Grünes Weltkind in der Mitten

Muss nur mal kurz die... Wieder einmal hat ein taz-Journalist die Rettung der Welt erfunden. Diesmal Peter Unfried. Inspiriert haben ihn die Präsidentenwahlen in Österreich.

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In der Kolumne „Das neue grüne Wir“ von Peter Unfried geht es - das zeigt auch schon die Überschrift, am allerwenigsten um die Wahlen in Österreich. Dann käme man nämlich schnell auf die Anomalie der Angelegenheit und damit die Besonderheiten, die immer dann bestehen, wenn eine Partei, die im Kern ein Sechstel der Wahlberechtigten repräsentieren könnte den Kandidaten stellt, der eine Mehrheit holen muss.
Unfried geht es um etwas anderes. Eben noch ängstlich, dass der Kandidat der ÖFP obsiegen und damit alsbald dem Brexit der Exit Österreichs aus der EU folgen könnte, ist er mit der Ergebnisrealisierung erst mutig und nun kühn geworden. Und so glaubt er nun, man könne das Ergebnis verallgemeinern. Zuerst allerdings will er erst einmal die richtige Lehre aus diesem Triumph grün über braun - er nennt es nicht so - ziehen:
Man soll die Zuordnungen - im gleichen Zusammenhang spricht man auch gerne von „Gesäßgeografie“ - von rechts und links überwinden und die Allianz gegen die offene Gesellschaft und die Möglichkeit einer guten Zukunft schmieden.
Unfried hält diese Aufgabe für historisch und er denkt, dass es die Grünen sein sollten, die sie schultern. „Diesen Job müssen nicht die Grünen übernehmen. Es böte sich halt an“, formuliert er fast hanseatisch kühl und meint damit: wer, wenn nicht die Grünen?
Nur begreifen müssen sie es halt:
Die Kraft eines progressiven Spitzenpolitikers bemisst sich nicht an der Radikalität seiner Positionen. Sie bemisst sich daran, ein Wir schaffen zu können, das über die Partei hinausweist“.
So manchem einfältigen Grünen wird dies aus der Seele sprechen und nicht wenigen, am Rand stehenden, interessierten Beobachtern außerhalb der Grünen, wird es schwer einleuchten.
Zwar geht es nicht um Harmagedon - also die letzte entscheidende Schlacht - die Schlacht der Schlachten, aber doch um nichts Geringeres, als die Verteidigung der offenen, liberalen und europäisch - EU - eingebundenen Gesellschaft gegen ihre Feinde.
Da ist ja etwas dran. Tatsächlich ist diese Gesellschaft gefährdet. Es fragt sich nur durch wen? Sind es tatsächlich die sog. Rechtspopulisten in Europa, die dieses Gesellschaften gefährden? Oder könnte es vielleicht sein, dass dem Offensichtlichen etwas vorausging, dass diesen Parteien - mit dem Geschäftsmodell des Ressentiment - das Feld bereitet hat?
Die Beantwortung ist insofern wichtig, weil man sonst zu falschen bis sehr falschen Bündniskonstellationen gelangen könnte, die am Ende das selbstgesteckte Ziel, eine liberale Gesellschaft erhalten zu wollen, sehr infrage stellen könnten.
In Deutschland haben wir Hartz IV, keine Mindestrente, einen Mindestlohn der einen Rentenanspruch weit unterhalb der Sozialhilfe begründet und wir haben die Rettung von Banken und Reedereien in Milliardenhöhe. Statt die Transferunion - in Abkehr vom Vertrag von Maastricht - als Sozial- und Steuerunion zu entwickeln, haben wir deutlich gemacht, dass auch Europa- am Ende nur Standortpolitik ist.
Das Problem ist also eher, dass längst ein „Wir“ geschaffen wurde, dass über Parteigrenzen hinausweist. Das "Wir" der Partizipateure und solchen, die es werden wollen, gegen das der Habenichtse und solchen, die Angst vor diesem Schicksal haben. Letztere sind entscheidend.
Verwundert reibt man sich die Augen und fragt sich, warum die Linken und linke Parteien nicht vor Kraft kaum laufen können, sondern eher aus Schwäche auf der Stelle trippeln?
Wahrscheinlich tun sie dies, weil sie nicht in der Lage sind, eine konsistente liberale und weltoffene Politik, mit einer Sozialpolitik zu kombinieren, die die Zielgruppe der tatsächlichen und eingebildeten Modernisierungsverlierer mitzunehmen versteht.
Wer sich von seiner eigenen Basis abwendet, weil diese zurecht beklagt, dass ihre Interessen nicht vertreten werden und zu Unrecht dafür noch Schwächere verantwortlich macht, der bereitet überhaupt erst das Feld, auf dem rechte Effekthascher ihre Saat erfolgreich verstreuen können.
Deswegen darf man auch nicht von den Begriffen "links" und "rechts" lassen. Es ist keine „überkommene Zuordnung“, sondern es ist falsche Politik oder ein falsches Verständnis von ihr, wenn man glaubt, die heutige Zeit sei nicht mehr geprägt vom Gegensatz zwischen Kapital und Arbeit.
Zwar ist dieser Antagonismus mit der weitgehenden Ersetzung des Menschen - in der industrieller Produktion - durch die Maschine, komplizierter geworden, aber im Kern prägt er jeden Konflikt, den wir haben. Wichtiger noch: durch die Verschiebung des Verhältnisses zwischen menschlichen und maschinellen Anteilen in der Produktion, wird der Zwang zur Ausweitung der Produktion immer größer. Wenn der Gewinn je Produkt immer mehr abnimmt, dann hilft nur noch die Explosion der Stückzahlen.
Wer sich also als InteressenvertreterIn derer begreift, die über keine eigenen Produktionsmittel ausser sich selbst verfügen und sich zugleich als Hüterin der Umwelt begreift, der kann gar nichts anderes wollen, als linke Politik zu machen. Die Antagonisten sind diejenigen, die das "Weiterso" propagieren und dabei in unterschiedlichen Nuancen Reformen in Aussicht stellen.
Das heißt ja nicht, dass man in Situationen von „Hofer ante portas“ oder weil nach einem Super GAU ein Grüner eher zufällig Ministerpräsident wurde - auch einmal abweichend vom eigentlichen Politikkonzept - adäquat auf eine Situation reagiert, in die man geworfen wurde. Aber man sollte tunlichst nicht das Besondere zur Normalität verklären, denn dann wacht man schneller mit Kopfschmerzen auf, als man gucken kann oder man passt sich der neuen Realität an.
Letzteres propagiert Unfried. Er möchte, dass die Grünen mental noch mehr in der Mitte ankommen, um sich zur neuen zentrifugalen Kraft zu etablieren. Dabei soll „die überkommenen Zuordnungen rechts und links überwunden“ werden, allerdings mit dem Kunstgriff, der Kristallisationspunkt der „Allianz gegen rechts“ zu werden.
Was rein logisch etwas schräg aussieht, macht politisch durchaus Sinn. Bereits auf dem letzten Parteitag der Grünen, hat Winfried Kretschmann die Verteidigung der liberalen Demokratie in den Mittelpunkt einer Politik auf der Höhe der Zeit gestellt.
Gemeint ist aber etwas anderes. Es kann ja gar keine Frage sein, dass man im Zweifel auch mit der CSU die Freiheit gegen ihre Feinde verteidigt. Was Unfried und Kretschmann wollen ist etwas ganz anderes. Sie wollen, dass die Grünen sich programmatisch auf den Status quo, mit dem Anspruch auf zeitgemäße Anpassung an ökologische Notwendigkeiten positionieren und damit endgültig von linken Ideen emanzipieren, die sie auch schon - zumindest Kretschmann - für falsch hielten, als jener noch Mitglied des Kommunistischen Bundes Westdeutschland war und für Pol Pot schwärmte.
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