Schweinekompromiss

TierSchNutztV Auf Antrag NRWs, Niedersachsens und  Schleswig-Holstein wurde am 3. Juli die 7. Verordnung zur Änderung der TierSchNutztV,  auf der Sitzung des Bundesrates beschlossen.

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Während einige Verbände und Grüne dies als Erfolg für den Tierschutz feiern, sehen das viele Menschen in diesem Land und insbesondere auch Vertreter:innen des organisierten Tierschutzes - auch Grüne - deutlich negativer.

Mahi Klosterhalfen, Präsident der Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt schrieb: "Der Öffentlichkeit erzählen, man werde Tierschutzstandards verbessern und gleichzeitig illegale Zustände in der Massentierhaltung legalisieren. Das ist an Scheinheiligkeit nicht mehr zu überbieten. Von Bundesministerin Klöckner und der CDU war kaum Anderes zu erwarten, aber dass die Grünen einen solch faulen Kompromiss aushandeln und mittragen, ist sehr enttäuschend. Sauen werden weiterhin einen beträchtlichen Teil ihres Lebens in Käfigen verbringen - man muss sich schon sehr verbiegen, um darin einen Wendepunkt für die Tiere zu sehen."

Nachdem die Abstimmung im Bundesrat schon mehrfach verschoben werden musste, weil sich keine Mehrheit für einen neuen Entwurf finden ließ, war es an den Grünen deutliche Verbesserungen in den Entwurf hinein zu verhandeln. Das ist auch gelungen.

Der verabschiedete Kompromiss verkürzt die Übergangszeit auf bis zu acht Jahre und sieht danach eine Gruppenhaltung der Sauen weitgehend ohne Fixierung vor. Das gilt zumindest für den sogenannten „Deckbereich“, wo die Sauen gedeckt und den Großteil ihrer Schwangerschaft verbringen. Im sogenannten „Abferkelbereich“, dort wo die Sauen gebären und stillen, bleibt die Übergangsfrist von 15 Jahren erhalten. Es verringert sich jedoch die Anzahl der Tage, an denen die Schweinemütter im Kastenstand – Ferkelschutz! - fixiert sein dürfen.

Ein Systemwechsel in der Tierhaltung ist damit ausgeblieben. Im Gegenteil, durch den Kompromiss gelang es den mit dem Rücken zur Wand stehenden Tierquälern aus Profitinteresse, dass das System ohne jeden Rückhalt in der Bevölkerung noch eine Weile am Laufen gehalten werden kann. Zu betonen ist allerdings, dass hierbei nicht die Grünen pauschal mittaten. Positiv hervorzuheben ist beispielsweise die Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft und Energie, Claudia Dalbert aus Sachsen-Anhalt. Sie kritisierte in ihrer Rede die viel zu langen Übergangsfristen und verwies auf Erfahrungen aus dem eigenen Bundesland. Diese belegen, dass man schneller aus Qualhaltung aussteigen kann. Erfreulich: Sachsen-Anhalt wie auch Berlin stimmte dem Kompromiss nicht zu.

Das Land Berlin hatte bereits beim BVerfG gegen die alte TierSchNutztV Normenkontrollklage eingereicht, weil es ein Verstoß gegen das Tierschutzgesetz sah und wird diese Klage auch nach der Novellierung, wie sie jetzt beschlossen wurde aufrechterhalten. Das hat jedenfalls der grüne Senator für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung des Landes Berlin, Dirk Behrendt angekündigt.

Das ist auch dringend geboten. In Deutschland werden fast 27 Millionen Schweine zur Fleischerzeugung gehalten. Deutschland ist damit der größte Schweinefleischerzeuger in Europa und steht weltweit nach China und den USA an dritter Stelle. Dabei werden fast die Hälfte der hier aufgezogenen Schweine für den Export gezüchtet. 2.500.000 Tonnen Schweinefleisch exportieren in Deutschland ansässige Firmen jährlich. Gut fünf Mal so viel wie bei Rindfleisch und drei Mal so viel wie bei Geflügelfleisch. Neben unendlicher Tierqual ist durch die Produktion der Gülle auch ein erheblicher Schaden für die Umwelt verbunden. Hervorzuheben ist hier die systematische Überdüngung von Feldern und damit die Einbringung in Gewässer und Grundwasser.

Nirgendwo zeigt sich der Konzentrations- und Industrialisierungsprozess so anschaulich wie bei der Schweinemast. Gab es 1950 noch 2,4 Mio. Schweinehalter, so sind es heute gerade mal noch 22.900 Betriebe. Damals gab es pro Halter fünf Schweine im statistischen Durchschnitt, heute sind es 235 mal soviele und mithin 1.175 Tiere. Die in der Regel in geschlossenen Ställen auf Spaltenböden gehalten werden. Aus Gründen der Effizienz werden neue Sauenställe heute in der Regel für mindestens 300 bis 400 Tiere und Mastställe für mindestens 2.000 bis 3.000 Tiere geplant.

Es sei bei dieser Gelegenheit auch noch einmal daran erinnert, dass jährlich etwa 20 Millionen männliche Ferkel kastriert werden, um dem unerwünschten Ebergeruch im Fleisch zu vorzubeugen. Immer noch dürfen Ferkel bis zum siebten Lebenstag ohne Betäubung kastriert werden. Das ursprünglich zum 1. Januar 2019 geplante Verbot der betäubungslosen Kastration wurde vom Deutschen Bundestag mit Mehrheit der Abgeordneten der CDU, CSU, SPD und der AfD am 30.11.2018 im Deutschen Bundestag kassiert. Die Qualen der betäubungslosen Ferkelkastration wurden um weitere zwei Jahre verlängert.

Die Idee vieler Menschen und auch einiger Grüner, es läge jetzt letztendlich am Verbraucher, durch Nachfrageverzicht die Qualhaltung zu beenden, ist bestenfalls naiv. Wie bereits erwähnt ist Deutschland der drittgrößte Produzent von Schweinen in der Welt und exportiert bereits jetzt fast die Hälfte der Tiere. Abstimmen an der Fleischtheke führt also nur zu Verschiebungen in den Exportanteil. Deswegen sollte sich niemand gehindert fühlen seinen oder ihren Fleischkonsum zu reduzieren, aber das Tierelend wird dadurch nicht minimiert. Das gelingt nur, wenn sich die subjektiven Vertreter:innen des Tierwohls in der Politik nicht länger auf schlechte Kompromisse einlassen. Stattdessen brauchen wir klare Standards, die Kompromisse mit der Qual von Tieren ausschließen.

Wer Fleisch essen möchte, sollte wissen, dass das nur geht, wenn die Haltung der Tiere und deren Schlachtung unter Bedingungen stattfinden, die jedes Leid aus Gründen der Profitabilität ausschließen. Alles andere ist gesellschaftlich nicht mehr vermittelbar.

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