Geschlecht: ein Streit zwischen Identität und Definition

trans-Aktivismus Wie es trans-Menschen ergeht, scheint längst nicht so spannend zu sein, wie die Frage, ob die individuelle Geschlechtsverortung auch naturwissenschaftliche Kategorien verändert. Der Versuch einer Streitbesichtigung und Standortbestimmung.

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Am 27. Juni 2022 wurde der Öffentlichkeit bekannt gemacht, dass eine Petition gestartet wurde, die auf die problematischen Tendenzen in der derzeitigen Berichterstattung über trans Menschen aufmerksam macht.

Diverse Verbände der trans-, inter und queer- Szene, haben mit Hilfe von mittlerweile gut 150 weiteren Organisationen aus dem erweiterten LGBTQIA+-Kreis (darunter auch: Evangelischer Kirchenkreis Berlin Stadtmitte und etlicher feministischer Gruppierungen) eine Petition gestartet, die sich an alle deutschen Medienschaffenden wendet und eine transfreundliche Berichterstattung fordert.

Eingedenk der unbestrittenen Tatsache, dass trans – Menschen zu einer der vulnerabelsten Gruppen der LGBTQIA+- Community zählen, erscheint die Forderung als legitim. Was verwundert ist eher die Tatsache, dass sich scheinbar in der veröffentlichten Meinung eine transfeindliche Schieflage ergeben haben soll. Steht zu befürchten, dass die Rechte von Menschen, die ihre sexuelle Orientierung abweichend von einer klaren Zuordnung der beiden biologischen Geschlechter gefunden haben, in den Medien Diskriminierung droht?

Die Petent:innen stören sich an Veröffentlichungen, „in denen von 'Trans* als Trend', von angeblich unsicheren Frauenschutzräumen, von einer sogenannten 'Trans*-Ideologie' oder von 'Mädchen, die keine Mädchen sein wollen' die Rede ist“. Recht pauschal wird behauptet: „Diese Berichterstattungen gehen soweit, die Existenz von trans* Personen zur Debatte oder sogar in Frage zu stellen. Sie schüren Ängste und Hass gegenüber trans* Personen, ihre rechtliche Anerkennung und gesellschaftliche Gleichstellung, indem diese als "gefährlich" für die Mehrheitsbevölkerung dargestellt werden“. Sodann erfolgt der Schlenker zu Gewaltverbrechen: „Gleichzeitig erfahren trans* Personen überproportional viel physische und psychische Gewalt“.

Mit dieser Ouvertüre wird Dreierlei behauptet. 1. Journalisten würden mit Berichten, die von den Narrativen der trans-Aktivisten und Funktionäre abweichen, trans-Individuen die Daseinsberechtigung absprechen und 2. in der Mehrheitsbevölkerung damit Ängste und Hass befördern, was 3. überaus erfolgreich ist, weil trans - Personen überproportional viel Gewalt erfahren würden.

Die Petenten (Vefasser:innen der Petition) meinen, dass zum Thema trans und allen Bereichen, die das Thema streifen oder den Erzählungen des Funktionärskörpers von trans - Gruppen entgegenstehen, die Expertise im Zweifel bei trans - Menschen läge. Das mag für Vieles zutreffen, aber für die seit einiger Zeit diskutierten biologischen Banalität, wonach es bei Säugetieren zwei Geschlechter gäbe, auch wenn sich diese grobe Kategorisierung im Individuum stark ausdifferenzieren kann, trifft es sicherlich nicht zu. Hier ist die Expertise breit gesät und dürfte vergleichsweise nicht mehr Fachlichkeit beanspruchen, als es mathematischer Kenntnisse braucht, um sinnvoll über das Ergebnis einer Addition zweier einstelliger, positiver Zahlen zu sprechen.

Mobbing für selbstbestimmtes Leben?

Gleichwohl verlangt dieser Streit gegenüber unangepasster Medienberichterstattung, der sich ausgerechnet an der Frage entzündet hat, ob es eine Rückübertragung gesellschaftlicher Entwicklungsprozesse auf die biologische Forschung geben sollte, höchste Aufmerksamkeit. An der Oberfläche erscheint er als tendenziell absurd. Kaum jemand außerhalb der Zirkel der Intensivstdebatte um Fragen der sexuellen, vor allem geschlechtsidentitären Ausrichtung, differenziert zwischen Sex und Gender, zwischen biologischen und sozialem Geschlecht. Richtigerweise herrscht die Ansicht vor, dass doch bitte jedeR nach seiner Façon - auch in Fragen der sexuellen oder geschlechtlichen Identität bzw. Sexualität und des daraus abgeleiteten sozialen Geschlechts- glücklich werden möge. Das erklärt vielleicht auch eine aktuelle Insa-Umfrage, die für die „Bild“ durchgeführt wurde und die ergab, dass jeder Zweite (49 Prozent) der Meinung ist, dass es mehr als zwei Geschlechter gibt. Gerade noch 39 Prozent der Befragten halten danach am ausschließlichen Dualismus Mann/Frau fest (nordbayern.de, 07.07.2022). Auf jeden Fall korrespondiert es positiv mit einer Untersuchung des Pew Research Center (04.05.2021), einem us-amerikanischen Meinungsforschungsinstituts. Danach gibt es in Deutschland besonders viele Menschen die es vorziehen, vorsichtig zu sein, um Anstoß zu vermeiden. Während es in Deutschland eine Mehrheit ist, sind es in den USA, dem Land, in dem die politcal correctness erbrütet wurde nur 40 Prozent, die lieber vorsichtig in ihrer Meinungsäußerung sind. Auch in England (UK) und Frankreich, gibt es anders als in Deutschland keine Mehrheit für – zugespitzt - Opportunismus als Tugend.

