Umwelt sowie entsprechend den aktuellen Wahlprogrammen einiger Großparteien) sich fast ausschließlich nur um Neubau kümmern. Schließlich werden die Wohnungen meist von den Reichen gekauft und durch Weitervermietung zum Profit gemacht. Die Armen werden durch Jobcenter gedrängt, aus der Stadt wegzuziehen, damit auch Ihre Wohnungen an die Reichen verkauft oder vermietet werden; während die Regulierungsbehörde (Senat) schläft oder wegguckt. Etwas stimmt nicht mit der Sozialen Marktwirtschaft. Ist das nur eine Bezeichnung ohne Bedeutung geworden?
Viele Menschen sind sich einig, es findet eine soziale Verdrängung statt. Die Armen (Arbeitslosen, Rentner, Wenigverdiener, alleinstehende Frauen) müssen Ihre Wohnungen verlassen und in die andere Stadteile (Dörfer am Rande der Stadt) wegziehen oder zu Obdachlosen werden. Die Klassenteilung der Gesellschaft hat sich längst etabliert und die Schere zwischen Reich und Arm wird immer größer. Deutschland ist aber ein Land der sozialen Marktwirtschaft, dass heißt, dass die Existenz (= das Überleben) der Hilfebedürftigen mitfinanziert werden muss.
Die Reichen (einige Topmanager) dürfen sogar die Steuern hinterziehen und nicht vorbestraft davon kommen, indem Sie eine hohe Geldstrafe zahlen; die Armen dagegen - bei dem selben oder einem ähnlichen Gesetzesverstoß – müssen ins Gefängnis. Im Artikel 3 des Grundgesetzes steht aber, dass alle Menschen in Deutschland vor dem Gesetz gleich sind.
Es gibt drei Möglichkeiten, wie das Problem der „Gesellschaftsdegradierung“ gelöst werden könnte:
1. Einführung eines Höchstpreises für Wohnungen, die vermietet werden oder des Höchstmietpreises für die Sozialbedürftigen und/oder
2. Vollständige Übernahme der Mietkosten für Sozialbedürftige, z.B. durch entsprechende Erhöhung der WAV Werte oder
3. Die Hilfebedürftigen könnten eine Bürgerinitiative ins Leben rufen, um die Anpassung von SGB 2 per Volksbegehren oder Volksentscheid zu verlangen, analog (http://berliner-energietisch.net/).
Etwas stimmt nicht mit der sozialen Marktwirtschaft. Ist die „Soziale“ Marktwirtschaft nur ein Wort ohne Bedeutung geworden?
Sehr geehrte Damen und Herren,
die Menschenrechte von den Armen in Deutschland werden mit Füßen getreten.
Die Jobcenter haben die Deutsche Geschichte vergessen. Es weiß niemand von deren Sachbearbeiten, warum und wie das Grundgesetz in Deutschland eingeführt wurde. Die Sachbearbeiter denken, dass allein das Sozialgesetzbuch 2 für die Arbeitslosen gilt. Als hätten Arbeitslose keine Menschenrechte (Grundrechte). Sie verstehen auch nicht, dass alle Gesetze in Deutschland auf dem Grundgesetz basieren und dass Artikel I im Grundgesetz für alle Gesetze in Deutschland die uneingeschränkt bindende Leitlinie ist.
Bei Jobcenter geht es nur darum, Geld einzusparen, - indem man den Arbeitslosen das Geld kürzt. Wie Sie (nicht alle) wissen gibt es Sanktionslisten bei Jobcenter. Diese Listen beschreiben, wie viel Geld und wie ein Sachbearbeiter durch Sanktionen (Strafen) den Arbeitslosen weggenommen und eingebracht hat. Über diese Listen führt die Karriereleiter bei Jobcenter nach oben.
Weiß jemand eigentlich, was die „Soziale Marktwirtschaft“ bedeutet. (nicht nur dass das der Hauptunterschied zwischen Menschen und Tieren ist). Bei Jobcenter weiß das wohl keiner.
Bei Jobcenter wird ein Menschenleben (eines Hilfebedürftigen) anhand von Sanktionslisten (Hartz IV-Sanktionen: 529.371 betroffene erwerbsfähige Leistungsberechtigte in 2012) und WAV Werten gemessen.
Ist die „Soziale“ Marktwirtschaft nur ein Wort ohne jegliche Bedeutung für Deutschland geworden?
Wer waren die Erzeuger dieser Hartz IV Gesetze? Gezeugt von SPD und Grüne wird dieser Bastard genährt und zu einem Monster gefüttert von den beiden christlichen Parteien CDU/CSU. Nicht vergessen sollen wir die damaligen Taufpaten, diese Partei der besserverdienenden und wohlgenährten Reichen und Superreichen, die in diesen Kreisen allzu beliebte FDP.
Steinrück und Steinmeier als damalige SPD Häuptlinge, wollen uns jetzt erzählen, wie wertvoll und richtig die Geburtshilfe der Hartz IV Gesetze war und bis jetzt ist.
Für die Wirtschaftsbosse stimmt diese Feststellung.
Es ließen sich tausendseitige Bücher, über die furchtbaren, negativen sozialen Auswirkungen schreiben. Die Betroffenen kennen sie. Die Gewinner dieser Gesetze leugnen alle diese Tatsachen.
Frau Hannemann gebührt das Bundesverdienstkreuz „ Erster Klasse“ !!!!!!!
Herr Bundespräsident Gauck, hier hätten Sie die Möglichkeit zu zeigen, wessen Geisteskind Sie wirklich sind. Schlagen Sie diese Frau nicht für das Verdienstkreuz vor, sehen wir dennoch Ihre Gesinnung.
Ch. Paffen, ich verstehe nicht was Sie kritisieren. Die Presseinformation 035 habe ich nicht nur ausführlich zitiert, sondern ebenfall im Artikel selbst verlinkt (2. Abs. Hyperlink: →Stellung zu nehmen). Lösungsorientiert ist der Artikel insofern, als er ausführt was nach meiner Auffassung richtig gewesen wäre: "Die Fürsorge für die Kolleg(inn)en spielt dabei die geringste Rolle, denn sonst hätte man sich mit Frau Hannemann, dem Personalrat und vielleicht einer Mediatorin hingesetzt und ausgelotet was noch geht".
In Hinblick auf die durch das SGB II (Hartz IV) angestoßenen Fehlentwicklungen liegt eine Lösung ziemlich auf der Hand, auch wenn hierzu keine Aussagen im Artikel selbst gemacht wurden: wir brauchen dringend in jedem Jobcenter (räumlich) einen Ombudsmann/frau für die sog. Kunden, der das Recht hat direkt mit jedem/r Mitarbeiter(in) Kontakt auf zu nehmen und dem es obliegt, die Interessen der ALG II - Bezieher(innen) gegenüber den Mitarbeitern des Job Centers zu vertreten. Der oder die braucht gar keine Machtkompetenzen. Die Kraft des Arguments und der Transparenz würde völlig ausreichen, um viele Konflikte klären zu können. Da wo sie ausgelöst wurden und nicht vor dem Sozialgericht, wo die Rechtsabteilung des Job Centers jahre später auftritt, die den Fall selbst nur von den Akten her kennt. Es hätte damit zugleich den Vorteil, die Sozialgerichte zu entlasten, so dass dann ggf. die Rechtswegegarantie des Grundgesetzes auch wieder faktisch und nicht nur formal greift.
Ganz herzlichen Dank, dass Sie hier aus ihrer Erfahrung berichtet haben. Ich denke wir sind uns einig, dass nur die wenigsten Langzeitarbeitslosen diese Kraft haben, die Ihnen offenbar gegeben ist. Es ist ermutigend zu sehen, dass Ihnen bezüglich Ihrer Wehrhaftigkeit das Hartz IV-System nicht die Flügel knicken konnte und ich bin mir sicher, dass es nicht einfach war, nicht in die Knie zu gehen.
Vielleicht schreiben Sie einmal an`s Bundespräsidalamt und unterbreiten dort Ihren Vorschlag, Ob`s klappt? Ich vermute er nicht. Der Bundespräsident, richtiger der frühere Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, Joachim Gauck, nannte es einst töricht und geschichtsvergessen, wenn der Protest gegen Sozialreformen unter dem Titel Montagsdemonstration stattfindet. Man darf also davon ausgehen, dass er gewisse Sympathien für Hartz IV und weniger für Hartz IV-Rebellinen hat. Ich mag mich irren. Schön wär`s!
Ihre Beobachtung, dass teilweise auf Widersprüche mit Textblöcken ohne sinnhaften Zusammenhang mit dem Fall reagiert wird, kann ich bestätigen. Insbesondere die Wagenburgmentalität ist bei wehrhafter Kritik sehr ausgeprägt. Aber es gibt in den Job Centern und der BA auch sehr engagierte Kolleg(inn)en und man möchte allen "Kund(inn)en nur wüschen an diese zu geraten.
Die Petition wurde mittlerweile (16.06./18:30 Uhr) schon 1.700 mal unterzeichnet. Weiter so und danke für die Mithilfe!
Frisch eingetroffen: NACHDENKSEITEN
Dichtung und Wahrheit der Bundesagentur für Arbeit – Ein „wutschnaubender“ Ausfall Zusammengestellt von: Wolfgang Lieb
http://www.nachdenkseiten.de/?p=17638
"weder frau hannemann noch die ba sind wirklich hilfreich um einen gesamtgesellschaftlichen diskurs zu gestalten (beide akteure weisen auf das „schuldhafte“ verhalten des anderen hin) * da ist ein return to talk about bei weitem überschritten, leider ist dies, so empfinde ich es, kein wirklich feiner ausgangspunkt für eine reform ( reformbedürftig ist der bereich alg ohne frage)"
Der Unterschied ist vielleicht, dass Frau Hannemann als eine von über 100.000 "Bediensteten" der BA bzw. der Gemeinsamen Einrichtung zwischen BA und Kommune, in diesem Fall der Stadt Hamburg (Einheitsgemeinde), einem schier übermächtigen Gegner gegenübertritt, während die BA ihre "Dicke Bertha" schon mit dem Mikroskop ausrichten müsste, um treffen zu können und täte sie es, bräuchte sie keine Kanone. Also kurz. Wir haben es nicht mit einer Auseinandersetzung inter pares, sondern einem Fall exorbitanter Ungleichheit zu tun.
"...da es aber in der geschichte des sgb II (wenn ich es recht erinner schon mal so einen ombutsding gab, Frau Dr. Christine Bergmann - Bundesfamilienministerin a.D., Herr Prof. Dr. Kurt Biedenkopf – Ministerpräsident des Freistaates Sachsen a.D. und Herr Dr. h.c. Hermann Rappe - Vorsitzenderder Industriegewerkschaft Chemie, Papier, Keramik a.D. sie haben gemahnt (beide seiten) 2006 gab es einen abschlussbericht so wirklich verbessert hat sich aber NIX – auch auf beiden seiten wie ich anmerken möchte"
Wie sie selber schreiben, hat der Ombudsrat 2006 seine Arbeit eingestellt. Dieser Rat der aus den von Ihnen genannten drei Personen bestand, ist natürlich etwas gänzlich anderes, als Ombudsleute in jedem Job Center. Meinethalben können wir sie auch gerne Streitschlichter, Kundenanwälte, Kümmerer oder Troubleshooter nennen. Wichtig ist die Idee, Streits schnell dort zu klären, wo sie entstehen und vor allem das Gefälle von "Kunde" und Sachbearbeiter anzuerkennen.
"als „support“ gibt es eine initiative, die glaube ich auf die piraten zurückgeht die ich mal als schritt in die richtige richtung bezeichnen möchte * Wir gehen mit #mitläufer für ein menschliches sozialsystem * eine konkrete maßnahme gegen ein unmenschliches sozialsystem *"
Sehr einverstanden! Allerdings ist das keine Alternative zu meinem Vorschlag. Der würde die Begleitung durch einen Beistand keinesfalls ersetzen. § 13 (4) SGB X bliebe ja in Kraft und sollte möglichst von Jede(m)r genutzt werden. Trotzdem wird es auch dann noch Konflikte geben. Im Übrigen soll der Vorschlag ja auch nicht den Rechtsweg ersetzen. Im Gegenteil, er würde gangbarer. Ich denke, auch die Begleitung würde effizienter.
Man muss sich auch nicht auf eine Seite schlagen, sondern kann sich meandernd mal auf der einen, mal auf der anderen und auch zwischen den Seiten befinden. Nur macht man das gemeinhin durch Festlegung (wie vorübergehend auch immer) auf bestimmte Positionen. Leider tappe ich da bei Ihnen ein wenig ratlos im Dunkeln und mir ist nicht wirklich klar woran das liegt. Ich habe den Eindruck es geht ihnen um Diskurs, aber so recht in Gang kommen will er nicht. Woran liegt`s? Wenn sie z.B. ausführen "das gg + sozialersstaatsprinzip sollte reichen für die beteiligten akteuere (ba + kunden)", dann ignoriert das m.E. vollständig den Konflikt, den Frau Hannemann mit der BA hat. Sie beruft sich nämlich exakt hierauf und die Antwort der BA ist: das SGB II ist die lex specialis des Sozialstaatsprinzips des GG.
Hier
http://hartz-ist-ungerecht.forumprofi.de/presse-fernsehen-usw--f92/der-lustige-herr-weise-und-die-ba-t1345.html
ein interessanter Beitrag über Herrn Weise, wobei besonders die zwei Kommentare (fast) lustig sind...
"Es sei für ihn nicht hinnehmbar, wenn Arbeitgeber das Aufstocken zum Geschäftsmodell machen"
Das SGB II war auch gewollt als die flächendeckende Einführung des Kombilohns in Deutschland. Siehe § 10 SGB II, der regelt, dass praktisch jeder Job angenommen werden muss. Das lassen wir uns eine Menge kosten. Im Juli 2012 waren 1,32 Mio. ALG II-Empfänger erwerbstätig, davon 557.000 sozialversicherungspflichtig beschäftigt, davon rund 350.000 Menschen in Vollzeit
Job Center - team.arbeit.hamburg hat genau die Weisungslage, die von der BA vorgegeben ist. Die Gemeinsame Einrichtung wird faktisch und de jure aus Nürnberg gesteuert.
Der Chef der GE in Hamburg kommt von der BA. Friedhelm Siepe (BA) folgte auf Thomas Bösenberg (Stadt Hamburg).
Ich denke nicht, dass Frau Hannemann, der ja die Nichtsanktionierung nach § 31a SGB II vorgeworfen wird (also die Absenkung der Leistungen bis Null), im VerfG keinen guten Verbündeten hätte. In einer Pressemitteilung Nr. 5/2010 vom 9. Februar 2010 Urteil vom 9. Februar 2010 – 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 – führt das Gericht u.a. aus:
"Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde: 1. a) Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG sichert jedem Hilfebedürftigen diejenigen materiellen Voraussetzungen zu, die für seine physische Existenz und für ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben unerlässlich sind. Dieses Grundrecht aus Art. 1 Abs. 1 GG hat als Gewährleistungsrecht in seiner Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG neben dem absolut wirkenden Anspruch aus Art. 1 Abs. 1 GG auf Achtung der Würde jedes Einzelnen eigenständige Bedeutung. Es ist dem Grunde nach unverfügbar und muss eingelöst werden, bedarf aber der Konkretisierung und stetigen Aktualisierung durch den Gesetzgeber, der die zu erbringenden Leistungen an dem jeweiligen Entwicklungsstand des Gemeinwesens und den bestehenden Lebensbedingungen auszurichten hat. Der Umfang des verfassungsrechtlichen Leistungsanspruchs kann im Hinblick auf die Arten des Bedarfs und die dafür erforderlichen Mittel nicht unmittelbar aus der Verfassung abgeleitet werden. Die Konkretisierung obliegt dem Gesetzgeber, dem hierbei ein Gestaltungsspielraum zukommt".
Bei der Konkretisierung ging es um die Höhe der Regelsätze. Aus dem Gesagten darf aber wohl geschlussfolgert werden, dass eine Absenkung unterhalb der Mittel zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums eben nicht verfassungskonform ist. Vergleiche hierzu auch die Bt. Drcks. 17/10938 vom 08. Oktober 2012.
Kleinteiliges Schrauben bei der Umsetzung. Das passiert ja. Die Bedingungen hierfür sind ja auch nicht schlechter geworden. Im Gegenteil, man muss jetzt über die Causa Hannemann den Druck drückender machen. Dann nimmt auch die Bereitschaft bei den Mitarbeiter(innen) der Job Center zu, grundgesetzkonform zu handeln.
Antwort siehe oben.
Hier guter Spiegel-Artikel http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/arbeitsagentur-manipuliert-laut-rechnungshof-vermittlungs-statistik-a-907356.html
Das wird spannend, wie das mit Hannemann noch weiter diskutiert wird.
Der Spiegel wird Montag mit einem siebenseitigen Bericht aufmachen „Mit allen Mitteln“, der die bekannte Tatsache des „creamings“ thematisiert. Dies ist die natürliche Folge der Erfolgsmessung, die letztendlich darin besteht ob jemand vermittelt wird. Oder um es einmal aus einer anderen Perspektive auszudrücken. Die BA misst ihren Erfolg darüber ob Peter oder Josef den Job erhalten hat. Systematisch betrachtet, ist es nämlich völlig wurscht, wer vermittelt wurde, solange nicht Arbeitsplätze unbesetzt bleiben, weil Arbeitsplatz-und Arbeitskraftanbieter nicht zusammen kommen. Dieses Problem löst sich aber marktförmig schön von selbst. Insbesondere im Arbeitskraftanbietermarkt braucht es keine BA aber genau da, sind die Vermittlungs“erfolge“ zu realisieren, weswegen sich die Behörde, die über 100.000 Bediensteten hat, gerne hierauf stürzt. Die Aufwendungen für Langzeitarbeitslose sind da eher bescheiden. Nun könnte man darin bereits den sozialpolitischen Skandal sehen und das macht der Spiegel zum Teil, indem er die Kritik des Bundesrechnungshof übernimmt, der Vermittlungsbemühungen für „Marktkunden“ mit „marktfernen Kunden“ vergleicht und natürlich feststellen kann, Marktkunden erhalten mehr Zuwendungen. Schaut man sich die Sache im Detail an, so differenziert sich das Bild. Denn gerade im Bereich der Grundsicherung (SGB II) gibt es sehr viele Kunden, die überhaupt nicht sinnvoll vermittelt werden können. Die BA selbst gibt an: „von den arbeitsuchenden erwerbsfähigen leistungsberechtigten in der grundsicherung bezieht etwa ein drittel bereits seit einführung der unterstützung vor sieben Jahren diese leistung. diese menschen sind von der dynamik des arbeitsmarkts weitgehend ausgeschlossen“ (BA 2020, Januar 2013). Schaut man sich nun den Eingliederungstitel an und wie er sich bei den Maßnahmen für genau diese Zielgruppe entwickelt hat, dann stellt man den sozialpolitischen Skandal fest. Seit 2008 hat sich zum Beispiel die Zahl der Arbeitsgelegenheiten halbiert und gerade jetzt wird, die nächste Kürzungsrunde eingeleitet. Vergl. https://www.freitag.de/autoren/aram-ockert/ein-euro-flop Zur Qualität dieses Maßnahmetyps siehe auch: https://www.freitag.de/autoren/aram-ockert/ein-euro-jobs-mal-anders
vielen Dank für die differenzierte Ausführung.
Was mich wundert, dass niemand fragt, wie es sich mit den Beschäftigungszahlen der BA und den Jobcentern verhält. 2003 war ja von 70.OOO Mitarbeitern die Rede, die Nürnberg auf der Lohnliste stehen habe, auch fragt niemand nach den Qualifikationen der teils sehr jungen MA in den Jobcentern: viele sollen von Verwaltungsakademien kommen.
Soeben reingekommen, die PE der BA:
Betreff:BA-Presseinfo Nr. 36: BA-Chef Weise: „Wir arbeiten für Menschen und nicht für Zahlen“
Pressemitteilung der Bundesagentur für Arbeit vom 23. Juni 2013
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Der „Spiegel“ berichtet heute über einen Prüfbericht des Bundesrechnungshofes (BRH) zum Thema „Steuerung der Zielerreichung“ in der Bundesagentur für Arbeit (BA). Darin sind kritische Hinweise zum Umgang mit Kennzahlen und Zielen enthalten, die der „Spiegel“ aufgreift. Der Bericht liegt seit November vergangenen Jahres vor. Er beruht auf der Prüfung von sieben Arbeitsagenturen.
Im Kern bestätigt der Bundesrechnungshof die Richtigkeit des Ziel- und Steuerungssystems der BA, kritisiert aber Fehlanreize und Fehlanwendungen, die zu Manipulationen bei der Zielerreichung und so genannten „Creaming“-Effekten (Bestenauslese, s. Erklärung unten) geführt haben. Dies wird mit einer Reihe von Fallbeispielen untermauert.
Dazu Frank-J. Weise, Vorstandsvorsitzender der BA: „Wir arbeiten für Menschen, nicht für Zahlen. Die Kritik am Steuerungssystem der BA ist nicht neu. Der Vorstand der BA steht zu diesem System, denn es ist die einzige Möglichkeit, unseren gesetzlichen und sozialen Auftrag ebenso wie die Geschäftspolitik abzubilden. Zahlen bilden nur unsere Arbeit ab und sind nicht Selbstzweck.“
Steuerung ist notwendig, insbesondere in einer so großen, dezentral geführten Flächenorganisation wie der BA. Weise: „Das Führen über Ziele und die Steuerung in der BA sind erfolgreich, anerkannt und haben sich bewährt. Das bestätigt der Bundesrechnungshof in seinem Prüfbericht. Ohne diese Steuerung wären die unbestreitbaren Erfolge der BA in den vergangenen Jahren nicht möglich gewesen. Dazu gehören zwei Millionen arbeitslose Menschen weniger, die Verringerung der Zahl der Langzeitarbeitslosen um 40 Prozent und Rücklagen in Milliardenhöhe, die geholfen haben, die Wirtschaftskrise 2009 zu überwinden.“
Jedes Steuerungssystem unterliegt aber der Gefahr von Fehlanreizen. Daher entwickeln wir als BA es stetig weiter. Steuerung und Zahlen sind kein Selbstzweck. Sie dienen dazu, den Menschen besser zu helfen. Daher lautet unsere Geschäftspolitik: Wir arbeiten für Menschen, nicht für Zahlen. „Steuerung und Controlling hat – anders als der „Spiegel“ behauptet – nichts mit Planwirtschaft zu tun. Es geht nicht darum, Zahlen zu produzieren, sondern darum, gute Leistung für die Menschen abzubilden. Zahlen sind dabei die „Währung“, in der wir intern rechnen. Abweichungen von Zielen erlauben es uns, den Markt und die Anliegen der Menschen besser zu verstehen, weil wir daraus lernen, was gut läuft und was nicht. Dann kann man die richtigen Fragen stellen. Leider braucht es viel Zeit, dieses Verständnis von Controlling zu etablieren.“, so das Credo von Weise. Und weiter: „Die beiden Mitarbeiter, die im Spiegel zu Wort kommen, beschreiben ein System, das ihrer Meinung nach zu hohe Anforder
ungen stellt. Natürlich kann man diskutieren, wie weit man Ziele steckt. Aber wir sehen im Leistungsvergleich der Agenturen, was machbar ist.“
Die BA als lernende Organisation ist vom Grundsatz geleitet, das Zielsystem laufend zu überprüfen und weiter zu entwickeln. Die Feststellungen des BRH wurden dabei berücksichtigt. Weise: „In der Arbeit und der Auseinandersetzung mit dem Zielsystem gibt es immer Erscheinungen, die nicht gewünscht sind. Was der Bundesrechnungshof beschreibt, ist daher nicht neu. Wir entwickeln das Zielsystem laufend weiter und haben Fehlentwicklungen erkannt und abgestellt. Viele der vom Rechnungshof genannten Fehlanreize wird es ab 2014 nicht mehr geben. Und wir denken in die Zukunft: In der Strategie BA 2020 ist die Weiterentwicklung des Zielsystems schon lange vor den Hinweisen des Bundesrechnungshofes beschrieben worden.“
Weise „Dem Eindruck, in den Arbeitsagenturen seien Manipulationen an der Tagesordnung, trete ich entgegen. Dies hat auch der Rechnungshof nicht behauptet. Die große Mehrzahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeitet engagiert und korrekt. Das ist auch die Haltung, die der Vorstand als Geschäftspolitik vorgibt: Aus guter Arbeit mit den Menschen folgen auch gute Zahlen.“
Hinweis: Als „Creaming“ wird im Zusammenhang mit der BA ein Prozess bezeichnet, bei dem bevorzugt marktnahe, also einfach in den Markt zu integrierende, Kunden auf möglichst einfach zu besetzende Stellen vermittelt werden. Dieses Phänomen hat seine Gründe auch auf der Nachfrageseite, die naturgemäß an den besten Bewerbern interessiert ist.