Mit Kappungsgrenze in die Landtagswahl 2019

AFD in Sachsen So wie es aussieht, wird die Stimme für die AfD in Sachsen, bei der nächsten Wahl nicht das gleiche Gewicht haben, wie eine für die anderen Parteien.

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Wir wissen nichts und ob die Liste der AfD zu Recht nur in Teilen zugelassen wurde, kann aus Sicht des Sächsischen Wahlgesetzes nur formaljuristisch korrekt beantworten werden, wenn uns die Einladungen und Mitschriften der Versammlungen vorlägen und uns zudem die vor dem Wahlausschuss verhandelten Argumente bekannt wären.

Zwar wissen wir, dass die AfD ihre Liste in zwei Versammlungen im Februar und März mit verschiedenen Versammlungsleitern und getrennten Wahlverfahren aufgestellt hat und dass der Wahlausschuss die Frage zu beantworten hatte, ob diese Aufstellung als einheitlich angesehen werden kann. Das zwei Versammlungen als eine angesehen werden können, wissen wir zum Beispiel von den Grünen, die in der Vergangenheit Fortsetzungsversammlungen hatten. Das ergibt sich - so es nicht von vornherein geplant war- aus der Dynamik einer Versammlung. Die Versammlung vertagt sich und nimmt an einem anderen Tag ihre Beratungen wieder auf.

Nun hat der Wahlausschuss in Sachsen lange beraten und am Ende überwogen mit 6:0:1 die Zweifel, dass es sich tatsächlich um eine einheitliche Versammlung im Sinne des sächsischen Wahlrechts gehandelt hat, wie Landeswahlleiterin Carolin Schreck nach der Sitzung des Wahlausschusses mitgeteilt hat.

Wir wissen auch, dass die AfD ihre im März abschließend gewählte Landesliste erst Mitte Juni und somit nur wenige Tage vor Ablauf der Frist einreichte. Damit gab es keine Möglichkeit die formalen Mängel die die Landeswahlleiterin schon vor der Sitzung des Landeswahlausschusses gerügt hat, durch eine Neuwahl der Landesliste zu heilen.

Wirglauben zu wissen, dass das Wahlrecht sehr formal zu handhaben ist, weil wir seit 1993 spätestens wissen, dass Fehler in der Kandidatenaufstellung ganze Landtagswahlakte ungültig machen können (Neuwahlen in Hamburg).

Die Entscheidung des Landeswahlausschusses ist nun abschließend und ein Einspruch erst innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des endgültigen Ergebnis der Landtagswahl möglich.

Soweit die Fakten. Wie wird nun aber die Frage in der Öffentlichkeit diskutiert, wenn wir Schadenfreude und ausschließlich interessengeleitete Bejahung der Entscheidung des Wahlausschusses ausklammern?

Es wird diejenigen geben, die auf die formalen Anforderungen verweisen und auf die Gleichheit vor dem Gesetz und es wird auf der anderen Seite solche geben, die sagen, dass es nicht angehen kann, dass Formalien höher gewertet werden, als der Anspruch der Bürger auf Repräsentation und dass man abwägen müsse, was schwerer wiegt: Der Umstand, das Wahlverfahren und Versammlungsleitung auf der Versammlung Nr. 2 nicht identisch waren, oder dass die dort aufgestellten Kandidaten nicht mehr vom Wähler gewählt werden können? Es wird argumentiert werden, dass die formale Korrektheit der anderen, gerade in einer weniger stark gelebten Demokratie besteht und die Fortsetzung der Listenaufstellung nur notwendig wurde, weil eben soviel Einzelwahlgänge stattfanden usw. usf.

Bei den Anhängern der AfD wird die Argumentation, die die formale Korrektheit der Entscheidung des Wahlausschusses begründet, gar nicht erst ankommen. Sie werden eine Verschwörung und Rechtsbruch vermuten bzw. mit dem Verweis auf Rechtsbrüche aus der jüngeren Geschichte den Wert formaljuristischer Betrachtungen relativieren, weil sie dessen Interessengebundenheit behaupten. Im Zweifel bedarf es nicht einmal der Argumentation, weil der Anschein des Ausschlusses von 40 Wahlbewerbern der AfD von der Listenwahl für das Wesen der Angelegenheit genommen wird und keiner weiteren Erläuterung bedarf.

Sicherlich wird es auch einige geben, die die Dummheit der sächsischen AfD-Führung beklagen werden oder Machtspiele innerhalb der Partei unterstellen oder die einfach nur auf das Ergebnis abstellen und mit ihrer Partei unzufrieden sind.

Diejenigen, die keine Anhänger aber auch keine erklärten Gegner*innen der AfD sind, werden auf jeden Fall bedauern, dass sich der originäre Wählerwille nun weit schlechter abbilden wird, als mit einer vollständig zugelassenen Liste der AfD und ihnen wird beigepflichtet werden. Von allen, die zwar die formale Richtigkeit nicht, aber die Folge der Entscheidung beklagen.

Zu befürchten ist, dass im Kampf um die Erststimme, die Kappungsgrenze bei 13 Prozent bei der Liste - Zweitstimme -, der AfD Vorteile verschaffen wird und alle Absprachen der anderen Parteien, zur Verhinderung der relativen Mehrheit für einen AfD Kandidaten, der Geruch der Unfairness anhaften wird, die versuchen, die tendenzielle Heilung eines bloss formalen Mangels zu hintertreiben. Nicht auszuschließen ist jedenfalls, dass die Entscheidung des Wahlausschusses, am Ende der AfD mehr nützen als schaden wird.

Klar ist aber auch, dass dies kein Abwägungskriterium des Ausschusses sein konnte und von daher sollte dringend darüber nachgedacht werden, die Macht der der Parteien bei der Aufstellung von Wahlbewerber*innen zu beschneiden, indem man den Wähler*innen den Eingriff in die Reihenfolge der parteigewollten Listenhierachisierung generell gestattete.

Dann gäbe es jedenfalls auch keine Gründe mehr, formal so streng zu prüfen, wie dies zurzeit in Sachsen der Fall sein muss. Könnten die Wähler*innen doch selbst entscheiden, wen sie vorne und wen hinten sehen möchten.

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