Armin Laschet gehörte zu den Ersten, die sich zur Modifikation des Liedes „Meine Oma fährt im Hühnerstall Motorrad“ äußerten, indem er seine Empörung zum Ausdruck brachte und seine Idee, es seien hier „Grenzen des Stil und des Respekts gegenüber den Älteren überschritten“, zum eigentlichen Inhalt gemacht hatte.
Nun macht er weiter und Die Zeit bietet sich hierfür als Plattform an. Weil er und seine Empörungskolleg:innen sich zu den Aktivist:innen für effektiven Klimaschutz inhaltlich nicht ernsthaft äußern können, greifen sie nach jedem Strohhalm. War es vordem das Schulschwänzen, was angeblich den Protest delegitimieren sollte, ist es nun der vorgebliche Generationenkonflikt, den Klimaaktivist:innen angeblich schüren. So fragt Laschet rhetorisch: „Warum nur kann man nicht für Klimaschutz eintreten, ohne daraus einen Generationenkonflikt zu konstruieren?“ Sodann bezieht er sich instrumentell auf die Generation die früher gegen Atomkraft und für Windenergie gekämpft hat und negativ auf „große Teile der Jugend die Hauptstädte Europas erfliegen, Filme auf ihren Smartphones mit hohem CO₂-Verbrauch streamen und einen Luxus leben, von dem ihre Großeltern nur geträumt hätten“.
Nun weiß man auch, wer hier den Generationenkonflikt will. Laschet wirft der Jugend in großen Teilen ernsthaft vor, dass sie sich gemäß der herrschenden Wirtschaftsweise verhält, für die sie kaum Verantwortung tragen dürfte. Im Übrigen versucht er den Unterschied der Produktivkraft- und Produktentwicklung zum Argument gegen die Jüngeren zu formen, um just das eigene Handeln in seiner abstrakten Beschreibung den Jüngeren zuzurechnen und als Flanke zum Torschuss für die Rechte zu brandmarken: „Wer politischen Diskurs als Konfrontation eskaliert, spielt ungewollt denen in die Hände, die unsere Gesellschaft ohnehin spalten wollen“.
Nach diesem Ausbund an Heuchelei, plädiert der Landesvorsteher von NRW für Fairness in Wort und Tat und mahnt daher einen „starken öffentlich-rechtlichen Rundfunk“ an und meint selbstverständlich das genaue Gegenteil. Nämlich: „Und erst recht sollten Kinder Respekt vor Großeltern lernen. Das ist nicht rechts. Das ist eine zivilisatorische Errungenschaft in allen Kulturen“.
Man könnte jetzt etwas dazu sagen, warum es in Deutschland bisweilen an dieser zivilisatorischen Errungenschaft hapern musste. Das soll nicht geschehen und hätte sich thematisch schon angeboten, als Laschet das Erfliegen europäischer Hauptstädte durch die heutige Jugend kritisch in den Fokus nahm. Auch da hätte eine Anmerkung zu den früheren Generationen und ihren Besuchen dort nahegelegen, nur geht es darum nicht. Vielmehr geht es um eine ganz simple Tatsache und die ist unbestreitbar: Die Jüngsten der Gesellschaft, werden am massivsten den Klimawandel und seine negativen Auswirkungen erleben und haben daher legitimer Weise das größte Interesse, an einer Veränderung der bestehenden Verhältnisse, in Richtung auf eine massive Reduktion bei Gasen mit Treibhauswirkung.
Hieraus resultiert kein Generationenkonflikt, weil auch die Älteren unter uns nicht wollen, dass der Planet sich in einigen Hundert Jahren von der Menschheit emanzipiert, aber im Zweifel können wir es doch entspannter sehen. Das ist zu akzeptieren und damit auch die höhere individuelle Betroffenheit von heute 16 Jährigen.
Wer - wie Laschet - aus harmlosen Trällereien eine Absicht destilliert, die auf das Lied projiziert werden muss, um nachvollziehbar zu erscheinen und der anschließend genau den Generationenkampf betreibt, den er zuvor bedauernd konstatierte, will keinen rationalen Diskurs, sondern Tabubereiche in der Politik und der veröffentlichten Meinung, die es Bewegungen wie Fridays for Future erschweren soll, gehört zu werden.Deswegen ist der Bezug von Laschet auf Hanns Joachim Friedrichs auch völlig unangebracht: "Distanz halten, sich nicht gemeinmachen mit einer Sache, auch nicht mit einer guten, nicht in öffentliche Betroffenheit versinken (...) Nur so schaffst du es, dass die Zuschauer dir vertrauen (...)."
Wer im Zusammenhang mit einer existentiellen Frage wie der Klimapolitik, als Synonym für die Begrenzung des Temperaturanstiegs auf den Planeten, einen starken öffentlichen Rundfunk fordert, „der den Zusammenhalt dient, wie es seinem Auftrag entspricht“, der tarnt seine Absicht, demThema Klimawandel seine aus sich heraus polarisierende Wirkung zu nehmen, nicht mehr, sondern erklärt die Harmonie im Volk zum vornehmsten Auftrag des öffentlich rechtlichen Rundfunks.
Nun mag der eine oder die andere einwenden, dass das Lied doch wirklich blöd sei und die ältere Generation unter den Generalverdacht umweltschädlichen Treibens stellt. Mag sein, dass man das so sehen will. Man kann es auch für nebbich oder einfach nur doof oder für eine gelungene Neufassung halten. Es bleibt aber ein Lied. Kaum böser, blöder oder klüger als das Original und nicht wert, auch nur eine Sekunde lang über es zu debattieren. Wohl aber über diejenigen, die so etwas zum Anlass nehmen, „dringend einen starken öffentlich-rechtlichen Rundfunk“ zu fordern.
Wir brauchen nicht verbindliche Standards über das sag- und singbare, sondern wenn schon Pflege der Debattenkultur, dann im Sinne einer Pluralität, der tatsächlich im Volk vertretenen Meinungen. Das ist hart und die geäußerten Meinungen bisweilen schwer zu ertragen. Aber das gilt für alle Seiten.
Wer etwas lernen möchte, der sollte versuchen zu begreifen, dass das Aushalten von unerträglichen Meinungen zum 1 x 1 der Demokratie gehört.
Meinungsfreiheit ist immer und zuvörderst das Recht auf eine falsche Meinung und ihrer Artikulation im öffentlichen Raum. Dagegen gibt es keine guten Gründe, sondern bestenfalls gute Absichten.
Kommentare 10
Nun finde ich das Liedchen etwas daneben, aber einen Generationenkonflikt kann man daraus nicht bauen. Die Kinder haben zwar gesungen, aber veranstaltet und verantwortet haben das erwachsene Redakeure*** bei WDR.
>>…Filme auf ihren Smartphones mit hohem CO₂-Verbrauch streamen…<<
Hat der Laschet es wirklich so gesagt?
Es wäre symptomatisch für die handelsüblichen ahnungslosen Dummschwätzer: CO2-VERBRAUCH wäre ja gut, denn wir haben etwas zu viel davon in der Atmospäre.
Das vollständige Zitat lautet: "Ich kenne 80-Jährige die seit 40 Jahren gegen den Klimawandel kämpfen, während große Teile der Jugend die Hauptstädte Europas erfliegen, Filme auf ihren Smartphones mit hohem CO₂-Verbrauch streamen und einen Luxus leben, von dem ihre Großeltern nur geträumt hätten. Die Opas und Omas von heute, das ist die Generation der 68er, damals 20, heute 70 Jahre alt, die zwar nicht gegen Klimawandel und für die Reduzierung von CO₂, aber gegen die Atomkraft gekämpft haben. Sie initiierten die Umweltbewegung, sie gehörten später zu den Gründern der Grünen".
>>Wir brauchen nicht verbindliche Standards über das sag- und singbare, sondern wenn schon Pflege der Debattenkultur, dann im Sinne einer Pluralität, der tatsächlich im Volk vertretenen Meinungen. Das ist hart und die geäußerten Meinungen bisweilen schwer zu ertragen. Aber das gilt für alle Seiten.<<
Dieser Auffassung bin ich nicht, da die Macht zu ungleich verteilt ist. Weshalb soll mit den Kapitalvertretern und Kriegtreibern, den Waffenhändlern und Kohleförderern eine Debattenkultur gepflegt werden? Das gälte nur, wenn Augenhöhe bestünde. Und diese wird es nicht geben. Debattenkultur in diesem Sinne bedeutet Unterwerfung unter die herrschenden Verhältnisse.
Inzwischen haben Wenige derart viel Kapital akkumuliert, dass sie nicht mehr wissen wohin damit. Alles kann gekauft werden, zuvorderst Einfluss in der Politik. Wer da eine gepflegte Debattenkultur fordert, ist schon längst eingewickelt und hat die Sprache derer übernommen, die uns ihre Realität als die der "westlichen Wertegemeinschaft" täglich überstülpen.
Der Chef-Rhetor der Süddeutschen Zeitung, Prantl, sagte zu dem Friedrichs-Zitat:
>>Dieser Satz ziert die Anzeigen, mit denen ein Journalistenpreis ausgeschrieben wird – und er ist trotzdem falsch. Er ist falsch, wenn er so verstanden würde, dass einem Journalisten nichts und niemand angelegen sein soll.<<
Im Übrigen hat Friedrichs dieses Zitat, so wie es öffentlich interpretiert wird, nie gesagt. Cordt Schnippen, der in einem Interview dieses Friedrichs-Wort in einen Text übernahm, sagte:
>>Ich bin Transporteur dieses Zitats, weil ich damals am Sterbebett von Hanns Joachim Friedrichs diesen Satz gehört und nachgefragt habe. Er hat es eingegrenzt in einem sehr politischen, parteipolitischen Sinne: Also, wenn die SPD das Ehegattensplitting abschafft und ich als Moderator einer öffentl-rechtlichen Newssendung finde es gut, dann darf mir der Zuschauer das nicht anmerken. Daraus zu machen, dass ein Journalist quasi ein haltungsloser, emotionsloser Journalist sein sollte, dem man seine Haltung nicht anmerkt, ist eine Pervertierung. Und HJF gegen eine Solidaritätserklärung für DY zu instrumentalisieren, darauf kann nur kommen, wer nicht weiß, wer er war. Ist übrigens ein dämlicher Fehler von mir, die Konkretisierung dieses Satzes damals im Spiegel nicht abgedruckt zu haben.<<
Deshalb halte ich es für blauäugig, wenn der Blogautor von einer
"Pflege der Debattenkultur" schwadroniert, "im Sinne einer Pluralität, der tatsächlich im Volk vertretenen Meinungen." Der Ministerpräsident und evtl. künftige Kanzler Laschet hat das Zitat missbraucht. Niemand wird ihm dafür an den Karren fahren. Nicht mal das Medium, das ihm die Spalten öffnete, hat Einwände. Statt den Politiker kritisch mit Distanz zu beobachten, bietet es ihm eine Plattform, seine Halbgarheiten ins "Volk" zu streuen.
Ja, und das Öffentlich-Rechtliche, die ARD, bot ihm Gelegenheit im sonntäglichen Tatort in der Rolle als Ministerpräsident aufzutreten: beste Sendezeit, beste Zuschauerquoten. Da ist längst zusammengewachsen, was zusammengehört.
Das die Macht ungleich verteilt ist stimmt. Übrigens immer und wenn eines fernen Tages die Macht fast vollständig egalisiert wurde, dann wird es immer noch die Ungleichverteilung von Talent, Leidenschaft und rhetorischen Fähigkeiten geben. Der Einwand des Machtungleichgewichts und Hinweis auf die einseitige Verteilung von Vermögen taugt also nur als einer gegen diese Verhältnisse, kaum aber gegen die Forderung nach Debatten, die den Pluralismus abbilden.
Das Zitat passt überhaupt nicht. Unabhängig davon, ob man die Intention teilt oder nicht. Laschet möchte, dass sich er öffentlich-rechtliche Rundfunk gemein macht, mit seiner Idee von Harmonie im Volk. Jedenfalls sieht er legitime Grenzen von Kritik, wenn der Generationenkampf nicht durch die JU angeführt wird. Der Bundesvorsitzende der Jungen Union (JU),hatte 2003 verlangt, die Leistungen der gesetzlichen Renten- und Krankenversicherung müssten auf eine reine Grundversorgung zurückgeschnitten werden und z.B. künstliche Hüftgelenke für sehr alte Menschen sollten nicht mehr von der Solidargemeinschaft finanziert werden. Im Übrigen meint der Satz, wenn man ihn nicht als Zitat betrachtet, sondern als Position der Zitierenden i.d.R., dass Journalisten ihr Handwerk mit sowenig Gesinnung wie es gerade nocht geht betreiben mögen, also um Objektivität bemüht sein sollten.
Die "Forderung nach Debatten, die den Pluralismus abbilden", ist nur dazu geeignet, das Bestehende, also auch das Machtungleichgewicht, zu erhalten. Welcher Pluralismus soll denn abgebildet werden? AFD, NPD, FDP...? Wer alles gleichwertig machen will, um einem vermeintlichen Pluralismus gerecht zu werden, lässt die Machtfrage und die Frage nach der Moralität und Ethik bestimmter Haltungen außen vor. Der Forderung "Nie wieder Faschismus!!!" kann kein Pluralismus entgegengehalten werden. Sie ist durchzusetzen.
Die Diskursethik von Habermas und Apel, die auf Konsens aller an der Kommunikation Beteiligten setzt, sich auf "vernünftige" Argumente in fairem Umgang miteinander einzulassen, ist und bleibt eine Theorie aus dem Elfenbeinturm der Philosophen. In der realen Welt kann sie nicht bestehen. Donald Trump beweist das täglich.
"Die "Forderung nach Debatten, die den Pluralismus abbilden", ist nur dazu geeignet, das Bestehende, also auch das Machtungleichgewicht, zu erhalten".
Mag sein, dann wäre die Forderung nach mehr Platz für die an Macht zu wenig Beteiligten zwar richtig, ließe sich aber bei dem bestehendem Machtungleichgewicht wohl kaum durchsetzen."Welcher Pluralismus soll denn abgebildet werden? AFD, NPD, FDP...? Wer alles gleichwertig machen will, um einem vermeintlichen Pluralismus gerecht zu werden, lässt die Machtfrage und die Frage nach der Moralität und Ethik bestimmter Haltungen außen vor."
Das stimmt. Aber auch Moral und Ethik sind abgeleitete Größen. Außerdem kann die herrschende Moral immer nur die Moral der Herrschenden sein. Wer sich auf die Idee einläßt, dass es Zensur für die gute Sache geben können muss, sollte dann nicht im gleichen Moment vergessen, dass darüber auch nur "das Bestehende, also auch das Machtungleichgewicht, zu erhalten" ist.Es ist nämlich am Ende nur ein Taschenspielertrick, die Forderung nach freier Rede mit dem Machtzustand zu konfrontieren, weil da aktiv etwas gefordert wird, was dem bestehendem Verhältnis nützlich sein könnte, wenn man mit seinen Zensurvorstellungen letztendlich genau den Nützlichkeitserwägungen herrschender Kreise den Dienst tut, aus der Pose gesellschaftlicher Machtlosigkeit für den Einsatz der Macht zugunsten der richtigen Moral und Ethik zu votieren. Wer wird hierüber wohl letztinstanzlich entscheiden, welche moralischen Vorstellungen, sich gegen welche Meinung in der Exekution der Zensur durchsetzen werden?