Dem Impfmissbrauch Tür und Tor geöffnet

Corona- Das Bund, Länder und Kommunen in ein Impfchaos gerieten, liegt vor allem an Ihnen selbst.

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Am 05. Februar berichtete u.a. Die Welt, dass ein 69 jähriger Arzt des Impfzentrums Hamburg seiner schwerkranken Frau irregulär eine Impfung im Eingangsbereich des Zentrums setzte und einen Tag später entlassen worden sei. Auch die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Diebstahls. Wie immer es ausgehen mag, der Arzt hatte zumindest gute Gründe, wenngleich er unkorrekt gehandelt hat. Aus den USA hört man, dass bis zu 10.000 USD aufgerufen werden, um an den begehrten Impfstoff zu kommen. So berichtete beispielsweise Variety am 26. Januar unter der Überschrift: „Hollywood Elite in COVID-19 Vaccine Scramble: ‘It’s the Hunger Games Out There’“, dass Dr. Robert Huizenga aus Beverly Hills hohe Summen für irreguläre Impfungen angeboten wurden. So hat man dann auch einen ungefähren Anhaltspunkt für die Werthaltigkeit solcher Impfungen.

Nun mehren sich in Deutschland die Meldungen, dass keineswegs immer nach der entsprechenden Verordnung beim Impfen vorgegangen wird. Insbesondere Leitungspersonal und deren Angehörigen konnten in zahlreichen Fällen der Versuchung nicht wiederstehen, sich irregulär impfen zu lassen. Anfänglich wurde das mit zufälligen Impfdosenüberschuss begründet, der so dem Verfall entzogen wurde. Auf den ersten Blick eine plausible Erklärung und auf den zweiten Blick eher unwahrscheinlich. Schließlich weiß man vorher das soetwas geschehen könnte, wenn Impflinge ausfallen. Selbstverständlich werden sich vorher Gedanken gemacht und nicht etwa spontan vor Ort entschieden. Der Verdacht drängt sich also auf, dass hier abgelenkt werden sollte. Das macht auch Sinn, weil die Corona Impfverordnung zum Missbrauch geradezu einlädt . Zwar regelt sie sehr präzise, welche Gruppen in welcher Reihenfolge geimpft werden sollen, aber für den Fall der Abweichung begeht man noch nicht einmal eine Ordnungswidrigkeit.

Da obendrein die Priorisierung der zu Impfenden durch die Einrichtungen vorgenommen werden und offenbar keine Prüfung durch die mobilen Impftrupps bzw. die sie beauftragenden Behörden geschieht, ist dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet. In Hamburg ist man im Übrigen auch nach dem Bekanntwerden diverser Fälle von Impfungen an nicht berechtigten Personen, darunter auch der Staatsrätin der Sozialbehörde selbst, der Meinung: „Wir haben aufgrund einer vertrauensvollen Zusammenarbeit mit den Pflegeeinrichtungen in Hamburg keinen Anlass, von diesen Einrichtungen gemachte und als wahrhaftig versicherte Angaben grundsätzlich in Frage zu stellen“. Deswegen geht man auch davon aus: „dass es sich um Einzelfälle handeln dürfte, sofern es Abweichungen von den Priorisierungen gem. ImpfVO gegeben haben sollte“. Die Sozialbehörde möchte noch nicht einmal davon ausgehen, dass die Impfung externer Handwerker, wovon einer in einem Verwandtschaftsverhältnis zur Assistentin der Geschäftsführung steht, einen tatsächlichen Verstoß gegen die CoronaImpV darstellt. Für diesen Fall (Hamburger Blindenstiftung)möchte die Behörde aufgrund der ihnen vorliegenden Informationen keine Bewertung vornehmen.

Bleibt zu räsonieren, dass die Behörde keinerlei Kontrollen von sich aus eingebaut hat, um den Mangel der Verordnung, keine Sanktionen für den Fall des Missbrauchs vorzusehen, dadurch auszugleichen, dass diesem präventiv vorgebeugt wird. Stattdessen verweist man auf die vertrauensvolle Zusammenarbeit. In diesem Fall ist das aber völlig irreführend, weil die von der Behörde in Gang gesetzte Praxis einer Charakterprüfung gleichkommt, wenn denjenigen, die die Listen zu erstellen haben klar wird, welche Möglichkeiten der faktischen Gestaltung ihnen da eingeräumt wurden. Deswegen will man jetzt auch nicht nachprüfen, in wie vielen Fällen kreatives Potential zum Nachteil der Allgemeinheit freigesetzt wurde. Das Ergebnis wäre nämlich eine Bilanz behördlichen Versagens. Damit sollen die Vordrängler:innen beim Impfen nicht frei von Schuld gesprochen werden, aber so wie man Menschen zum Diebstahl animieren kann, wenn man ihnen den Zugriff auf fremdes Eigentum sträflich leicht macht, so kann man auch Menschen im Angesicht einer lebensbedrohlichen Pandemie in Versuchung führen, wenn man es ermöglicht, sich ohne jede negative Folge impfen zu lassen ohne berechtigt gewesen zu sein.

Besonders befremdlich ist in diesem Zusammenhang, dass ein Arzt, der für seine schwerkranke Frau die Impfung besorgt, entlassen wird und gegen ihn wegen Diebstals ermittelt wird. Zwar ist es völlig korrekt, aber eben auch moralisch unbefriedigend, weil auf der anderen Seite Menschen ohne gesundheitliche Einschränkungen aufgrund schlechter Verordnungstexte und behördlicher Schläfrigkeit sich folgenlos mit dem begehrten Impfstoff versorgen lassen konnten.

Man mag einwenden, dass es in dieser Pandemie nicht der letzte Fehler gewesen sein wird und dass man das Ziel der Pandemiebekämpfung nicht aus dem Auge verlieren soll und deswegen nach vorne schauen muss. Das ist richtig. Aber während man nach vorne schaut, darf man ruhig Fehler auswerten. Dazu gehört es, dass man feststellen muss, dass die Fehler an der Spitze weiter unten keineswegs korrigiert werden, sondern selenruhig zugeschaut wird, wie sie geschehen. Vielleicht nimmt man es sogar gerne in Kauf, weil man ja nicht direkt verantwortlich ist. Die SPD hat ja im Rahmen tatsächlicher und vermeintlicher Fehler in der Beschaffung von Impfstoff schon bewiesen, dass sie Regierung und Opposition in einem sein möchte.

In Hamburg aber hat sie durch die Einlassungen des Vorstandsvorsitzenden der Hamburger Blindenstiftung, der es völlig normal findet, wenn der Verwandtschaftsgrad beim Impfen auch eine tragende Rolle spielen darf, ein kleines Problem. Derjenige ist nämlich nicht irgendwer in Hamburg, sondern eine Filz-Legende. Uwe Riez steht seit 20 Jahren praktisch synonym für den Filz zwischen der SPD und der Hamburgischen Verwaltung und ihren öffentlichen Unternehmen.

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