Rassistische Klischees beim ZDF?

Auf der Flucht „Ein öffentlich-rechtlicher Sender hat die Verpflichtung, sich ernsthaft und seriös mit dem Thema Flüchtlinge auseinanderzusetzen“

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Die sechs Teilnehmer der Sendung "Auf der Flucht"
Die sechs Teilnehmer der Sendung "Auf der Flucht"

Foto: Screenshot, ZDF-Mediathek

heißt es in einem Schreiben an den ZDF-Intendanten.

Dieses Schreiben haben bereits annährend 29.000 Menschen unterschrieben (Stand 16.08. 19:30 Uhr) und alle versichern sie:“ Ich habe diese Sendung übrigens gesehen am Donnerstagabend - nur für den Fall, dass Leute glauben, ich würde hier nicht wissen, wovon ich rede“.

Ich hatte es nicht gesehen und so musste ich dies` via ZDF-Mediathek nachholen.

Sechs Protagonisten machen sich auf den Weg in die Ursprungsländer Asylsuchender in Deutschland und erfahren so am eigenen Leib was es heißt, auf der Flucht zu sein. Sie reisen in zwei Gruppen. Eine machte sich auf den Weg in den Irak, die andere reist nach Eritrea. Mit dabei sind Schauspielerin Mirja du Mont, Streetworkerin Songül Cetinkaya und Nazi-Aussteiger Kevin Müller sowie Musiker Stephan Weidner, Bloggerin Katrin Weiland und Ex-Bundeswehrsoldat Johannes Clair. Begleitet werden sie von dem Journalisten und Nahost-Experten Daniel Gerlach. Sie übernachten im Asylbewerberheim, in den überfüllten Flüchtlingslagern in Athen und Rom und stehen in Tunesien vor der schwierigen Entscheidung, ob sie die Fahrt auf einem Schlepperboot wagen oder das Experiment abbrechen. ZDFneo zeigt diese neue vierteilige Reihe „Auf der Flucht – das Experiment“ jeweils Donnerstags ab 22:15 Uhr. Die letzte Folge gibt es am 29.08. (Irak und Eritrea).

Die Kritik kommt mit dem Bildungsauftrag des ZDF und leitet daraus ab, dass zu einem so schwierigen Thema keine dramaturgisch aufgebauschte Realsoap gemacht werden darf. Kritisiert wird ein reißerischer Voyeurismus auf dem Rücken der Ärmsten der Armen. Unterstellt wird, dass das ZDF sich an erfolgreichen Formaten von kommerziellen Sendern wie etwa dem "Dschungelcamp" orientiert hätte und findet dieses Format noch schlimmer, da hier Quote mit echten Flüchtlingen gemacht werden soll.

Ein anderer Brief, diesmal an den Fernsehrat und momentan gegengezeichnet von 29.000 Menschen (Stand 16.08., 19:30 Uhr), kommt gleich richtig zur Sache:

Er fordert den unverzüglichen STOPP der Sendereihe "Auf der Flucht" die nur so vollgepackt ist mit rassistischen und kolonialistischen Klischees. Auch er beklagt, dass aus dem Leid und der Not Asylsuchender eine Sendung produziert wurde und sich das ZDF traut diese auszustrahlen. Neben dem Stopp der Sendung, wird daher eine Entschuldigung sowie ein entsprechend selbstkritisches Statement des ZDF gefordert. Außerdem glauben die Unterzeichner, dass es Einnahmen aus der Sendung gab. Diese sollen an Organisationen gehen, die aktiv gegen Rassismus und für die Rechte von asylsuchenden Menschen eintreten.

Richtig ist sicherlich, dass sich ZDF neo hier an die veränderten Sehgewohnheiten von Zuschauern anpasst, die mit formal unangreifbaren Bildungsformaten nicht erreichbar wären. Aber wer mit dem Bildungsauftrag argumentiert, wie die zig tausend Briefeschreiber an den ZDF-Intendanten, der sollte sich vielleicht auch einmal überlegen, dass Frau Müller und Herr Meier auch erreicht werden müssten, damit der Bildungsauftrag Wirkung erzielen kann. Nun kann hier schnell eingewendet werden, dass „Auf der Flucht“ mehr diskutiert als geguckt wurde. Nur etwa 60.000 Zuschauer sollen die erste Sendung gesehen haben. Das liegt wahrscheinlich an dem Sendeplatz und hieran kann sich ja noch etwas ändern. Die viel spannendere Frage ist aber sicherlich, ob wir es hier mit einem rassistischen Machwerk zu tun haben? Die Antwort ist ein klares Nein.

Man mag das Format kritisieren, die Protagonisten, den Aufbau, die Dramatik aber rassistisch ist die Sendung nun wirklich nicht. Sie ist vielleicht ein wenig zu sehr bemüht, über die emotionalen Ebene Perspektivwechsel zu erzeugen und ist dabei auch bisweilen manipulativ, dies aber mit guter Absicht. Es soll Verständnis für Flüchtlinge geweckt werden.

Dadurch dass die Protagonisten in ihrer Haltung zu Flüchtlingen durchaus eine interessante Mischung aus Haltungen - wie sie auch in großen Teilen der Bevölkerung anzutreffen wären – sind, entsteht eben auch die entsprechende Fallhöhe, die Spannung verspricht und die sich, durch Veränderungen in den Haltungen dann auch angenehm wieder auflöst.

Natürlich ist das Unterhaltung und nicht Aufklärung im kant´schen Sinne. Wiewohl es ein Stückchen Weges zum Ausgang einiger Menschen aus ihrer (selbstverschuldeten) Unmündigkeit führen könnte.

Apropos Aufklärung: Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen ist der Wahlspruch der Aufklärung, mit dieser Haltung empfehle ich die kommenden Donnerstage, um 22:15 Uhr ZDF neo einzuschalten.

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