Ein-Euro-Top

Ein-Euro Job Kann man sich etwas Langweiligeres als eine weitere Studie zu „Ein-Euro-Jobs“ vorstellen? Eigentlich nicht. Die am 22. Mai vorgestellte Studie ist anders.

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Endstation Arbeitsgelegenheit!? Teilhabeperspektiven in „„Ein-Euro-Jobs“ - Die Sicht der Betroffenen“. Dieser Titel ist bereits ungewöhnlich. Gemeinhin werden solche Studien mit neutral klingenden Titeln gelabelt.

Dass eine Studie die Sicht von „Ein-Euro-Jobbern“ zur Ausgangsbasis ihrer Untersuchungen macht, ist zumindest ungewöhnlich. Tatsächlich ist diese Studie völlig anders, als die gemeinhin vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (iab) verfertigten Expertisen zum gleichen Thema. Während dort in der Regel mit erheblichen Aufwand zwei Fragen untersucht werden, nämlich: gibt es einen lock-in-Effekt (Einsperreffekt in die Langzeitarbeitslosigkeit) oder werden die Beschäftigungschancen erhöht, geht diese Studie einen anderen Weg.

Dadurch, dass sie auf die Voraussetzungen hinweist, um überhaupt in einen „Ein-Euro-Job“ zu kommen, destruiert sie den Ansatz der anderen Studie bereits nachhaltig.

Der Einsatz in „Ein-Euro-Jobs“ ist nämlich „immer nachrangig gegenüber Vermittlung in Arbeit oder Ausbildung, Qualifi-zierung und anderen Eingliederungsinstrumenten“. Mit anderen Worten, kein Mensch glaubt, dass diese Leute in normale Arbeit zu vermitteln wären.

Während also die Nichtvermittelbarkeit Voraussetzung für die Teilnahme ist, soll die spätere Vermittlung den Erfolg der Maßnahme dokumentieren. Dies macht man gemeinhin durch die Bildung von Vergleichsgruppen und stellt dann fest, ob es Signifikanzen in Hinblick auf die Vermittlung gab.

Seit Jahrzehnten wird dieser Ansatz verfolgt und die Ergebnisse waren im Wesentlichen immer gleich.

Außer bei den Männern im Osten, war bei den drei anderen Gruppen (Frauen/Ost, Männer und Frauen/West) immer ein leicht positiver Effekt festzustellen. Allerdings war „der mittelfristige Teilnahmeeffekt in Westdeutschland umso geringer, je kürzer die Teilnahmedauer ist“ (Wolff/Hohmeyer, iab-Kurzbericht 4/2010, S.6). .

Dieser Hinweis wurde dann im Juli 2011 kreativ aufgenommen. In einer Studie mit dem schön wissenschaftlich klingenden Titel: „Evaluation von Beschäftigung schaffenden Maßnahmen nach § 16d und 16e SGB II in Hamburg“, an der auch das iab beteiligt war, wurde festgestellt: “Ein-Euro-Jobs" befördern den Übergang in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung nicht und behindern diesen sogar, was dann, veranlasst durch den Hamburger SPD-Senat, zur Kürzung von 2.500 dieser Stellen in Hamburg führte.

Dies war aber keine Hamburgensie, bundesweit wurden die Stellen für „Ein-Euro-Jobber" eingedampft. Gerne auch mit dem Verweis auf die stark abnehmende Arbeitslosigkeit.

Das diese Abnahme aber gar nicht das Segment der Langzeitarbeitslosen betrifft, weisen die Autoren der Studie ebenso nach, wie die Irreführung in Bezug auf das Ausmaß der Langzeitarbeitslosigkeit: „Knapp 75 Prozent (ca. drei Millionen) aller erwerbsfähigen Leistungsberechtigten beziehen länger als zwölf Monate Arbeitslosengeld II und 25 Prozent (ca. eine Million) sind seit Einführung der Grundsicherung 2005 im Leistungsbezug“. Demgegenüber weist die die offizielle Statistik der Bundesagentur für Arbeit nur knapp eine Million Menschen als Langzeitarbeitslose aus.

Dadurch, dass die Studie die „Ein-Euro-Jobber" in den Mittelpunkt wissenschaftlicher Betrachtung stellt, wird die ganze Absurdität kurzfristiger Betrachtungen des Vermittlungserfolges deutlich. Dabei stellen die Autoren gar nicht infrage, dass die Integration in echte Erwerbsarbeit ein wünschenswertes Ziel wäre, sie weisen aber nach, dass dies in den veranschlagten Zeiträumen fast nie erreicht wird.

Weil zugleich auf die zahlreichen Wunden hingewiesen wird, die ein Langzeitarbeitsloser auf seinen Weg in diesen bedauernswerten Zustand erleiden muss, wird ein ganz anderer Handlungsbedarf deutlich. So kommen die Autoren zum Ergebnis, dass „der Wegfall der starren Befristungsregelungen und eine an den individuellen Bedarfen ausgerichtete Beschäftigungsförderung (mit) dauerhafte(r) soziale Teilhabe“ notwendig wäre. „Denn die Analyse der Erwerbsverläufe im Anschluss an die geförderte Beschäftigung zeigt auch, dass diese Gruppe mit großer Wahrscheinlichkeit ansonsten keine Chancen auf dem regulären Arbeitsmarkt mehr hat“.

