Kippt die Stimmung?

Migration Die CDU ist ausgezogen, sich unter Menschen muslimischen Glaubens diejenigen zu suchen die ihnen den Handschlag verweigern, um dann ein großes Geschrei zu beginnen.

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Dabei weiß doch jeder, dass man CDU-Politikerinnen nicht die Hand geben muss und auch deren Kontaktwünsche ignorieren darf. So sieht es jedenfalls Anne Spiegel, die sich hier per Pressemitteilung zu den aktuellen Äußerungen von Julia Klöckner zur Flüchtlingspolitik erklärt. Frau Spiegel ist die flüchtlingspolitische Sprecherin der grünen Landtagsfraktion in Rheinland Pfalz:

„Frau Klöckner schürt Ressentiments und gefährdet den Zusammenhalt in Rheinland-Pfalz. Sie stärkt die AfD und macht Integration schwieriger. Mit ihren Sprüchen stärkt sie den äußeren rechten Rand. Damit verlässt sie den Bereich, den die Bürgerinnen und Bürger erträglich finden. Die Menschen wollen keinen Wahlkampf auf dem Rücken von Flüchtlingen. Klöckner kalkuliert damit, dass die Stimmung in Rheinland-Pfalz kippt. Frau Klöckner, besinnen Sie sich und kümmern Sie sich mit uns um die Probleme der Integration, nicht um deren Verhinderung!

Wer sich als Teilzeit-Frauenrechtlerin für die Rechte von muslimischen Frauen einsetzt, darf nicht gleichzeitig konservative Machos walten lassen. ....usw. usf.

Frau Klöckner, es reicht! Wer den Anspruch hat, ein Land zu regieren, darf nicht spalten und diskreditieren.“

Julia Klöckner hatte zuvor eines dieser (Nicht)Erlebnisse der besonderen Art. Ein islamischer Geistlicher in einer Idar-Obersteiner Flüchtlingsunterkunft hat die rheinland-pfälzische CDU-Chefin Julia Klöckner wissen lassen, dass er ihr als Frau nicht die Hand geben werde. Klöckner sagt den Termin daraufhin ab und nimmt dies zum Anlass ein Gesetz zur Integrationspflicht zu fordern. U.a. führte sie hierzu aus: „Der Staat muss schnell deutlich machen, dass in Deutschland einige Grundsätze nicht verhandelbar sind.“ Dabei beklagte sie, dass viele Moscheevereine ein Weltbild vermittelten, das sich mit dem Grundgesetz nicht vereinbaren lasse. Insbesondere die Gleichberechtigung von Mann und Frau dürfe nicht in Frage gestellt werden – weder von den Muslimen, die bereits hier lebten noch von denen, die derzeit als Flüchtlinge nach Deutschland kämen. Dabei frage sie sich „Wo sind eigentlich all die linken Feministinnen?“, und unterstellte diesen im Hinblick auf das Frauenbild vieler Zuwanderer eine „verschleierte Sichtweise“ (Fokus-online). EU-Parlamentarierin und Frauen-Unions-Chefin Birgit Collin-Langen sieht das genauso, während der Mainzer Staatsrechtler Prof. Hufen findet: Man brauche kein Extra-Gesetz, das alles sei im Grundgesetz geregelt (Mainzer Allgemeine Zeitung).

Nun erfahren wir via Die Welt (01.10.), dass Aline Kern, Maklerin und Bad Kreuznacher CDU-Vorstandsmitglied, auch von Muslimen gemobbt wurde. Sie wollte einer Flüchtlingsfamilie eine Wohnung zeigen, aber diese weigerte sich mitzugehen und forderte stattdessen einen Mann, der die Besichtigung mit ihnen vornehmen soll. Aline Kern brach den Termin ab, schilderte ihr Erlebnis auf Facebook, was ihr umgehend Kennzeichnungen wie „Nazi-Schlampe“ einbrachte, aber auch einen überregionalen Artikel in der Welt und dass zumindest zeitweise ihr Name in einem Atemzug mit dem von Julia Klöckner genannt wird.

Soweit so schlecht. Auf ein Zitat von Claudia Roth wird an dieser Stelle verzichtet. Wie man sich denken kann, sieht sie es ebenso schlicht, wie die Fachfrau für Flüchtlinge bei der rheinland-pfälzischen grünen Landtagsfraktion.

Klar, in Rheinland-Pfalz wird am 13. März des kommenden Jahres der Landtag neu gewählt. Insofern kann man jede Äußerung getrost mit dem Vorwahlkampf in Verbindung bringen und sich weiterer Motivforschung ergeben, oder man nimmt einfach mal ernst, was Frau Klöckner sagt und fragt sich, ob es nicht richtig sein kann, wenn sie von der Unverhandelbarkeit bestimmter Werte in diesem Land spricht?

Es grüßt aber auf der „linken“ Seite des Spektrums das ewig gleiche Murmeltier. Reflexartig wird jede Kritik an Flüchtlingen als rechter Populismus denunziert und der Inhalt geflissentlich nicht zur Kenntnis genommen oder mit Defiziten der gegnerischen Partei verrechnet.

Mag ja sein, dass Frau Klöckner am rechten Rand fischen möchte. Aber solange sie es mit so demokratischen, wie feministischen Positionen macht wie zurzeit, gibt es hiergegen inhaltlich nur wenig einzuwenden. Deswegen muss Bruder Johannes ausgebuddelt werden, der bekanntlich „versöhnen statt spalten“ proklamierte. Ganz so, als wenn die Verhinderung von Debatte eine demokratische Tugend sei. Ist es nicht. Im Gegenteil. Wer Konflikte nicht benennt, sieht sehenden Auges zu, wie sich Konflikte verschärfen und sich weiter antagonisieren.

Nicht Julia Klöckner schadet den Flüchtlingen und ihrem Anliegen, sondern PolitikerInnen wie Anne Spiegel, die sich mit ihrer Gefährderansprache - gefährdet den Zusammenhalt in Rheinland-Pfalz – absurderweise in bedenkliche Nähe zu der Idee der Volksgemeinschaft begibt, die durch zersetzende Debatten zu gefährden und daher gegen die Zersetzter zu verteidigen ist.

Offenbar herrscht in gewissen Kreisen die Idee vor, dass man die notwendige Integrationsleistung von 1 Mio. Menschen p.a. als ewig währendes Fest der Völkerfreundschaft organisieren könnte.

Deutlicher kann man eigentlich nicht machen, dass man am Thema nicht interessiert ist und dass einem die Probleme, die sich aus der Massivität des Flüchtlingsanstroms ergeben, schlicht nicht die Bohne interessieren.

Ansonsten würde man sich der Einsicht nicht so gänzlich verschließen, „dass die Stimmung in Rheinland-Pfalz“ nicht wegen der Benennung von Problemen kippt, sondern wegen des Gegenteils.

Aber Frau Klöckner hat ein Teil der Probleme ja nicht nur benannt, sie hat auch Vorschläge gemacht. In der Tat lässt sich viele kalte Winter darüber streiten, ob ein weiteres Gesetzt mit dem Zwang zur Basisintegration da wirklich hilfreich ist. Aber es ist dies auch nicht der Kern, sondern medialadäquate Verkürzung. Substantiell geht es um etwas anderes. Die Selbstvergewisserung der Gesellschaft der Bundesrepublik im Jahr 2015 darüber, welche Werte für sie essentiell sein sollen.

Julia Klöckner nennt hier zuvörderst die Gleichberechtigung von Mann und Frau die nicht in Frage gestellt werden dürfe. Das und die Idee: dass in Deutschland einige Grundsätze nicht verhandelbar sein dürfen bringt ihr den Vorwurf ein, sie fische am rechten Rand.

Im Umkehrschluss kann dies nur bedeuten, dass man Flüchtlinge nicht mit von ihrem Weltbild abweichenden Vorstellungen belämmern dürfe, sondern sie vollständig zu nehmen hat, wie sie sind.

Das ist die weitestgehende Infragestellung des Gesellschaftsvertrages der vorstellbar ist und geht viel weiter als TTIP. In der Konsequenz bedeutet es die vollständige Deregulierung in Bezug auf wertgeprägte Vorstellungen in der Gesellschaft.

Natürlich muss jede Gesellschaft auch und gerade in Hinblick auf Wertvorstellungen veränderbar sein, aber dazu braucht man erst einmal welche. Essentials, die den Kitt einer Gesellschaft bilden.

Bei uns: freie Rede, keine Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung, Gleichberechtigung der Geschlechter, Weltanschauungsfreiheit, Sozialstaatsgebot und noch einiges mehr. Wer sich hieran nicht halten mag, darf auf Toleranz nicht hoffen.

Diese Festlegungen sind gerade für viele, denen die jetzige Situation auch Angst macht sehr wichtig. Denn sie haben nicht so sehr Angst vor dem Fremden an sich, sondern vor der Beliebigkeit, davor, dass sich die Gesellschaft in eine Richtung verändern könnte, die den Rückbau gesellschaftlicher Liberalität ebenso beinhalten, wie die Idee, in der Arbeitsmarktkonkurrenz untergehen zu können.

Darüber darf nicht nur, darüber muss offen diskutiert werden. Eben damit „die Stimmung nicht kippt“. Die Feinde dieser Debatte, treiben letztendlich das Spiel des rechten Randes. Dieser ist am Ende Profiteur einer Nichtdebatte, in der er chancenlos wäre, würde sie denn geführt.

Julia Klöckner gebührt der Verdienst, hierfür einen wichtigen Anstoß gegeben zu haben. Imane müssen nicht erst zu Hass-Predigern werden, damit wir stopp sagen, die rote Linie beginnt dort, wo unser Minimalkonsens von Freiheit, Liberalität und der Gleichberechtigung der Geschlechter und Lebensformen infrage gestellt wird.

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