Gefängnis statt Altersheim II

Fortsetzung: Im ersten Teil ging es um den Wahnsinn eine obdachlose Greisin einzusperren. Jetzt ist sie wieder `raus aber der Wahnsinn hört nicht auf.

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Wolf-Tilmann Baumert, Jahrgang 1965, Oberstaatsanwalt in Wuppertal und seit 14 Jahren bei der dortigen Staatsanwaltschaft beschäftigt, davon die letzten drei Jahre als Pressesprecher, hätte allen Grund zur Freude: Die Bild-Zeitung löste die 86jährige Greisin aus der Haft aus, in die sie wegen Schwarzfahrens gekommen war, indem sie ihre Schulden bei der Justizkasse beglich.

Seine Einlassung: „Eigentlich ist das nicht der Sinn der Sache. Auch wenn sie einem leid tut – sie hat ihre Tat begangen“, drückt genau dieses Übermaß an vermeintlicher Staatsverinnerlichung aus, das einem Angst macht.

Wenn ich im ersten Teil des Artikels doch recht vehement für die Benutzung des eigenen Kopfes eintrat, dann meinte ich genau das Gegenteil dieser hier vorliegenden Ermessensüberdehnung.

Zwar transformiert sich die Idee: die Bezahlung einer Geldstrafe, sei nicht Zweck der Übung, sondern ihr Absitzen in der JVA sei „Sinn der Sache“, jetzt nicht mehr in materielle Gewalt aber was heißt das schon?

Der Mann, der solches dachte bleibt weiterhin eine respektierte und geachtete Person der nordrhein-westfälischen Justiz. Er und alle die so denken, finden ihre Ermessensspielräume durch die abwegige Antizipierung einer Vorstellung von staatlicher Normdurchsetzung, die den Einzelfall ausschließlich über das Prinzipielle erfasst und ihn sich unterordnet. Ein Denken, dass einmal durch einen ehemaligen Landesvater in Baden-Württemberg zu trauriger Berühmtheit gelangte. Das Denken nämlich, dass der Normdurchsetzung immer und egal wie die Umstände sein mögen der Vorang gebührt. Eine Gleichsetzung verbietet sich, die historischen Umstände waren auch gänzlich andere! Außerdem geht es hier ja tatsächlich auch nicht um die Durchsetzung einer Norm, sondern um die recht eigenwillige Interpretation derselben und trotzdem machen mir Staatsdiener Angst, die ihre Gedanken in eine Richtung bewegen, in der die abstrakte Staatsräson die Hauptrolle zu spielen scheint.

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