Man will es vielleicht auch gar nicht so genau wissen. Zwar bekommt eine größere Öffentlichkeit immer mal wieder mit, dass trans – Aktivismus bisweilen nicht dazu neigt, eine Auseinandersetzung um die richtige Position durch Debatte zu suchen. Selbst die Tagesschau hielt für nachrichtenwertig, über den Rückzug einer Professorin aus der Lehre der Universität in der Nähe von Brighton, Großbritannien zu berichten. Solche an Personen, statt an Inhalten ausgerichteten Streits, deren Erfolge in der „Erledigung“ der als feindlich identifizierten Personen bestehen, dürfte dann auch der Letzten klar machen, dass die Treiber:innen um die Debatte zur Negierung bestimmter biologischer Einsichten, die Pluralität und Vielheit, keinesfalls auf den Streit darum, was Geschlecht ist, übertragen möchten.

Kathleen Stock jedenfalls hat 2021nach 18 Jahren als Professorin der University of Sussex das Handtuch geworfen. Sie hielt das Mobbing, initiiert von einer Gruppe queerer, transsexueller und nicht-binärer Student:innen gegen sich nicht mehr aus. Richtigerweise muss man sagen, dass ihre Kolleg:innen keinen Finger für sie rührten, um sie gegen die Anfeindungen aus dem studentischen Lager zu schützen und dass diese Verbeugung vor dem Druck, der feministischen Philosophieprofessorin, die mit einer Frau verheiratet ist, ihr die Universität in Sussex verleidet hat.

Auch in Deutschland ist es in bestimmten akademischen Bereichen völlig normal, sich der Idee der vielen Geschlechter als biologische Tatsache anzunähern, die vermeintlich den Forschungsstand des 21. Jh. wiedergibt. Man meint es ja nicht böse, sondern glaubt sich modern und weltoffen (49 Prozent, Insa/Bild). Warum soll ein biologischer Mann nicht Frau sein dürfen und umgekehrt oder sich zwischen den Geschlechtern verorten?

Respekt und Sachlichkeit

Nur dass es darum rein gar nicht geht. Die meisten Personen die als trans – feindlich angegriffen werden, sind Personen aus dem links-grünen und feministischen Spektrum. Die riesige Solidarität mit den trans – Aktivisten und Funktionären beruht auf einem riesigen Mißverständnis und eine wesentliche Grundlage dafür ist die Abstinenz vieler, sich mit den Fragen der LGBTQIA+ -Community vertieft auseinander zu setzen.

Seid wer und liebt wen ihr wollt, ist die überwiegende Haltung und das ist auch gut so. Wenn sich nun aus die Community Menschen gegen „Gegen trans*feindliche Berichterstattung, für einen respektvollen und sachlichen Umgang!“ (Überschrift der Petition) einsetzen, dann gibt es dafür spontan und aus dem Bauch Zustimmung. Auch das ist als Impuls erst einmal sympathisch. Dies gilt aber den trans– und inter – Menschen, in die man sich glaubt hineinfühlen zu können und von denen man annimmt, dass es verdammt schwer ist, als „Exot:in“ in der Mehrheitsgesellschaft zu existieren. Gut, dass die bundesdeutsche Realität überwiegend so ist, dass es diesen von den Petenten geforderten respektvollen und sachlichen Umgang gibt.

Allerdings müsste man eine „trans-feindliche Berichterstattung“ wohl in jedem Fall aushalten. Erdulden muss man sie allerdings nicht. Aber es müsste in den Streit um die Sache eingetreten werden, den die trans – aktivistische Seite nur dem Anschein nach führen möchte. Den Bekenntnissen zu Diversität und Variantenreichtum sollte eine Debattenpraxis folgen, die inhaltliche Auseinandersetzung als intellektuelle Herausforderung begreift, statt sich beleidigt zu fühlen. Das heißt nicht, dass man mit Beleidigern und Verachtung bekundenden Menschen so reden sollte, als trügen sie Argumente vor, aber dass man Argumente nicht von vorne herein intentional unterlegt, ihr Vorbringen folgte dem Wunsch nach Negierung transsexuellen Lebens.

Wehret den Anfängen

Am Beispiel von Dana Mahr, die sowohl ein langes Interview in der Frankfurter Rundschau gegeben hat, wie im Tagesspiegel breiten Raum bekam, um gegen Marie-Luise Vollbrecht Sachliches wie Unsachliches vorzubringen, lässt sich das Muster erkennen. In ihrer Verteidigung des Arbeitskreises kritischer Jurist:innen, der dazu aufrief, Vollbrecht keinen Raum für Transphobie in der Humbold Universität zu gestatten, in dessen Folge die Universitätsleitung der HU den Vortrag von Marie-Luise Vollbrecht cancelte (verschob), behauptet Mahr in der FR, dass es dem AKJ nur um Kontextualisierung ging „und zwar im Licht ihres teils aggressiven und persönlich übergriffigen Aktivismus“. Dabei wollten die Student:innen „darauf aufmerksam machen, dass Vollbrecht tief in reaktionäre und gruppenbezogen menschenfeindliche Netzwerke eingebunden ist, wie man sie bisher nur aus den Vereinigten Staaten kannte“. Es ist also Widerstand im Sinne von „Wehret den Anfängen“ gegen einen linksgewandeten reaktionären Angriff auf Menschenwürde und Freiheitsrechten, weswegen sie es erschreckend findet, dass „das Bundesministerium für Bildung und Forschung die Entscheidung der Humboldt-Universität, Vollbrecht keine Bühne zu geben, als einen unhaltbaren Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit darstellt“. Hingegen weiß sie sich einig mit dem Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, Volker Beck, der am 03.07.2022 getwittert hatte: „Sicherheitsbedenken sollten kein Grund zur Absage eines Vortrages in einer demokratischen Gesellschaft sein. Die Ablehnung des inhumanen Biologismus der Vortragenden schon“.

Das Muster; nach dem Motto: Warum denn immer gleich sachlich werden, wenn es auch persönlich geht, erzeugt die Drohkulisse, vor deren Hintergrund zunächst auf Einsicht in das Argument der Betroffenheit und des Respekts gesetzt wird. Denn im Zweifel gilt, Jenny Wilken von der Deutschen Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität brachte es auf den Punkt: „Was transfeindlich ist, bestimmen Betroffene“ (Berliner Zeitung, 15.07.2022).

Gendergagga

Nicht selten müssen Wissenschaftler:innen erfahren, dass ihnen die Verwendung der Begriffe Mann oder Frau den Weg zur Veröffentlichung versperrt. So beispielsweise bei einem Artikel über Wechseljahresbeschwerden. Hier wurde von Student:innen, die die 33. Studierendentagung der Deutschen Gesellschaft für Volkskunde(!) und dem Titel „Sex.Sex.Sex“. im Mai 2021 zu organisieren hatten und zu der ein Tagungsband geplant war, der Autorin abverlangt, sie möge den Begriff Frau doch gefälligst durch einen Begriff ersetzen, der dem Anspruch der Tagung binäre Geschlechtskonstruktionen zu hinterfragen, gerecht würde.

Solche und ähnliche Beispiele dementieren auch mit einer gewissen Nachdrücklichkeit die Idee, es ginge um die Bekämpfung von irgendwie gearteter trans - Feindlichkeit. Der Trick besteht in der Behauptung, dass die biologische Geschlechtsdefinition eine Verächtlichmachung von trans – Personen sei, weil ihnen abgesprochen würde, dass ihre subjektive Eigenwahrnehmung, eine Entsprechung in der Biologie hätte. Letzteres ist eine durchaus richtige Wahrnehmung. Nur folgt daraus weder die diskriminierende Absicht, noch ist es eine faktische Folge. Vielmehr ist es ein subjektives Empfinden, von dem behauptet wird, es entspräche dem modernen Forschungsstand in der Biologie. Tut es aber nicht.

Worum geht es dann?

Zu vermuten ist, dass das Ziel die Erlangung von Definitionsmacht ist, um so wissenschaftlichen Zumutungen weiteren Eingang und Etablierung in den naturwissenschaftlichen Diskurs zu verleihen. Methode ist hier die Invertierung also Umkehrung des Normbildungsprozesses, von allgemein verbindlichen zu individuell verbindlichen Aussagen und daher dem Ausweichen ins Fluide. Während es früher durchaus üblich war, mit Verweis aufs Tierreich und dem Natürlichen an sich, auf die Perversion homosexueller Lebensweisen hinzuweisen, kehren trans – Aktivist:innen die Sache um. Mit Verweis auf gesellschaftliche Prozesse, soll sich eine Kategorie, die so bewährt ist wie die biologische des Geschlechts, ins Ungefähre aufgelöst werden. Gesellschaftliche Entwicklung haben nämlich die Tendenz unterschiedliche Entwicklungsverläufe zu nehmen und konjunkturellen Schwankungen (Moden) unterworfen zu sein.

Von solchen Gedanken befreit, werfen trans – Aktivist:innen – so beispielsweise durch die schon erwähnte Dana Mahr in der FR (10.07.2022) geschehen – der Biologin Vollbrecht eine instrumentell, willkürliche Bezugnahme auf binäre Geschlechtsstrukturen vor, die absichtsvoll nicht über „Schleimarten oder Pilze ..die in einem sehr generellen Sinn die Tendenz zur Zweigeschlechtlichkeit unterlaufen“ spricht. Was wohl belegen soll, dass die Verteidigung wissenschaftlich begründeter Kategorien gegen die Ansprüche von trans – Aktivist:innen ursächlich in einer feindlichen Haltung liegt. Eine solche Sichtweise aber entsteht nur, wenn man sich gegenüber den berechtigten Anliegen der Zoologie und Humanbiologie nach verbindlichen Definitionen und Kategorien ignorant abgrenzt und zugleich seine eigenen Belange absolut setzt. Denn es ist ja keineswegs egal, ob man die Frage von männlich weiblich über die Gameten (Keimzellen) definiert, oder es der Selbstauskunft – jedenfalls im Bereich der Humanbiologie – der jeweiligen Person anheimgibt.

Wichtig bleibt festzuhalten, 1. dass sich aus dem Wissenstand der biologischen Forschung keine Funken schlagen lassen für die These, dass es mehr als zwei Geschlechter gibt und 2., dass dies für das soziologische Geschlecht, dass wir uns angewöhnt haben, mit Gender zu bezeichnen, rein gar nichts aussagt. Individualität und das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit sichern verbindlich ab, dass Menschen das Recht haben, sich zwischen den Geschlechtern und auch gegen das eigene biologische Geschlecht zu verorten. Dieses Recht kann der Gesellschaft aber nicht abnötigen, sich vor dieser Ausgestaltung von Individualität dergestalt zu verneigen, dass es die Sichtweise dieser Minderheit zu übernehmen hätte.

Zuckerbrot und Peitsche

Artig wird sich in dem Petitionstext bei folgsamen Journalist:innen bedankt, die sich in den Dienst der guten trans - Sache stellen: „Wir schätzen wert und nehmen als positiv wahr, dass einerseits immer mehr Journalist*innen ihre Kenntnisse zu Trans*-Themen ausbauen und Selbstvertretungen für Hintergrundgespräche, Interviews oder als Kommentator*innen anfragen[1].

Wären da nicht die anderen, die sich der freizügig angebotenen Hilfestellung beim Abfassen von Beiträgen nicht bedienen und glauben, sie könnten sich selbstständig ein Bild machen. Schnell fließen dann transfeindliche Positionen in diese Berichte ein und so „tragen unkritisch übernommene Darstellungen zur Trans*feindlichkeit bei“. Zwar möchten auch die Verfasser:innen der Petition die Meinungsfreiheit abstrakt nicht negieren, konkret aber schon. Diese Freiheit „umfasst allerdings nicht nachprüfbar unwahre Tatsachenbehauptungen“. Außerdem „endet (sie) mit der Verletzung der Menschenwürde“. Weswegen „die Verantwortung der Medien für eine tatsachenbasierte und menschenwürdige Berichterstattung“ eingefordert wird.

Das alles hört sich beim flüchtigen Schauen vielleicht nicht einmal spektakulär, sondern für naive Leser:innen fast schon selbstverständlich an. Spätestens aber wenn man sich die Beispiele anschaut, die von den Petenten als Beleg für Menschenfeindlichkeit und Anschläge auf die menschliche Würde von trans – Menschen angeführt werden, hat man eine Idee davon, dass man es mit allem, nur nicht mit Selbstverständlichem zu tun hat. So wird die Tatsache von Interviews mit Alexander Korte oder die Berichterstattung zu Kathleen Stock deswegen als trans -feindlich kritisiert, weil es nicht im Sinne der Petenten von den Redaktionen „eingeordnet“ wurde und damit der/die Leser:in unbetreut zurückgelassen wird. „Deswegen appellieren wir an Medien, abwertende Meinungsäußerungen nicht unhinterfragt zu übernehmen“. Dem Leser und der Leserin möchte man nicht zumuten, sich aus unterschiedlichen Quellen zu informieren. Da die Wahrheit feststeht, haben die Medienschaffenden gefälligst für deren Verbreitung zu sorgen. Auf keinem Fall darf etwas ≠Wahrheit ohne die Einordnung als von der Wahrheit abweichend veröffentlicht werden.

Wahrheit und Pflicht

Gerade da, wo scheinbar Selbstverständliches geäußert wird, liegt der Hase im Pfeffer. Darüber was „nachprüfbar unwahre Tatsachenbehauptungen“ sein können, gehen die Meinungen weit auseinander. Diejenigen z.B., die die Tatsache der Zweigeschlechtlichkeit negieren, behaupten, dass der Geschlechterdualismus in der Biologie extremst 70er Jahre-Wissen, unwissenschaftlich und mithin eine „nicht nachprüfbar unwahre Tatsachenbehauptungen“ sei.

Das Problem entsteht u.a. auch deswegen, weil Biologen wie Heinz-Jürgen Voß, der u.a. am 11. Juli 2022 den Vortag „Nur zwei Geschlechter? Zur Dekonstruktion des Geschlechts in der Biologie“ gehalten hat, soziale Beziehungen und Ausformungen wie Nähe, Zusammenhalt, Gruppendynamik usw., da sie der Arterhaltung dienen-, in den biologischen Bereich hereinziehen und damit die Soziologie nicht mehr klar von der Biologie abgrenzen und wohl hoffen darüber die Legitimität zu erzeugen, die es erlaubt, die Begriffe soziales und biologisches Geschlecht nach eigenem Gusto verwenden zu dürfen. Andererseits gibt es dann von Menschen wie Volker Beck den Vorwurf des „inhumanen Biologismus“ (Twittertweet vom 03.07.2022), z.B. gegenüber Frau Vollbrecht, die zwischen Geschlecht und Gender differenziert. Implizit unterstellt der Vorwurf des inhumanen Biologismus, die Definitionsgewalt von Biologen gerade über gesellschaftliche Fragestellung und suggeriert, dass von dort die Konstruiertheit von sozialen Geschlecht/Gender negiert würde.

Spektakulär wiederum ist, wie Heinz-Jürgen Voss sich einerseits auf den Molekulargenetiker und Direktor am Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie in Plön Diethard Tautz sehr positiv bezieht und ihn in dem erwähnten Vortrag zustimmend zitiert, andererseits aber seine Schlussfolgerung unerwähnt lässt: „Ja, deswegen finde ich es auch problematisch, dass aus Teilen der queeren Community versucht wird, neue Kategorien zu erfinden, das macht keinen Sinn, weil es eben ein Spektrum ist. Auch wenn die primären Geschlechtsorgane männlich oder weiblich sind, kann alles was danach kommt, eine andere Verteilung haben, also Verhaltensweisen, Strategien und Bevorzugungen. Evolutionsbiologisch ist das alles sehr einfach zu erklären: Variation ist der Schlüssel zum Überleben der Art und nicht Stereotypen“ (ZDFheute Interview, 07.07.2022).

Damit könnte es nun sein Bewenden haben, wenn es nicht zugleich um Fragen von Macht und Einfluss ginge und deswegen um die Verankerung des Gedankens, dass was trans - Feindlichkeit sei, nur von trans – Menschen bzw. dem Funktionärskörper als Repräsentanz dieser Menschen entschieden werden kann und Journalist:in im Zweifel lieber auf alles verzichten möge, was nicht den ideellen Prüfstempel der trans-Wahrheitsabteilung aufweist. Alles andere, so die Suggestion, ist, ob nun gewollt oder nicht, Abwertung von trans-Menschen, weswegen Ärger vorprogrammiert ist (vergl. Kathleen Stocks Demission von der University of Sussex). Was Opportunisten schnell geneigt machen dürfe, sich mit dem Prinzip Betroffenheit zu arrangieren[2].

Aus David wurde Goliath

Wer Betroffenheit nicht als Ausweis von „Kompetenz-Kompetenz“ akzeptiert, der/die diskriminiert und verletzt. „Abwertend“ verhalten sich stets nur die anderen und potentiell jede, nicht mit der Meinung der Petenten übereinstimmende Meinung, ist ein Angriff auf die Menschenwürde.
Die wissenschaftlich einzig ernstzunehmende biologische Position menschlicher Geschlechtlichkeit steht nicht im Widerspruch zur Idee, wonach Mensch nicht einfach Mann oder Frau – als biologisches Faktum - sondern zugleich Mann und Frau in den mannigfaltigsten Ausdifferenzierungen sind.

Es soll eine Abwertung von trans - Personen sein, Feststellungen zum Geschlecht zu treffen, die sich in der Dichotomie männlich und weiblich bewegen, weil diese als Lebensrealität für sich mehr als zwei Geschlechter definieren. Damit wird der Biologie Hohn gesprochen, sofern man es als biologische Kategorie missverstehen möchte, was jedem Individuum freisteht und zugleich wird dieser Naturwissenschaft der Kampf angesagt, was dann den Bereich individueller und unbedingt schützenswerter Lebensgestaltung verlässt. Der Konflikt ließe sich natürlich leicht lösen, wenn man sich darauf verständigen würde, dass mit der groben Einteilung der Menschen in weiblich und männlich nicht die Individualität infrage gestellt wird. Natürlich darf sich Mensch sowohl zwischen den Geschlechtskategorien wie daneben verorten. Allein es ändert nichts an der Tatsache, dass es aus biologischer Sicht zwei und eben nicht so viele Geschlechter wie Menschen gibt. Wovon jeder Mensch ein Lied zu singen weiß, denn biologisch hat jeder Mensch Vater und Mutter. Völlig egal ob er mit zwei Vätern oder zwei Müttern oder zwei trans – Menschen aufwuchs.

Angegriffen wird von den Petenten insbesondere fachlich gut begründete und ausgewogene Kritik: „Zu oft wird auf fragwürdige Quellen zurückgegriffen, deren Behauptungen zwar “schlagzeilentauglich, aber wissenschaftlich sehr umstritten sind. Solche umstrittenen Einzelmeinungen erhalten somit verhältnismäßig große Aufmerksamkeit und Gewicht, und spielen damit falscher Ausgewogenheit [“False Balance”] in die Hände. Auch sparen sich viele Medien zu oft fundiert recherchierte Einordnungen.“ Zu den Beispielen gehört dann auch ein Interview mit Alexander Korte, das Kaija Kutter und Jan Feddersen für die taz führten („Es ist hip, trans zu sein“,taz 02.05.2022).

Grenzen der Pressefreiheit

Es soll also um die Selbstverpflichtung der Presse gehen, sich künftig zu hüten, irgendetwas über trans inter queer oder Geschlecht zu veröffentlichen, ohne es dem/der ideellen Gegenleser:in von beispielsweise TransInterQueer (TrIQ e. V.) zuvor zur Begutachtung vorgelegt zu haben. Am liebsten natürlich als gegenlesender Dauergast im Oberstübchen der Journalist:innen. In diesem Zusammenhang muss noch einmal auf die Einlassungen von Dana Mahr (FR 10.07.2022) Bezug genommen werden, die sich wie folgt auf Korte bezog: „Einzig der Kinder- und Jugendpsychiater Alexander Korte verfügte über eine gewisse Fachkenntnis. Diese ist jedoch stark durch sein christlich-konservatives Weltbild überformt, wodurch er wiederum in Fachkreisen umstritten ist und von ehemaligen Patient:innen heftig kritisiert wird“ (ebenda). Interessant deswegen, weil er sich in dem von den Petenten als Negativbeispiel angeführten Interview selbst als links-konservativer „Stammwähler der Grünen“, verortet, der heute noch die ökologische Bewegung und ihr Thema für sich als das Wichtigste erachtet.

Man verrät sicherlich kein Geheimnis, wenn man unterstellt, dass es identitären Gruppen wie den trans – Aktivist:innen ohne Feinddefinition wesentlich schwere fiele, ihre internen Prozesse zu organisieren. Sie müssten – insbesondere da, wo sie vom Aktivismus leben –, viel stärker materiell nachprüfbare Erfolge für die Masse der trans – Menschen bilanzieren, als so, wo die behauptete äußere Bedrohung jeden intern kritischen Ansatz schnell zum Verstummen bringt.

Political correctness

Längst geht es also nicht mehr nur um Akzeptanz extravaganter und von quer zum Mainstream stehenden Lebensweisen, sondern um die Normsetzung aus der Position gesellschaftlicher Minorität. Das als solches ist sicherlich mal mehr, mal weniger ein legitimer Ansatz zur Eroberung von gesellschaftlichem Terrain, in dem man selbst die Duftmarken setzt und auf Dominanz abzielt. Problematisch ist aber spätestens die Unterstützung durch staatlich und durch Steuergeld konstituierte Akteure, die zunehmend in ein Geflecht von identitären Akteuren eingebunden werden, deren Minimalkonsens darin besteht, sich gegenseitig nicht durch die eigenen Schrebergärten zu trampeln und jeweils die Expertise der anderen nicht infrage zu stellen und so die Macht jedes einzelnen Gruppenakteurs zu hebeln, indem man sich gegenseitig und verlässlich unterstützt.

Daraus resultiert ein weiterer gemeinsamer Nenner, nämlich, dass man sich der Idee verpflichtet weiß, politisch stets korrekt sein zu wollen. Also hypersensibel, wenn es um vulnerable gelabelte Minderheiten geht und das Gegenteil, sofern man sich mit „dem Feind“ auseinandersetzt. Feind ist jedeR, der/die sich nicht dem Dogmatismus unterwirft, dass der eigene Äußerungsraum durch Betroffenheit und Betroffene eingegrenzt wird und diesen Zensurakt auch noch positiv bewertet und gar als Respekt missversteht, vollständig emanzipiert vom Inhalt des Begriffs Respekt. Respekt ist nicht mehr die Mühe der Auseinandersetzung und Kritik, sondern Opportunismus gegenüber jeder Äußerung, die mit Hinweis auf die eigene Betroffenheit, Unterordnung verlangt. Mit anderen Worten, die Selbstverpflichtung sich ausschließlich und nur politisch korrekt zu äußern.

Pressure group

Um aus dieser Veränderung des politischen Lebens und der daraus resultierenden Landschaft maximalen politischen Profit zu schlagen, hat man sich am Lobbyismus orientiert und als Pressure Groups organisiert. Das Geheimnis des Erfolgs besteht in der Verbindung von Minderheitenanliegen mit anderen Minderheiten, die gleichfalls als Lobbygruppen organisiert sind und so eine starke Phalanx bilden können, um mit minoritären-Anliegen den Anschein gewaltiger Unterstützung zu generieren und ihn teilweise auch ganz real zu erlangen. Das ist völlig legitim, ebenso wie das Aufzeigen dieses Mechanismus, der vorwiegend eine Kritik am opportunistischen Wegducken ist.

Allerdings lässt sich trefflich fragen, ob die Verfasserin:innen der Petition um die es hier geht, wirklich klug beraten waren, sich auf den Markt der Sammlung von Einzelunterschriften zu begeben. Während nämlich die Phalanx der Erstunterzeichner beeindruckend daherkommt, weil es zahlreiche Organisationsnamen versammelt, deren personelle Stärke kaum zu ermitteln ist, ist das Ergebnis individueller Zeichnungen eher bescheiden zu nennen. Kaum 5.000 Unterzeichner:innen gibt es seit dem Start der Petition am 27. Juni 2022.

