Die souveräne Flucht

Johannes Kahrs Der Befreiungsschlag ist gelungen. Zwar weiß man nicht von was sich Johannes Kahrs befreit hat, aber es muss schon eine sehr große Last gewesen sein.

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Nach allem was man hört, hat Hans-Peter Bartels als Wehrbeauftragter einen guten Job gemacht. Jedenfalls nach Ansicht der ihn tragenden Parteien, aber auch aus der Opposition hat man keine substantielle Kritik an seiner Arbeit vernommen. Eine weitere Amtszeit für den nach 17 Jahren 2015 aus dem Bundestag ausgeschiedenen Bartels hätte also nahegelegen.

Das auch Bartels damit gerechnet hat, macht die Reaktion der Journalistin Susanne Gaschke – verheiratet mit Hans-Peter Bartels - deutlich, die vor einer Woche in der Welt ihren Parteiaustritt aus der SPD erklärte. "Mir ist es nicht egal, wie Ihr mit dem Mann umgeht, den ich liebe", war der zentrale Satz.

Bartel war allerdings gewarnt. Anfang des Jahres wurde „in der Schlussberatung der Berichterstatter des Haushaltsausschusses für den Einzelplan 02, in dem die Ausgaben des Bundestags geregelt werden, wurden auf Antrag von Kahrs und Rehberg vier neue Planstellen für das Amt des Wehrbeauftragten beschlossen“ Welt, vom 24.01.2020). Damit bekam Bartels Behörde einen Personalzuwachs von 7,2 Prozent beschert, den sie selbst nicht beantragt hatte.

Zum gleichen Zeitpunkt gab es auch schon Gerüchte, dass der Oberst d.R. Kahrs Ambitionen auf Bartels Amt haben könnte und Rolf Mützenich mochte sich nicht zu Bartels zweiter Amtszeit bekennen und schob notwendige Gespräche mit der Union vor.

Nun gibt es schwierigere Aufgaben, als den Chef des Seeheimer Kreises der CDU als Nachfolger von Bartels schmackhaft zu machen und Mützenich verdankt seinen Posten auch Johannes Kahrs, was im Parteiorgan Vorwärts kurz nach der Wahl zum provisorischen Vorsitzenden der Fraktion (nach Andrea Nahles Rücktritt) eindrucksvoll im Zusammenhang mit einem Bericht über die traditionelle Spargelfahrt des Seeheimer Kreises dokumentiert worden war:

’Ich möchte nicht mehr sehen, dass in der Zeitung ein Wortprotokoll unserer Sitzungen erscheint’, mahnte Mützenich seine Kollegen. In der Vergangenheit waren Journalisten häufig bestens über den Verlauf und die Inhalte der Fraktionssitzungen informiert. ‚Wir haben dich einstimmig gewählt und wussten, was wir tun’, entgegnete Johannes Kahrs und verwies darauf, dass die aktuelle Spargelfahrt bereits die 58 war. „Das heißt, dass es in dieser Legislaturperiode noch die 60. geben wird“ (Vorwärts, 05.06.2019).

Nach allem was man wissen kann, gab es für den mächtigen Chef des Seeheimer Kreises und einflussreichsten Haushälter des deutschen Bundestages im Zusammenspiel mit CDU-Mann Eckhardt Rehberg keinen Grund, abgesehen von Not ausgerechnet Chef einer 55 (59)-Personen starken Behörde zu werden. Das sich Kahrs trotzdem nach eigenen Angaben hierzu im Oktober 2019 entschlossen hat, deutet auf die Idee eines geordneten Rückzugs hin. Der Oberst d.R. wollte Gelände aufgeben, um darüber das verbliebene Terrain zu stabilisieren. Irgendwann im Laufe der Monate dürfte im klar geworden sein, dass nur der vollständige Rückzug aus der Politik, seine offene Flanke schließen kann. Die Frage war nur, wie er das hinbekommen könnte, ohne damit ein viele Meter hohes Fragezeichen in die Landschaft zu setzen?

Ein Rücktritt von allen Ämtern, weil ein bislang erfolgreicher Wehrbeauftragter eine zweite Amtszeit bekommt, hätte selbst den bräsigsten Journalisten wach werden lassen , also musste Eva Högl her, bzw. von Mützenich nominiert werden, damit Oberst d.R. Kahrs nachvollziehbar brüskiert werden konnte. Nur so konnte Kahrs Operation „tabula rasa“ funktionieren. „Unsouverän“ wie von einigen (einem) politischen Journalisten vermutet, war das nicht. Im Gegenteil, mehr Souveränität gab es wahrscheinlich selten, wenngleich nicht Wünschen gefolgt wurde sondern Zwängen.

Wie stark diese waren, mag man ablesen an dem, was aufgegeben wurde. Kahrs war seit 22 Jahren im Deutschen Bundestag, 18 Jahre davon auch im Haushaltsausschuss und egal was immer man an ihm zu kritisieren hat, das war sein Leben, das er mit Leidenschaft, Energie und viel Erfolg zu organisieren verstand. Bis zum Mai 2020.

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