Geh’n mer Tauben vergiften im Park

Antisemitismus? Es gibt genug gute Gründe, antisemitischen Tendenzen entschieden entgegenzutreten und es gibt gerade deswegen ebenso gute Gründe, die Freiheit der Kritik zu verteidigen.

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Wenn in der Stuttgarter Zeitung vom 5. August eine Karikatur erscheint, in der Netanjahu in Anlehnung an Georg Kreisler, auf einer Parkbank sitzend, Nahost-Friedenstauben mit „Siedlungsbau“ vergiftet, dann kann man das für miss- oder gelungen halten. Antisemitismus ist es nicht und wird es auch nicht dadurch, dass sowohl die israelische Botschaft, wie auch das American Jewish Committee sich protestierend an die Stuttgarter Zeitung gewandt haben.

Auch Sandra Kreisler, die Tochter des Wiener Kabarettisten ist schockiert: „Meine Nachricht an diese Arschlöche (sic), per Leserbrief: "Bezüglich Ihrer Luff- Karikatur, die mir zugetragen wurde, möchte ich hiermit aufs SCHÄRFSTE protestieren! Wie kann man nur eine Zeichnung veröffentlichen, die den Namen und die Arbeit meines Vaters in Zusammenhang mit einer Meinung stellt, die erstens deutlich NICHT die seine war, zweitens KEINERLEI Verbindung mit dem zitierten Lied hat und drittens rein inhaltlich ebenso antisemitisch wie inhaltlich falsch ist. Ich erwarte eine Klarstellung dergestalt, dass Georg Kreisler niemals eine derartige Meinung geäussert (sic) hat, und eine öffentliche Entschuldigung des Karikaturisten.
Es ist eine Schande, derart auf dem Grabe meines Vaters zu tanzen
“, schreibt sie auf ihrer Facebook-Seite.

Das ist nun wirklich Quatsch. JedeR kann sich des Liedes bedienen, für das die Autorenschaft auch keineswegs so fest steht, wie von Sandra Kreisler angenommen. Georg Kreisler selbst schrieb zu dem Lied Taubenvergiften, in dem Buch „Die Alten Bösen Lieder“ (Wien 1989): „Ich möchte aber keineswegs behaupten, daß (sic)Lehrer, das betreffende Lied von mir gestohlen hat, denn dann wäre ich ja nicht klüger als er. Viele Varianten sind möglich. Vielleicht hat jemand mein Lied gehört und ihm die Idee vorgeschlagen, ohne meinen Namen zu nennen. Ebensogut (sic) ist es möglich, daß wir unabhängig voneinander auf dieselbe Idee kamen...“ Kreisler spielt hier auf das Lied: „Poisoning Pigeons in the Park“ von Tom Lehrer an.

Hiervon ganz unabhängig, darf man natürlich den Inhalt des Liedes verfremden, in sein Gegenteil verkehren usw. Der Autor der Jüdischen Allgemeinen, Philipp Peyman Engel geht dabei noch einen Schritt weiter. Er schreibt: „ Das Lied des 1938 in die USA geflüchteten Komponisten lässt sich als eine Parabel auf die Massenmorde der Nazis an den Juden lesen“. Das ist nun allerdings noch größerer Unfug. Hören wir wieder Georg Kreisler, der da, wo im obigen Zitat drei Punkte stehen, weiter ausführte: „denn die Taubenplage war damals ein aktuelles Thema, und der Vorschlag, Tauben in den Großstädten zu reduzieren, stand jahrelang in allen Zeitungen“ (ebenda).

Der Vorwurf des Antisemitismus gegen Kritiker Israels oder Netanjahu erhoben, weil diese einseitig, also nicht ausgewogen karikieren ist albern. Zu behaupten, dies vergifte die öffentliche Meinung, ist kühn. Eher ist es umgekehrt. „Sie haben sich entschuldigt. Wortreich. Sowohl der Zeichner als auch die Redaktion in Person eines Herrn Maurer“, schreibt Sandra Kreisler auf Facebook. Man fragt sich, wofür?

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