Deswegen kommt der Kooperation von Organisationen, denen nicht zuletzt viele tausend Menschen auch ihren Lebensunterhalt verdanken, hohe und höchste Bedeutung zu. Man unterstützt sich gegenseitig und das zum eigenen Vor- und bisweilen zum Nachteil einer Gesellschaft, die zwar strukturell andere Mehrheiten aufweist, diese aber nicht nach den neueren Gesetzen politischer Wirksamkeit zur Aufführung bringen kann oder will, und die weder organisiert ist, noch über adäquate Repräsentationsorgane verfügt.

Wenn die Interessen, bzw. das was im Namen extremer Minderheiten als solche ausgegeben werden, mehr Aufmerksamkeit durch die Medien und Politik bekommen, als die von nach eigener Einschätzung normalen Menschen, die tagtäglich durch ihre Arbeit sicherstellen, dass Krankenhäuser, Altenheime, Einzelhandelsgeschäfte, Behörden und Handwerke alle Arten usw. funktionieren, dann kann es irgendwann kritisch werden. Die Mehrheit, die sich nicht artikuliert, bleibt gleichwohl Mehrheit und vor allem leidet sie zunehmend an der Ohnmachtserfahrung, die sich aus ihrer Nichtwahrnehmung ergibt.

Problematisch ist nicht, dass sich Interessen organisieren und wirkungsvoll artikulieren, sondern dass die Mitte dem Treiben an den Rändern opportunistisch den Widerspruch verweigert, wenn es etwas zu widersprechen gibt. Das denkfaule, feige und opportunistische sich ergeben, gegenüber aktivistischen Funktionären und von ihnen mobilisierbaren Anhänger:innen, indem man Grenzsetzungen akzeptiert, die man beispielsweise dem Staat und Unternehmen niemals durchgehen lassen würde ist erbärmlich. Betroffenheit schlägt Fachlichkeit. Expertise muss zumindest die Betroffenheitsperspektive inkludieren, sonst ist sie im besten Fall wertlos, im schlechteren verletzend, feindlich, menschenverachtend.

Das Heteronormativität entgegengestellt wird, dass es auch andere Präferenzen gibt und dass die Mehrheitsvorstellung für den oder die Einzelne rein gar nichts besagen will, ist ein gesellschaftlicher Fortschritt, auch wenn damit sexuelle Energie ohne jede Reproduktionsidee befördert wird, weil Selbstbestimmung und Zufriedenheit von Individuen der höhere Stellenwert beigemessen wird, als der Absicherung des Rentensystems.

Schlüsselrolle Geschlecht

Wenn das binäre System Mann, Frau grundsätzlich und erfolgreich in Zweifel gezogen wird und damit zugleich die gelebte Normativität der übergroßen Mehrheit der Menschen, dann ist das einerseits idiotisch und zugleich hat es – eben deswegen - ein stark verunsicherndes Moment, in einer zum Opportunismus neigenden Gesellschaft, weil es die Selbstverortung und Deckungsgleichheit mit der Kategorie biologisches Geschlecht tendenziell angreift. Wenn Geschlecht per se fluid ist, dann fällt für die heranwachsenden Generationen tendenziell auch ein wesentliches Moment von identitätsbildender Sicherheit fort. Schon das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat in seiner Entscheidung zur geschlechtlichen Identität festgestellt „Der Zuordnung zu einem Geschlecht kommt für die individuelle Identität unter den gegebenen Bedingungen herausragende Bedeutung zu; sie nimmt typischerweise eine Schlüsselposition sowohl im Selbstverständnis einer Person als auch dabei ein, wie die betroffene Person von anderen wahrgenommen wird“ (BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 10. Oktober 2017, 1 BvR 2019/16, RN 39).

Hegemonie

Die Essentials für die Operation unter der falschen Flagge - false flag - „trans*feindliche Aktivitäten unterbinden“ sind erstens die Vernetzung mit Aktivist:innen jedweder Couleur, zweitens die Determinierung studentischen Lebens in Bezug aufs eigene Thema, drittens die Erlangung eines bestimmenden Einflusses auf die Medien und viertens die Beeinflussung und letztendlich Bestimmung von Lernmaterialien zum Thema. Das Ganze flankiert durch juristische Erfolge und intensives Lobbying gegenüber den Fachpolitiker:innen der Parteien. Die Bekämpfung von trans-Feindlichkeit ist nur Aufhänger, aber nicht das eigentliche Thema. Ziel ist die Hegemonie bei der Beantwortung der Frage, wie sich geschlechtliche Identität konstituiert und welche Rolle die Biologie dabei spielt.

Meilensteine

Hierzu war das Urteil des BverfG, das verbindlich den Anspruch von Personen auf Schutz der geschlechtlichen Identität, die sich dauerhaft weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen lassen, ein Meilenstein. Ein nächster war die Vorstellung des Eckpunktepapiers Selbstbestimmungsgesetz durch Lisa Paus und Marco Buschmann zum Selbstbestimmungsgesetz am 30.06.2022. Während die Entscheidung des BVerfG aufgrund der Klage einer Person mit atypischen Chromosomensatz (sog. Turner-Syndrom) erging und dieser und ähnlichen Personen das Recht zugestanden wurde, mit einer eigenen Geschlechtskategorie zwischen den beiden Geschlechtern amtlich erfasst zu werden, geht die Verabredung der Koalitionäre (Koalitionsvertrag, → Queeres Leben, S.95) weit darüber hinaus, indem sie die Frage des Geschlechts zu einer der Tagesform und der Lust und Laune des Individuums macht, mit allerdings ganz erheblichen Folgen.

Mit dem verabredeten Selbstbestimmungsgesetz soll das durch Entscheidung des BVerfG (Beschluss vom 11. Januar 2011 - 1 BvR 3295/07) bereits modifizierte Transsexuellengesetz( TSG) von 1980 ersetzt werden, dass sehr hohe Hürden bei der Änderung des Geschlechtseintrag vorsieht. Die Tatsache, dass nach dem TSG im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens zwei Gutachten zu erbringen waren, um eine Personenstandsänderung herbeizuführen, nannte Frau Paus „demütigend“. Absichtsvoll wurde von ihr übersehen, dass das BVerfG das Erfordernis zweier Gutachten als prozessrechtliches Mittel zum objektiven Nachweis der rechtlichen Voraussetzungen eines Geschlechterwechsels eine Woche nach dem Urteil zur geschlechtlichen Identität als verfassungsgemäß angesehen hatte und auch ausdrücklich dabei festhielt, dass Transsexualität keine Krankheit sei (BVerfG, Beschluss 17.10.2017, 1 BvR 747/17, RN 6ff.).

Wohl selten hat eine BVerfG-Entscheidung den Weg für ein sehr viel weitergehendes Gesetzesvorhaben freigemacht, als die vom 10. Oktober 2017. Aus dem Schutz des Persönlichkeitsrechts von Personen, die sich nicht eindeutig den Kategorien männlich und weiblich zuordnen lassen, wurde jetzt ein Gesetzesvorhaben der Bundesregierung (Gleichheitsgesetz), das die Frage der sexuellen Identität dem/der Einzelnen überlässt und die ihn/sie minimal (ein Jahr) bindet.

taz ist Sperrspitze der trans – opportunistischen Gefälligkeitsberichterstattung

Der taz-Journalist Weissenburger darf als Prototyp für die Art Journalismus gelten, den die Petenten der Petition an die Medienschaffenden verallgemeinert sehen möchten: Sein Artikel aus taz vom 07.072022 wurde auf Twitter vom TransMedienwatch-Kampagnenkanal sofort retweetet mit der Bemerkung: „Hier noch ein schöner Artikel für @TransMedien, der wichtige Erkenntnisse auf den Punkt bringt. Danke an @weissenpeter

Der Artikel ist ein wahrer Gemischtwarenladen an negativen Adjektiven, die den vermeintlichen trans-Feind:innen zugerechnet werden. Willkür, Herrschaftserhalt, Unterdrückung, homo und transphob, Entwertung von inter- oder trans-Geschlechtern und homosexuellem Begehren, Vermessen zum Zwecke des Freiheitsentzugs, totalitäre Herrschaft, neurechte Strategie und völkische Ideale. Das alles fein säuberlich auf 13 Thesen verteilt, um was zu tun? Die Debatte um Fakten zu bereichern, die über die Frage Geschlecht, Geschlechter und wenn ja, wie viele? entbrannt ist: „Fakten, Fakten, Fakten“ lautet die Überschrift, die die taz dem Debattenbeitrag gab. Weiter hieß es: „Die Debatte über das Geschlecht geht stetig weiter. Unser Autor hat dazu einmal dreizehn wissenschaftliche Fakten herausgesucht“.

In Anlehnung an Wiglaf Droste wäre zu entgegnen, wo das als positiver Bezug auf Wissenschaft durchgeht, gelten Frisöre als Hirnforscher. Der Zweck ist nämlich das gerade Gegenteil. Wissenschaft als Buchstabensuppe, aus der man sich herausfischen kann, was einem passt. Aber darum geht es auch nur am Rande.

„Die Vielfalt …gestattet biologische Einteilungen in null bis unendliche Geschlechter“ (Weissenburger, These 2 in taz vom 7.7.2022). Damit muss man sich Geschlecht als Wille und Vorstellung des/der Einzelnen imaginieren. Eine geschlechterspezifische Ansprache von Kindern in der Kita und Schule wäre damit schon nicht mehr möglich, sofern sie auf dem biologischen Geschlecht beruhte, da damit unzulässig etwas vorausgesetzt wird, dass sich durch Vorstellung und Wille erst zu konstituieren hat.

Von seinen 13 Thesen ist die 5. vielleicht die Schönste:
Biologische Modelle auf menschliche Gesellschaften zu übertragen, ist hingegen kein neutraler Akt, sondern ein politischer. Häufig mit dem Zweck, Herrschaft zu erhalten oder zu unterdrücken. Vergleichen Sie: Sozialdarwinismus, Rassentheorie, biologistische Theorien über die ‚Unterlegenheit der Frau‘“ (taz, 07.07.2022)

Dadurch, dass man mit diesem Geschwurbel so umgeht, als handle es sich um ernsthafte Beiträge zu einer notwendigen Debatte, wird der Gesellschaft nach und nach die Resilienz gegen Vorstellungen galoppierenden Unsinns genommen. Außerdem gibt es nicht den Punkt, wo der Geist der Scharlatane sagen würde, nun habe ich genug, ich leg‘ mich hin und schlafe. Das Gegenteil ist der Fall. Er ist unersättlich und er wird stets neue und noch wunderlichere Grillen entwickeln. Deswegen muss man sich ihm argumentativ entgegenstellen, auch wenn es erst einmal nicht zur Debatte, sondern nur einem Nebeneinander von Positionierungen kommt. Allerdings darf man nicht mit der gleichen Intoleranz, die trans – Funktionär:innen praktizieren und propagieren, vorgehen, sondern mit der Akzeptanz individueller Abgrenzung gegen bestehende Normen. Jeder Mensch soll das Recht haben, sich so zu definieren, wie es ihm am meisten Zufriedenheit bereitet. Die Freiheit endet noch nicht einmal da, wo sie in die Freiheit derjenigen eingreifen möchte, für die sich die vorherrschende Normativität als brauchbar und zufriedenstellend erwiesen hat, bzw. da, wo man der Naturwissenschaft Biologie aus soziologischer und/oder juristischer Sicht erklären möchte, wie sie Kategorien zu bilden hat.

Die Berufung auf das Recht des Individuums, welches sich dauerhaft weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zugehörig fühlt auf geschlechtliche Identität, dass das BVerfG 2017 anerkannt bzw. als Verfassungsauftrag erkannt hat, hatte seine Schuldigkeit in diesem Moment für den aktivistischen Teil getan. Fortan sollte daraus das Recht eines und einer Jeden werden, sein/ihr Geschlecht selbst zu bestimmen und sei es auch nur für ein Jahr, so die Intention des geplanten Selbstbestimmungsgesetzes: anything goes.

Vielleicht ist das auch die richtige Schlussfolgerung. Jedenfalls muss hierüber diskutiert werden können und vor allen Dingen, die Debatte muss breit geführt werden. Manuela Branz hat zu dieser Idee angemerkt: „Während die Idee vom Geschlechterspektrum die neoliberale Illusion vermittelt, als könne jeder sein, was er wolle und als spiele das reproduktive Geschlecht bei dieser Erkennung des sogenannten wahren Geschlechts keinerlei Rolle, während also der evolutionsbiologische Zusammenhang von Geschlecht als zwar irgendwie vorhanden, aber für die Definition von Geschlecht als irrelevant verbrämt wird, entwickelt sich im Hintergrund ungestört die alte Machtverteilung zwischen Mann und Frau“( Manuela Branz, Die moralische Wissenschaft, 14.11.2021).

Gleichheitsgesetz

Das Gleichheitsgesetz wird voraussichtlich in 2023 beschlossen werden. Parallel – weil das Gesetz schon als beschlossen wahrgenommen wird, wird die Kategorie Mann und Frau als überholt angegriffen. Man kann auch ein Mann mit Gebärmutter und Frau mit Penis sein. Was sich in und an den Hochschulen erfolgreich erprobt hat, setzt an zum Sprung in die Mitte der Gesellschaft, um dort verlässlich die Tonalität bestimmen zu können.

Peter Weissenburger hat die Strategie – wenn auch hinter dem Nebel des Vorwurfs gegen „Rechts“ klar benannt: „Die Strategie ziele darauf ab, „dass Meinungsmacher*innen der Mitte beispringen, wenn sie die Mehrheit und ihre Vorstellungen verhöhnen und alle Abweichler*innen ihrer trans - und queer - Idealschablone einschüchtern“. (Das Original geht hingegen so:
„Ihre Strategie zielt darauf ab, dass ihnen Mei­nungs­ma­che­r*in­nen der Mitte beispringen, wenn sie soziale Bewegungen und den Pluralismus verhöhnen und alle Ab­weich­le­r*in­nen ihrer völkischen Idealbürgerschablone einschüchtern“.)

Die Strategie der Petenten geht dabei noch ein Stück weiter, sie versichert sich der Unterstützung des Staates über von ihm in der Rechtsform privatrechtlicher Stiftung mit Steuergeld errichteten und durch institutionelle Förderung erhaltenen Organisationen.

Als die Bundesstiftung Magnus Hirschfeld (BMH) 2011 von der Bundesrepublik Deutschland errichtet wurde, standen dafür10 Millionen aus Mitteln des Bundes als Stiftungskapital zur Verfügung.

Der Satzungszweck derBMH besteht darin, „1. die nationalsozialistische Verfolgung Homosexueller in Erinnerung zu halten, 2. das Leben und Werk Magnus Hirschfelds sowie das Leben und die gesellschaftliche Lebenswelt homosexueller Männer und Frauen(Fettungen d.d.Verf.dieses Artikels), die in Deutschland gelebt haben und leben, wissenschaftlich zu erforschen und darzustellen und 3. einer gesellschaftlichen Diskriminierung homosexueller Männer und Frauen in Deutschland entgegenzuwirken“.
Im Kuratorium der Stiftung sitzen neben zivilgesellschaftlichen Akteuren Ministeriumsvertreter:innen gemeinsam mit Vertreter:innen der Parteien und der Bundesminister der Justiz steht dem Gremium vor.

Diese Bundesstiftung hat jüngst die hier ausführlich besprochenePetition unterschrieben, die sich an die Medienschaffenden in diesem Land richtet und deren Ziel es primär ist, die Pressefreiheit durch Selbstbindung an die Sichtweise sog. Betroffener zu unterhöhlen.

Man stelle sich vor, die Forderung der trans – Aktivist:innen wäre ein allgemeines Prinzip, dann wäre grundsätzlich, keine irgendwie geartete kritische Berichterstattung und erst recht keine Polemik mehr möglich. Es wäre das Ende einer Idee von einer unabhängigen Presse, die stets Distanz zum Objekt ihrer Berichterstattung zu halten hat. Der Gesinnungsjournalismus allerdings dürfte sich bestätigt fühlen, also diejenigen Journalisten, die eigentlich den Beruf des Aktivisten/Lobbyisten nachgehen.

Natürlich kämpfen die Petenten um die Ehrenrettung der Wahrheit, was auch sonst? Ein ggf. Mangel an Wahrheit war aber schon immer die Begründung für jedwede Zensur, weswegen im Land der Zensur die Meinungsfreiheit „(..)allerdings nicht nachprüfbar unwahre Tatsachenbehauptungen (umfasst)“ (Petition). Das sich an diesem Kampf der Einhegung unabhängigen Journalismus‘ auch Institutionen beteiligen, die zumindest indirekt dem Staat zuzuordnen sind, ist so ungeheuerlich wie zeitgeistangepasst.

FN

[1] Wie erfolgreich Medien auf „trans-freundliche“ Berichterstattung mittlerweile eingeschworen sind, konnte man sehr schön auf Deutschlandradio in der Sendung Breitband über 20 Minuten unter dem Titel: „Verschwörungsmythen über trans* Personen und wie Medien auf sie hereinfallen“ (16.07.2022) anhören. Unter dem Pseudonym Sascha Kranke berichtete eine Mitarbeiter:in der Amadeu Antonio Stiftung der dortigen Fachstelle Gender, GMF und Rechtsextremismus u.a. über die Annährung der Diskurslinien linker und rechter trans-Feindlichkeit

[2] Grüne kennen das. So entstand u.a. ihr erstes Bundesprogramm 1980, was ihnen Jahrzehnte später erheblichen Ärger einbrachte, weil sie nicht zu erklären vermochten, wieso Kleinstgruppen Passagen des Programms ganz allein formuliert hatten, auch wenn es von der ganzen Partei abgestimmt worden war. Auch der taz war dieses Konzept vertraut und es hing eng mit dem Konzept der Gegenöffentlichkeit zusammen, die der Informations-Dienst zur Verbreitung unterbliebener Nachrichten (ID) der Anfangs-taz vererbt hatte. Damals war die Selbstermächtigung aus Betroffenheit der notwendige Impuls, um aus einer marginalen Position den Sturm auf das Zentrum beginnen zu können.

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