Die taz und die Grünen

Ines Pohl Die Chefin der taz sorgt sich mal wieder um die Grünen. Diesmal befürchtet sie, dass die "Realos" einen Durchmarsch machen und „ihren linken Flügel komplett amputieren“.

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Die taz und die Grünen

Foto: Sean Gallup/ AFP/ Getty Images

Die Dame hat Humor. Zum einen weil sie die Initialzündung, die jetzt zum Abdankens Trittins führte selbst besorgt hat, zum anderen weil es in den Grünen sowieso nurRealos gibt und deswegen das Gerede von Flügeln hochgradiger Unfug ist.

Ines Pohl die von Politik ungefähr soviel verstehen mag, wie ein durchschnittlicher Politiker einer durchschnittlichen Partei, lässt sich dabei von einer eigenen und deswegen falschen Überlegung auf`s Glatteis führen. Sie vermutet in den Grünen den Wunsch nach noch mehr Verbürgerlichung als das bislang schon der Fall ist. Außerdem glaubt sie, dass es dort eine starke Sehnsucht nach Nähe zur Union gibt und sie schlussfolgert hieraus, dass die Anschlussfähigkeit „an das bürgerliche Lager“ durch Exorzismus gegen eigene Linke hergestellt werden soll. Dabei vermutete sie: Kalkül, „um bei kommenden Wahlen endlich realistische Regierungsoptionen zu haben“.

Für Menschen die die Grünen nur oberflächlich kennen und solche die das inflationäre Geschwätz von „Schnittmengen“ und der „inhaltliche Nähe“, die für Koalitionen angeblich essentiell sein sollen für bare Münze nehmen, hört sich das vermutlich vernünftig an. Es ist es aber nicht.

Erstens sind die Grünen schon deswegen an das bürgerliche Lager anschlussfähig, weil sie bereits Teil dieses Lagers sind.

Zweitens gehört zu realistischen Regierungsoptionen die Fähigkeit zu mehr als einer Option. Rotgrün ist absehbar auf Bundesebene keine Option, selbst wenn die Grünen doppelt so stark geworden wären, hätte es nicht mit der SPD gereicht. Was die Grünen also benötigen, ist die Fähigkeit zur Kooperation mit der CDU und den Linken gleichermaßen.

Drittens stellt sich Anschlussfähigkeit im Zweifel eher über die Differenz, als die Gemeinsamkeit her. Bündnisse sind eben keine Fusionen, sondern eine temporäre Partnerschaft, von im Kern verschiedenen Parteien.

Viertens kann man bei den Grünen keine Flügel amputieren. Es gibt sie nicht. Zwar funktionieren immer noch einmal die alten Muster, aber das sind eher nostalgische Reflexe mit hohem Sehnsuchtspotential nach vergangenen Zeiten.

Was sicherlich richtig ist, dass immer wenn es rau und ungemütlich wird, ein Rückfall in alte Muster beobachtet werden kann und Gefühlslinke und Gefühlsrealos in Händel miteinander geraten.

Dabei geht es fast nie um grundlegende inhaltliche Differenzen, sondern regelhaft um die Erringung von personeller Dominanz in wichtigen Funktionen.

Klassische Seilschaften, die ihr Wirken als Networking euphemisieren. Die hochgehaltenen und viel beschworenen „Inhalte“ haben sich dem im Zweifel unterzuordnen. Heißt: ihre Beurteilung und Generierung erfolgt anhand des zuvor antizipierten Erfolgs bei Wahlen. Was leicht nachzuprüfen ist, weil bei entsprechendem Nichterfolg der „Inhalt“ infrage gestellt und tendenziell dem Programmabfallkorb überantwortet wird. Stichwort Steuererhöhung für gut und sehr gut Verdienende. Dieser Programmpunkt wird demnächst nicht abgeräumt, weil man ihn zu links findet, sondern weil er vermeintlich zu viele Stimmen gekostet hat.

Sollten die Grünen, in Auswertung des Hamburger Ergebnisses über den Volksentscheid zum Rückkauf der Energienetze zu dem Ergebnis kommen, Verstaatlichung von Unternehmen der Daseinsführsorge sei in der Tendenz geeignet das Stimmenpotential zu erhöhen, so kommt das in`s Programm und fliegt bei Erfolglosigkeit wieder heraus. So ist das bei allen Parteien, die statt über ihr Programm, lieber über die „Inhalte“ als Abstraktum reden, „die bei uns im Vordergrund stehen“ (Claudia Roth et al.).

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden