Reiche erschießen?

Linke Strategiedebatte Ein Wort, achtlos dahingesagt. Heute aber ist man nirgends mehr vor Videomitschnitten sicher und so findet dieses Wort die Öffentlichkeit. Was nun?

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Vera Lengsfeld – homepage -, wie auch Rainer Zitelmann – Tichys Einblicke - waren schnell dabei, als es galt eine Marginalie hochzukochen. Auf der Strategiekonferenz der Partei „Die Linke“ gab es eine Wortmeldung, die von der notwendigen Energiewende auch nach der Revolution sprach, „wenn wir 1% Reiche erschossen haben“. Lengsfeld schreibt: „Parteichef Rixinger interveniert lediglich schwach, dass man die Reichen nicht erschießen, sondern für „nützliche Arbeit“ einsetzen will, was mit Gelächter der Anwesenden quittiert wird“ Sie schreibt auch: „Der freundliche Herr Ramelow, der gern in der Talkshow entrüstet von sich weist, ein sozialistischer Ministerpräsident zu sein, diskutiert aber mit seinen Genossen, wie man das Land nach links rückt. Die Frau von der Basis spricht aus, was dann geschieht

So kann man die Sache besprechen. Wenngleich auch Lengsfeld weiß, dass das dahingeplapperte Blutbad keine tragende Vorstellung innerhalb der Linken ist. Die Revolution hat dort in etwa den gleichen Stellenwert, wie die unbefleckte Empfängnis in der katholischen Kirche. Früher war das eine essentielle Vorstellung, um Katholik zu sein, heute reicht in der Regel eine Idee von einer „höheren Macht“ um dort Mitglied sein zu können.

Weder bei den Kommunisten innerhalb der Linken, noch bei der restlichen, aber überwiegenden Mehrheit dort, ist heute die Idee von der Revolution essentiell, wie der 565 seitige Reader der Strategiekonferenz schön zeigt. Sofern man sich auf „Revolution“ positiv bezieht, so geschieht dies meist so: „Eine fröhliche Revolution wird morgen nicht kommen, wir müssen sie im Heute vorbereiten“ (BO Brüssel, Reader 41f.). Die Linke SDS Uni und HAW Hamburg spricht von „revolutionären Reformschritt(en)“ und meint damit „massive öffentliche Investitionen und dauerhafte Ausgabenerhöhungen“ (ebenda, 56). Der Kreisverband DIE LINKE. Lüneburg will mit Reform und Revolution gegen das Privateigentum an Produktionsmitteln kämpfen (ebenda, 76f.). Der Ortsverband DIE LINKE Berlin-Pankow, Nord-West hofft darauf, dass „im Zuge der Bekämpfung des Klimawandels eine revolutionäre Situation entsteht, die gesellschaftliche Umwälzungen erfordert“ (ebenda, 108)und Ulrich Seibert aus Germering stellt die Frage: „Stehen wir für gesellschaftliche Evolution oder sehen wir unser Heil in einer Revolution?“ und führt im Weiteren aus: „Solche Antworten gibt die Partei nicht. Daher können ihre Mitglieder bei solchen Fragen seitens der Bevölkerung entweder nur fantasieren oder ratlos die Schultern zucken. Das "Gespenst", das einst in Europa umging, hat sich durch die Geschichte und deren Wahrnehmung längst in ein Schreckgespenst verwandelt“. Deswegen fordert er die aktive Abkehr von jedweder Revolutionsromantik (ebenda, 482). Sophie Schröder vom Kreisverband Kleve/NRW findet, man kann beides: revoluzzen und reformieren: „Das alles aber durch den demokratischen Sozialismus. Weil wir die Freiheit des einzelnen achten, ebenso wie die Interessen aller. Es braucht keine Herrschaft einer Avantgarde“(ebenda, 472) und Dirk Tegtmeyer aus Hannover sagt: „Wer Enteignungen fordern will, muss dafür nicht unbedingt eine Revolution machen“(ebenda, 511).

Wenn überhaupt Revolution, dann im Sinne eines radikalen Bruchs mit dem Bestehenden und weit entfernt von Vorstellungen, wie sie den Revolutionsprozess in Frankreich einige Jahre nach dem Sturm auf die Bastille kennzeichnete, als die Revolution sich mit dem Fallbeil und viel Blut in die Geschichte einschrieb.

Dennoch gab es die Eine, die diese mehr als peinliche Bemerkung über das Erschießen von Reichen gemacht hat. Mit wieviel innerer Überzeugung oder Distanz wissen wir nicht. Das ist auch nicht wichtig. Viel wichtiger ist die geringe Widerständigkeit, bei solchen dahingesagten Bekenntnissen zu „revolutionären Grausamkeiten“. Nach dem Motto, wo gehobelt wird, da fallen auch Späne, werden reiche Menschen mal eben zu Abfall eines Glättungswerkes, dass zwar „das Gute an sich“ ins Werk setzt, aber zuvor noch einmal einige Tausende dem gewaltsamen Tod überantwortet.

Die Anrufung dieses (verbalen) Blutopfers am Ende des Tages dient nur dem Pathos und der religiösen Überhöhung des Schöpfungsaktes der besseren Gesellschaft – Revolution - und korrespondiert ausschließlich mit einem abstrakten Gedanken.

Hier wird an den theologischen Kern appelliert, der einst viele Linke zu begeisterten Anhängern der Arbeiter -und Bauernmacht machte und vom naiven Kinderglauben in das Gute im Menschen an sich geprägt war und ist.

Nur noch eine böse Abart des Menschen stand (steht) am Ende im Wege, die durch das Privateigentum endgültig vom Pfad der Vernunft abgebrachten Kapitalisten und ihrer Knechte. Von ihnen musste man sich noch befreien und dann war der Weg frei, für eine völlig neue Welt des sozialen Miteinanders, der Kooperation und der Entfaltung der Menschen. Diese Aussicht ließ die Gewalt im imaginierten Lichte der humanen Wirkungen als gerechtfertigt erscheinen.

Offensichtlich kam der Gedanke – Reiche zu erschießen - bei der Linken nicht besonders gut an. Zugleich muss man aber auch feststellen, dass er auch nicht zu wütendem Protest geführt hat, was bei funktionierenden Instinkten und ausreichend antifaschistischer Grundierung zu erwarten gewesen wäre.

Zwar ist noch nachvollziehbar, dass man nicht einem einfachen Mitglied vor großem Publikum die Leviten lesen mag. Diese Rücksicht hätte es gegenüber Herr Riexinger nicht geben müssen, der den heiligen und überhöhten Gedanken auf die Erde runterholte, indem er in Aussicht stellte, dass „Reiche“ einer nützlichen Tätigkeit zugeführt würden. Hier war jeder Idealismus, der Verirrungen nicht rechtfertigt, sondern erst erklärbar macht, verschwunden.

Der Vorsitzende glättete diesen Faux pas und gab ihm den rechten Rahmen, indem er dem im Raum stehenden Müßiggang eine protestantisch, calvinistische Ethik des Schaffens gegenüberstellte und damit das „linke“ Sittengemälde für alle zeichnet. Jedenfalls für alle Anständigen.

Es ist schade, dass es nur diese Eine gab und nicht diese(n) Andere(n), die (der) der Idee heiliger Gewalt kräftig in den Allerwertesten getreten hat. Nun hat die Linke ein höchst überflüssigen Problem, aber nun ist es da und man wird es lösen müssen.

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