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FDP und AfD 62 % von denen, die 2017 (BT-Wahl) FDP gewählt haben, sind der Meinung, die Parteien sollten situationsabhängig über eine Kooperation mit der AfD entscheiden (D-Trend).

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Laut einer Untersuchung der Konrad Adenauer Stiftung, zu programmatischen Unterschieden in der deutschen Parteienlandschaft (Ein Methodenexperiment von Franziska Fislage, Sebastian Graf und Tobias Montag aus dem Jahr 2019, hat die AfD im Bereich der Finanzen und Steuern größere Übereinstimmungen „mit der FDP (29 Prozent)“ und „mit der CDU/CSU (23 Prozent)“ als sie hier „Schnittmengen mit SPD (12 Prozent) und Grünen (8 Prozent) hätte („Die sind doch alle gleich!“.KAS, 2019, S. 42)

Dies ist ein Ergebnis der Kongruenzwertanalyse der o.g. Studie. . Anjes Tjarks, Fraktionsvorsitzender der Grünen in der Hamburgischen Bürgerschaft hat am 06.02. über FB verbreitet, die Auswertung des Abstimmungsverhalten zu den Anträgen der AfD in der Bürgerschaft hätte ergeben, dass von den 251 Anträgen, die die AfD in Bürgerschaft in der laufenden Wahlperiode gestellt hat, die FDP 43 Anträgen zugestimmt und sich bei 43 Anträgen enthalten hat. Damit hat die FDP ungefähr 2/3 der AfD-Anträge abgelehnt (65,84 Prozent) und sich zu gleichen Teilen mit jeweils 17,13 Prozent enthalten bzw. für AfD-Anträge gestimmt. Man darf davon ausgehen, dass der Grad der Zustimmung in den Bereichen Wirtschaft und Finanzen weit höher, als nur ein gutes Sechstel ausgefallen sein dürfte.

Hier im Kernbereich der Liberalen ist die Ähnlichkeit mit der Partei AfD sehr ausgeprägt. Das dürfte auch erklären, warum man mit der Idee starker Ähnlichkeiten der beiden Parteien kaum spontanen Widerspruch erzeugt. In Hinblick auf den brauneren Teil der AfD Programmatik. Renationalisierung der Politik und stärkere Abschottung von Märkten und Land gegen fremde Waren und Menschen und eher illiberalen Reflexen auf Islamismus und normabweichendes Verhalten von Menschen, mit nichtdeutschem Pass - so nehme ich an - ist der Zustimmungswert zu AfD-Anträgen von Seiten der FDP schlimmstenfalls im niedrigen, einstelligen Prozentbereich.

Zwar hat die FDP in der Geschichte der Bundesrepublik bisweilen eine Auffangfunktion für NSDAP-Mitglieder gehabt, die über das Maß anderer Parteien hinauswies. So Anfang der 50er Jahre, als eine Gruppe um den letzten Staatssekretär von Joseph Goebbels die FDP in NRW regelrecht unterwandert hatte, aber mit dem Eintritt der FDP in die Regierung Willy Brandts unter Walter Scheel schien dieses Kapitel final beendet und war es auch.

Erst durch Jürgen Möllemann und eine zunehmend antisemitische Kampagne im Vorfeld der Bundestagswahl 2002, bei dem die FDP den Wahlkampf im Rahmen der „Strategie 18“ führte (nach innen ging es um 18 Prozent Wählerzuspruch im Außen durfte das auch anders dechiffriert werden!), gab eine Ausrichtung, die zwischen Fun – Guido-Mobil - und rechtem Populismus mäanderte.

Mit Christian Lindner hat sich die FDP erneut einen klaren marktwirtschaftlichen Kurs verpasst und ist dabei bemüht sich klar gegen die AfD und die Linke abzugrenzen. Unmittelbar nach der Landtagswahl in Thüringen auf der Bundespressekonferenz in Berlin zusammen mit Lindner stellte Kemmerich unmissverständlich klar: „‘Nicht alles, was arithmetisch möglich ist, ist auch politisch sinnvoll.‘ Die FDP sei angetreten, das rot-rot-grüne Bündnis zu beenden. ‚Insofern stehen wir nicht zur Verfügung für eine wie auch immer geartete Beteiligung an dieser Regierung, für eine Tolerierung oder eine andere Unterstützung‘“ (Welt, 28.10.2019).

Genau wie die CDU, hat auch die FDP nicht begriffen, dass sie sich damit ins Fahrwasser einer primär ideologischen Ausrichtung begeben hat, die mit einer gewissen Zwangsläufigkeit zur Annäherung an die AfD führen musste.

Es war an der AfD zu begreifen, dass hierfür das bisschen Restverstand der Thüringischen FDP und ihres Fraktionschefs Kemmerich mit der Kandidatur eines AfD-Kandidaten ausschaltbar sein und dass eine überraschende Wahl Kemmerichs, bei ihm die Eitelkeit so heftig triggern würde, dass eine Ablehnung seiner Inthronisierung durch die AfD nicht zu befürchten war. Dies auch deshalb nicht, weil die AfD-Kandidatur von Christoph Kindervater in dem Moment, wo sie Kemmerichs Kandidatur im 3. Wahlgang die Brücke baute, einen Wunsch nach „Erfolg“ mit konstituierte und zugleich die dünne Begründung lieferte, warum das auch völlig in Ordnung sei, weil nämlich das wichtigste Ziel damit erreicht wurde: „das rot-rot-grüne Bündnis zu beenden“, ohne die AfD eingeladen zu haben, das zu tun, was hierfür zwingend nötig war, nämlich ihn zu wählen.

Dass das auch außerhalb von Thüringen, von ansonsten sehr vernünftigen FDP-Leuten so gesehen wurde (Wolfgang Kubicki), zeigt den Grad ideologischer Verblendung, wenn es um die Bestimmung des Verhältnisses zur Linken geht. Statt rationalem Kalkül, Bekennermut zur Fundamentalopposition, deren logischer Preis die Kooperation mit der AfD ist.

Wieviel AfD-Anträgen die FDP in Hamburg - siehe oben -zugestimmt hat, ist völlig unerheblich und sagt nichts über ihre Nähe oder Ferne zu dieser Partei aus. Aber dass sie in Thüringen bereit war, um Ramelow zu verhindern, sich von der AfD mit deren Stimmen sponsern zu lassen und bundesweit FDP-Mitglieder hierzu erfreut und spontan Beifall geklatscht haben, muss bei der Bürgerschaftswahl jetzt am 23. Februar unbedingt Konsequenzen haben. Es besagt nämlich, dass das Funktionieren des Landes Thüringen und die internationale Rezeption der Wahl Kemmerichs völlig zweitrangig gegenüber der Verhinderung eines Ministerpräsidenten der bürgerlichen Mitte ist, weil dieser einer Partei angehört, die Die Linke heißt.

Der Hass gegen Die Linke ist das einigende Band der Negativkoalition aus FDP, CDU und AfD. Nur in ihm gibt sich die ideologische Gemeinsamkeit zu erkennen. Sie ist der Kern, um sich die Ereignisse von Thüringen erklären zu können und dies geht weit über Thüringen und den Osten hinaus.

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