Fahndungspanne der Sprachpolizei

Unwort des Jahres Prof. Dr. Nina Janich Sprecherin der Jury, die Titanic exakt vor 20 Jahren als „die blinden Hühner von der Mainmündung“ bezeichnete,

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als die Verkündung noch Prof. Schlosser aus FFM vornahm, hat die Wahl des 29. „Unworts des Jahres“ u.a. damit begründet, dass mit „dem Wort ‚Klimahysterie‘ (..) Klimaschutzbemühungen und die Klimaschutzbewegung diffamiert (werden) und wichtige Debatten zum Klimaschutz diskreditiert“ würden.

Sie finden er „pathologisiert pauschal das zunehmende Engagement für den Klimaschutz als eine Art kollektiver Psychose“ und „(v)or dem Hintergrund wissenschaftlicher Erkenntnisse zum Klimawandel ist das Wort zudem irreführend und stützt in unverantwortlicher Weise wissenschaftsfeindliche Tendenzen“. Man erfährt, dass der Ausdruck „Klimahysterie“ 9x eingesandt wurde.

Die größten Momente der Geistesgrößen und Sprachwissenschaftler:innen Prof. Dr. Nina Janich/ (TU Darmstadt), Prof. Dr. Kersten Sven Roth (Universität Magdeburg), Prof. Dr. Jürgen Schiewe (Universität Greifswald) und Prof. Dr. Martin Wengeler (Universität Trier) und des Autors und freien Journalisten Stephan Hebel sind also schon wieder vorbei und die Welt über das deutsche Unwort des Jahres belehrt.

Knapp daneben ist auch vorbei

Hätte sich die professorale Anballung des Wortes Kern zugewandt, hätte sie womöglich feststellen können, dass dieses aller Kritik wert ist und unabhängig von der Anzahl an Einsender:innen der Betrachtung und der Bundesacht wert gewesen wäre. Das Wort leitet sich nämlich aus dem griechischen Wort für Gebärmutter (Hystĕra) ab, was zumindest Prof. Dr. Nina Janich, als einzigem richtigen Huhn der blinden Hühner (von der Mainmündung) insofern bekannt sein könnte, weil die Hysteralgie, als Bezeichnung für Gebärmutterschmerz ein schmerzhaftes Ausrufezeichen hinter diese Kausalität setzt.

Im heißen Bemühen, die Auswahl der zur Fahndung auszuschreibenden Begriffe auf die Dumpfbeutel vom rechten Rand zu konzentrieren, gelingt es der Darmstädter Sprachpolizei, ausgerechnet den Begriff der Hysterie zu exkulpieren. Scheinbar wird dessen Gebrauch erst durch die Kombination mit dem „Klima“ problematisch.

Wieder einmal merkt man es der Jury nicht an, dass sie sich aus Sprachwissenschaftler- und Handwerker:innen der Sprache gebildet hat, denn während dem Wort Hysterie tatsächlich die Frauenfeindlichkeit aus jeder Wortpore tropft, und mit ihm Frauen generell diskriminiert werden, verhält es sich mit der Wortkombination „Klimahysterie“ nicht so, dass „Klimaschutzbemühungen und die Klimaschutzbewegung diffamiert“ werden, sondern dies realisiert sich erst durch eine bestimmte Kontextualisierung.

Erst wenn Leugner:innen des menschengemachten Anstiegs der durchschnittlichen Temperatur des Planeten und wissenschaftsbasierte Aussagen und Ableitungen hieraus als „klimahysterisch“ bezeichnet werden, passt der Darmstädter Schuh. Ansonsten gibt es selbstverständlich das Phänomen der „Klimahysterie“, das besser als Klimaexaltiertheit bezeichnet würde und das angesichts der drohenden Folgen eines ungebremsten Ausstoßes von Treibhausgasen wie CO2 nahezu unvermeidbar ist.

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