Die Umweltsau und der gute Mann aus NRW

Fridays for Future Der nette Onkel Laschet möchte uns mit feilgebotener Zensur-Schokolade geneigt machen ihm zu folgen und der ungeduldigen Jugend Anstand abzufordern. Ein Kommentar

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Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet bei einem Auftritt anlässlich der Schließung der Zeche Prosper-Haniel
Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet bei einem Auftritt anlässlich der Schließung der Zeche Prosper-Haniel

Foto: Thomas Lohnes/Getty Images

Armin Laschet gehörte zu den Ersten, die sich zur Modifikation des Liedes „Meine Oma fährt im Hühnerstall Motorrad“ äußerten, indem er seine Empörung zum Ausdruck brachte und seine Idee, es seien hier „Grenzen des Stil und des Respekts gegenüber den Älteren überschritten“, zum eigentlichen Inhalt gemacht hatte.

Nun macht er weiter und Die Zeit bietet sich hierfür als Plattform an. Weil er und seine Empörungskolleg:innen sich zu den Aktivist:innen für effektiven Klimaschutz inhaltlich nicht ernsthaft äußern können, greifen sie nach jedem Strohhalm. War es vordem das Schulschwänzen, was angeblich den Protest delegitimieren sollte, ist es nun der vorgebliche Generationenkonflikt, den Klimaaktivist:innen angeblich schüren. So fragt Laschet rhetorisch: „Warum nur kann man nicht für Klimaschutz eintreten, ohne daraus einen Generationenkonflikt zu konstruieren?“ Sodann bezieht er sich instrumentell auf die Generation die früher gegen Atomkraft und für Windenergie gekämpft hat und negativ auf „große Teile der Jugend die Hauptstädte Europas erfliegen, Filme auf ihren Smartphones mit hohem CO-Verbrauch streamen und einen Luxus leben, von dem ihre Großeltern nur geträumt hätten“.

Nun weiß man auch, wer hier den Generationenkonflikt will. Laschet wirft der Jugend in großen Teilen ernsthaft vor, dass sie sich gemäß der herrschenden Wirtschaftsweise verhält, für die sie kaum Verantwortung tragen dürfte. Im Übrigen versucht er den Unterschied der Produktivkraft- und Produktentwicklung zum Argument gegen die Jüngeren zu formen, um just das eigene Handeln in seiner abstrakten Beschreibung den Jüngeren zuzurechnen und als Flanke zum Torschuss für die Rechte zu brandmarken: „Wer politischen Diskurs als Konfrontation eskaliert, spielt ungewollt denen in die Hände, die unsere Gesellschaft ohnehin spalten wollen“.

Nach diesem Ausbund an Heuchelei, plädiert der Landesvorsteher von NRW für Fairness in Wort und Tat und mahnt daher einen „starken öffentlich-rechtlichen Rundfunk“ an und meint selbstverständlich das genaue Gegenteil. Nämlich: „Und erst recht sollten Kinder Respekt vor Großeltern lernen. Das ist nicht rechts. Das ist eine zivilisatorische Errungenschaft in allen Kulturen“.

Man könnte jetzt etwas dazu sagen, warum es in Deutschland bisweilen an dieser zivilisatorischen Errungenschaft hapern musste. Das soll nicht geschehen und hätte sich thematisch schon angeboten, als Laschet das Erfliegen europäischer Hauptstädte durch die heutige Jugend kritisch in den Fokus nahm. Auch da hätte eine Anmerkung zu den früheren Generationen und ihren Besuchen dort nahegelegen, nur geht es darum nicht. Vielmehr geht es um eine ganz simple Tatsache und die ist unbestreitbar: Die Jüngsten der Gesellschaft, werden am massivsten den Klimawandel und seine negativen Auswirkungen erleben und haben daher legitimer Weise das größte Interesse, an einer Veränderung der bestehenden Verhältnisse, in Richtung auf eine massive Reduktion bei Gasen mit Treibhauswirkung.

Hieraus resultiert kein Generationenkonflikt, weil auch die Älteren unter uns nicht wollen, dass der Planet sich in einigen Hundert Jahren von der Menschheit emanzipiert, aber im Zweifel können wir es doch entspannter sehen. Das ist zu akzeptieren und damit auch die höhere individuelle Betroffenheit von heute 16 Jährigen.

Wer - wie Laschet - aus harmlosen Trällereien eine Absicht destilliert, die auf das Lied projiziert werden muss, um nachvollziehbar zu erscheinen und der anschließend genau den Generationenkampf betreibt, den er zuvor bedauernd konstatierte, will keinen rationalen Diskurs, sondern Tabubereiche in der Politik und der veröffentlichten Meinung, die es Bewegungen wie Fridays for Future erschweren soll, gehört zu werden.Deswegen ist der Bezug von Laschet auf Hanns Joachim Friedrichs auch völlig unangebracht: "Distanz halten, sich nicht gemeinmachen mit einer Sache, auch nicht mit einer guten, nicht in öffentliche Betroffenheit versinken (...) Nur so schaffst du es, dass die Zuschauer dir vertrauen (...)."

Wer im Zusammenhang mit einer existentiellen Frage wie der Klimapolitik, als Synonym für die Begrenzung des Temperaturanstiegs auf den Planeten, einen starken öffentlichen Rundfunk fordert, „der den Zusammenhalt dient, wie es seinem Auftrag entspricht“, der tarnt seine Absicht, demThema Klimawandel seine aus sich heraus polarisierende Wirkung zu nehmen, nicht mehr, sondern erklärt die Harmonie im Volk zum vornehmsten Auftrag des öffentlich rechtlichen Rundfunks.

Nun mag der eine oder die andere einwenden, dass das Lied doch wirklich blöd sei und die ältere Generation unter den Generalverdacht umweltschädlichen Treibens stellt. Mag sein, dass man das so sehen will. Man kann es auch für nebbich oder einfach nur doof oder für eine gelungene Neufassung halten. Es bleibt aber ein Lied. Kaum böser, blöder oder klüger als das Original und nicht wert, auch nur eine Sekunde lang über es zu debattieren. Wohl aber über diejenigen, die so etwas zum Anlass nehmen, „dringend einen starken öffentlich-rechtlichen Rundfunk“ zu fordern.

Wir brauchen nicht verbindliche Standards über das sag- und singbare, sondern wenn schon Pflege der Debattenkultur, dann im Sinne einer Pluralität, der tatsächlich im Volk vertretenen Meinungen. Das ist hart und die geäußerten Meinungen bisweilen schwer zu ertragen. Aber das gilt für alle Seiten.

Wer etwas lernen möchte, der sollte versuchen zu begreifen, dass das Aushalten von unerträglichen Meinungen zum 1 x 1 der Demokratie gehört.

Meinungsfreiheit ist immer und zuvörderst das Recht auf eine falsche Meinung und ihrer Artikulation im öffentlichen Raum. Dagegen gibt es keine guten Gründe, sondern bestenfalls gute Absichten.

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