Parfum raubt taz-Redakteur die Contenance

Eau de Parfum "Dreckig bleiben - eine fein abgestimmte Absage an die Oberflächlichkeit" . Im April 2013 erschien der neue Duft und jemand von der taz fühlte sich provoziert

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Martin Reichert, im Februar gerade 40 gewordener Autor und Erfinder der Generation Umhängetasche ist wütend. Richtig wütend*.

Objekt seiner Wut ist das Eau de Parfum „Dreckig bleiben“. Er jagt damit Praktikanten der Sonntaz und ergeht sich in Fantasien, er könne Hipster’s Geruch im Schritt imaginieren, wenn er seine Nase an „Dreckig bleiben“ hält.

Reichert, der seine 30er Jahre u.a. damit vergeudete, an seiner Generation öffentlich zu leiden und dort über sie zu jammern und wehzuklagen, muss „Dreckig bleiben“ wie Satanswerk erschienen sein. Ihm, der sich offensichtlich bereits durch ungebügelte Hemden und Löcher in Kleidungsstücken bedroht fühlt, erscheint die Kombination aus Unangepasstheit und professioneller Ernsthaftigkeit, wie ein Schlag in seine ums Erwachsensein bemühte Phänomenologie.

Hören wir, was er zu erzählen wusste: „Wenn man erwachsen werden möchte, dann muss man loslassen. Wenn du dich nicht verabschieden möchtest von gewissen Vorstellungen wie einer ewigen Jugend, dann geht es nicht. Ich versuche nichts anderes, als aufzuzeigen: Klar, man lässt los, aber es beginnt auch etwas Neues, das vielleicht viel schöner ist“ (jetzt Magazin der SZ v. 03.07.2008).

Ja, ist es nicht wunderbar, wie hier Kalenderweisheiten wie der, dass jedem Abschied ein neuer Anfang innewohnt, zugunsten des Erwachsenwerdens an sich ins Feld geführt werden? Die gleiche intellektuelle Bescheidenheit lässt Reichert auch walten, wenn er sich gegen etwas engagiert.

Es wird seinen Grund gehabt haben, warum er sich hierfür ausgerechnet einen Duft ausgesucht hat. Düfte sind nämlich Geschmackssache. Man mag sie oder man mag sie nicht, und wenn man etwas von der Sache versteht, kann man sich auch unabhängig von eigenen Vorlieben über den Gegenstand der Kritik sachverständig äußern.

Reichert versucht ehrlicherweise nicht einmal, den Anschein der Sachkunde zu erwecken. Ihm ist „Dreckig bleiben“ die Stoff gewordene Inkarnation der Weigerung erwachsen zu werden.

Nachdem Reichert mit 35 Jahren glaubte, es halbwegs geschafft zu haben, sind ihm diejenigen, von denen er vermutet, sie könnten so sein, wie er einmal war, ein Gräuel.

Man kann das so gut verstehen: „Ich habe aber zum Beispiel zum ersten Mal in meinem Leben eine Wohnung, die normal funktioniert, wo Regale an die Wand gedübelt sind und alles einfach normal ist. Vorher hat auch bei mir nichts funktioniert, die Kisten waren nicht ausgepackt und auch sonst habe ich nichts ernst genommen“ (ebenda).

Vielleicht sollte sich jemand erbarmen und dem Reichert einmal verklickern, dass er zu Recht eine kritische Haltung zu seiner Unselbständigkeit hat, dass aber Unangepasstheit durchaus mit Selbstständigkeit und Reife einhergehen kann. Sollte es auch ihm dereinst tatsächlich gelingen, so sollte er unbedingt den ultimativen Selbsttest machen.

An einer Flasche „Dreckig bleiben“ riechen und warten, ob es ihm gefällt. Wenn ja, ist er aus dem Gröbsten raus.

* http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=tz&dig=2013%2F05%2F18%2Fa0041&cHash=797c00ac0cfad94c4e16159b6278232c

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