Dem Leser der Kurzfassung der Studie erschließt sich schnell die völlige Unsinnigkeit einer, einerseits individualisierten Betrachtung der Vermittlungserfolge, bei andererseits völliger Ignoranz gegenüber dem Bedürfnissen des Individuums, durch das System der Arbeitsförderung.

Betrachte ich den oben angeführten Befund des iab, der nicht signifikanten Wirkung von „Ein-Euro-Jobs" bei ostdeutschen Männern im Gegensatz zu allen anderen Gruppen, sowohl mit der Haltung der Autoren der iab- und dieser Studie, so ergibt sich Folgendes:

Bei individualisierter Betrachtung schaffen es die „Ein-Euro-Jobs“ nicht, den ostdeutschen Langzeitarbeitslosen so zu pushen, dass er die Drehtür zum Arbeitsmarkt vor seinem, langzeitarbeitslosen Leidensgenossen ohne „Ein-Euro-Job“ passiert.

Setze ich in meiner Betrachtung hinter der Drehtür an, so beschäftige ich mich mit der Nachfrage nach Arbeitskraft aus der Zielgruppe der Langzeitarbeitslosen und sobald ich das tue, stelle ich fest, dass weder der „Ein-Euro-Job“, noch die Nichtteilnahme an einer solchen Maßnahme im Osten zu einem regulären Job führen.

Im Übrigen kann man sich natürlich die Frage stellen, was denn wäre, gäbe es generell einen messbaren und statistisch signifikanten Effekt besserer Vermittlung bei der Gruppe der Nicht-Ein-Euro-Jobber?

Man kann wohl einigermaßen sicher sein, dass es solche Phänomäne lokal gibt und man darf erwarten, dass eine genaue Betrachtung solcher Phänomäne zweierlei hervorbringt. Auf der Nachfrageseite erbärmliche Jobs, mit schlechter Bezahlung und auf der anderen Seite vergleichsweise als angenehm empfundene Tätigkeiten im Bereich des "Ein-Euro-Jobs".

Diese Qualität des "Ein-Euro-Jobs" ist es auch, die bei kurzfristiger Messung relativ flächendeckend eine Verschlechterung der Vermittlungsquote mit der Vergleichsgruppe der nichttätigen Langzeitarbeitslosen bewirkt. Wer erstmals wieder die Erfahrung macht, mit all' seinen Ecken und Kanten als Mensch akzeptiert zu werden, hat nicht den Impuls diese Situation so schnell wie möglich hinter sich zu lassen. Dieser stellt sich erst später ein. Allerdings sind die Aussichten, tatsächlich aus der Langzeitarbeitslosigkeit heraus zu kommen, alles andere als rosig. Und dass nicht nur im Osten. In der Hamburger Studie aus 2011 wird ganz nebenbei nämlich auch festgestellt: „Gleichzeitig lässt sich aber auch beobachten, dass ein Anstieg der Abgangsrate aus dem SGB II den Zugang in beide Rechtskreise systematisch erhöht. Dies deutet auf „Drehtüreffekte“ hin, die auf eine geringe Nachhaltigkeit der Integration bei einem Teil der Beschäftigten hinweisen dürfte” (Ebenda, S.162).

Das Angenehme an der nun vorgelegten Studie ist, dass sie die wesentlichen Ergebnisse nicht auf den letzten Seiten versteckt, sondern konsequent zum Hauptgegenstand der Beschäftigung macht. Die Tatsache, dass es in keinem entwickelten Industrieland eine verfestigtere Langzeitarbeitslosigkeit als bei uns gibt, nehmen die Autoren zum Anlass, aufzuzeigen, dass es in Anlehnung an das Motto der Bremer Stadtmusikanten, etwas Besseres, als nur jahrelang arbeitslos zu Hause rum zu sitzen sogar in einem viel zu kurz andauernden „Ein-Euro-Job“ gibt.

Mehr als das kleinere Übel ist der "Ein-Euro-Job" sicherlich nicht aber auch nicht weniger. Ausgerechnet hier wurde aber letztes Jahr das Gesetzt so geändert, dass Langzeitarbeitslose nur noch maximal zwei Jahre innerhalb von fünf Jahren in einer solchen Maßnahme arbeiten dürfen. Die Studie vermittelt ein Gefühl dafür, was dies für die Betroffenen bedeutet.

Ausgeschlossensein von einem Leben, dass ihnen lebenswert erscheint. Verdammt zur Nichttätigkeit und von der Gesellschaft nicht einmal verachtet, sondern einfach nicht wahrgenommen.

Endstation Arbeitsgelegenheit!? Teilhabeperspektiven in „Ein-Euro-Jobs“. Die Sicht der Betroffenen.Tim Obermeier, Kathrin Schultheis und Stefan Sell. Koblenz 2013

http://www.rheinahrcampus.de/fileadmin/institute/ibus/Aktuelles/IST-Studie_ibus_end.pdf

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden