Trübe Suppe

Dieselaffäre Der Abgasskandal ist nicht bloß ein VW-Skandal. Ob Industrie, Politik oder Verbraucher – vielleicht haben es nicht alle gewusst, wissen können hätte man es schon lange

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Trübe Suppe

Foto: Peter Macdiarmid/Getty Image

Letzte Woche wurde bekannt, dass Daimler auf Anordnung des deutschen Kraftfahrt-Bundesamts (KBA) in Europa einen verpflichtenden Rückruf für Mercedes-Benz Fahrzeuge mit Diesel-Motor durchführt.700.000 Fahrzeuge sind davon in Europa betroffen, darunter 280.000 Fahrzeuge in Deutschland.Das passt eigentlich nicht zu der Erzählung, dass die Affäre um zu hohe Abgaswerte des Diesels im Kern ein Skandal der Autobauer in Wolfsburg ist. Das Narrativ geht so: VW hat betrogen (Schummelsoftware), das ist schlimm. Die Bundesregierung ist entsetzt, die anderen Autobauer sind beschämt. Nun wird durchgegriffen, aber der Standort Deutschland darf für die Schlüsselindustrie der Autobauer nicht in Gefahr geraten, weswegen jetzt alle zusammenstehen und die Suppe auslöffeln werden.

Das ist Blödsinn. Der Abgasskandal ist kein VW-Skandal. Alle Autohersteller haben ihren Anteil an der Differenz zwischen Norm- und Realwerten. Und alle haben es gewusst. Das Bundesumweltamt hat sogar die Korrekturwerte für die Emmissionen der PKW im Realbetrieb zur Verfügung gestellt. Dies tat und tut es mit dem „Handbuch Emissionsfaktoren des Straßenverkehrs“. Dieses ermöglicht Berechnungen der Treibhausgas- und Schadstoffbelastungen des Straßenverkehrs. Mittlerweile gibt es vom HBEFA die Version 3.3 (2017). Noch in diesem Jahr soll es die Ausgabe 4.1 geben. Die enthaltenen Emissionsfaktoren für PKW sind z.B. wichtig, um Luftreinhaltepläne zu erstellen, die vor Gericht Bestand haben können. Mit den Normwerten wäre das niemals gegangen, weil diese nicht annähernd die realen Situationen abgebildet hätten. Da diese aber durch ein Messnetz annährend dokumentiert sind, brauchten die Behörden, in deren Verantwortungsbereich die Luftreinhaltepläne erstellt werden, neben Gutachtern, die diese erstellen, auch zwingend die Korrekturfaktoren zu den Normwerten. „Dies vor allem, da seitens der Hersteller nach wie vor viele Möglichkeiten zur Anpassung der Fahrzeuge an den Emissionstest ausgenutzt werden und die Emissionen im Realbetrieb um ein Vielfaches höher liegen“ (Umweltbundesamt).

Das heißt: Bundesregierung, Landesregierungen, Städte und Kommunen wussten, ebenso wie die Verbraucher, die an den Tankstellen regelmäßig darüber informiert wurden, dass die Normverbrauchswerte (korresponierender Wert zum Emmissionsverhalten) viel zu niedrig angegeben wurden, dass die Automobilindustrie über ein Verfahren verfügt, dass das Emmissionsverhalten bei der Abgasuntersuchung gegenüber dem Fahrbetrieb verändert. Vielleicht haben es nicht alle gewusst, wissen hätten es aber alle können.

Das erklärt im Übrigen auch, warum es seitens der politisch Verantwortlichen und der Automobilindustrie niemals zu ernsthaften Konfrontationen gekommen ist. Es handelt sich um Komplizen. Dies ist auch nicht neu. Gerhard Schröder war schon als Ministerpräsident in Niedersachen VW mehr als zugetan und erhielt später neben Titeln wie „Genosse der Bosse“ auch die von ihm gern angenommene Bezeichnung „Autokanzler“. Matthias Wissmann, CDU, von 1993 bis 1998 Bundesverkehrsminister und später Vorsitzender des Auschusses für EU-Angelegenheiten des Bundestags, war von Juni 2007 bis Februar 2018 Präsident des Verband der Automobilindustrie (VDA). Der frühere Staatsminister im Kanzleramt Eckart von Klaeden, CDU wechselte im Herbst 2013 zu Daimler AG.

Man hat sich also nie besondere Mühe gegeben, die Verquickungen von Politik und Autoindustrie zu verschleiern. Dass damit dieser Industrie am Ende womöglich übel mitgespielt wurde, weil man sie durch zu viel Fürsorge vor der Innovationskraft der eigenen Ingenieure beschützt hat, ist eine ironische und sehr bittere Wendung der Angelegenheit.

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