Wie man Skandale wegzaubert

Cum-Ex/Warburg/ SPD Hamburg ist eine schöne Stadt. Noch schöner wäre sie allerdings, wenn Geld, Macht und Leitmedien weniger eng verbandelt wären.

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Mackie Messer ruft dem Volk, dass sich zu seiner Hinrichtung versammelt hat, zu: „Wir kleinen bürgerlichen Handwerker, die wir mit dem biederen Brecheisen an den Nickelkassen der kleinen Ladenbesitzer arbeiten, werden von den Großunternehmern verschlungen, hinter denen die Banken stehen. Was ist ein Dietrich gegen eine Aktie? Was ist ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank? Was ist die Ermordung eines Mannes gegen die Anstellung eines Mannes?“

Berthold Brecht, Die Dreigroschenoper von 1928.

In der Stadt und dem Bundesland, indem am Sonntag gewählt wird, hat der Wahlkampf 10 Tage vor der Wahl noch einmal an Fahrt aufgenommen. An dem Tag wurde bekannt, dass Ende 2016 schon eine mögliche Forderung des Hamburger Finanzamtes an die Warburg-Bank nicht beschieden worden war und mithin verjährt wäre, wenn nicht die fleißigen Ermittler aus Köln, aus dem Steuerverfahren mittlerweile auch ein Strafverfahren gemacht hätten, in das auch Warburg als Beteiligte involviert ist. Das ergänzte das vorhandene Wissen der Öffentlichkeit, dass Ende 2017 Hamburg erst auf Weisung aus Berlin einen Steuerbescheid über eine Grundforderung von 43 Millionen Euro an Warburg herausgeschickt hatte.

Deswegen war die Information, dass sich Hamburgs Erster Bürgermeister im November 2017 mit dem 40 prozentigen Eigentümer und damaligen Aufsichtsratsvorsitzenden der Bank, Dr. Christian Olearius getroffen hatte, politischer Sprengstoff. Denn das hatte der Senat stets bestitten. Auf eine Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Norbert Hackbusch (DIE LINKE) vom 05.11.19 hat der Senat am 12.11.19 jedes persönliche Gespräch zwischen dem Bankhaus M.M.Warburg und dem Senat abgestritten.

Als am Montag auch noch das „Hamburger Abendblatt“ berichtet, dass die Holding von den beiden Inhabern der Warburg-Bank im Jahr 2017 insgesamt 45.500 Euro an die Hamburger SPD gespendet hatte, wovon 38.000 Euro direkt an den Bezirksverband Mitte gingen, dessen Chef der Bundestagsabgeordnete Johannes Kahrs ist, lag aufeinmal im Scheinwerferlicht, was sonst nur vermutet worden war. Das laute Beschweigen der Hamburgischen Medienlandschaft schien beendet.

Doch dann machte das Abendblatt ein Vollbremsung. Eben noch, mit der Veröffentlichung der Warburg-Spende an die SPD, die zumindest implizite Frage nach einem Zusammenhang bestimmter Handlungen und Unterlassungen der Spitzengenossen der Hansestadt aufgeworfen, besann sich das Blatt und ging wieder in den Modus der bewährten friedlichen Koexistenz mit der SPD über. Im Abendblatt vom 18. Februar schreibt der stellv. Chefredakteur Matthias Iken im Leitartikel des Tages: "Otmar Kury, der Anwalt von Max Warburg, spricht von einem Verdacht, der die Cum-Ex-Affäre noch einmal weitet: Die Berichterstattung könne die Hamburger Bürgerschaftswahl in manipulierender, unzulässiger Weise beeinflussen, so schreibt er. Das ist scharfer Tobak. Aber das Timing und die Größe der Veröffentlichungen verwundern nicht nur Sozialdemokraten und den Warburg-Anwalt".

Das verwundert auch den Stellvertreter in der Chefredaktion des Abendblattes. Weil es aber so offensichtlich ist, dass Cum Ex ein Skandal besonderer Güte ist und die Annahme von Spenden in der Nähe umstrittenen Verwaltungshandels einfach nicht gut aussehen, wird das Unübersehbare angesprochen. Des Pudels Kern aber soll sein "und dieser Aspekt kommt in der Debatte zu kurz – gibt es keine Belege für eine politische Einflussnahme. Und auch die berechtigte Kritik mit dem Wissen das Jahres 2020 darf nicht die Handlungen von 2016 bewerten". Damals war nach Meinung von Iken nicht geklärt, ob das sogenannte Dividendenstripping überhaupt strafbar ist. Und er beklagt ernsthaft die Fixierung auf Hamburg: "Warburg ist einer von fünf Nebenbeteiligten in einem Verfahren, in dem zwei Briten angeklagt sind. Insgesamt haben mehr als 100 Banken sich auf Kosten des Steuerzahlers bereichert, übrigens beraten und begleitet von Großkanzleien."

Absichtvoll wird übersehen, dass ab Januar 2016 die Ermittlungen der Kölner Staatsanwaltschaft gegen Warburg begannen und im Frühjahr 2016 allein zweimal die Geschäfts- und Privaträume von Beteiligten und bei Warburg durchsucht wurden. Die bankenaufsicht BaFin setzte im gleichen Jahr eine Sonderuntersuchung gegen Warburg durch. Der Zwischenbericht mit mehr als 400 Seiten lag Ende 2016 vor. Die Wirtschaftsprüfgesellschaft Deloitte kommt zu dem Zeitpunkt bereits auf bis zu 146,3 Millionen Euro, die Warburg den Fiskus illegaler Weise abgenommen haben könnte. Das Wissen betrügerischen Vorgehens der Bank lag also - natürlich immer nur als Verdacht - auch schon 2016 vor. Iken schreibt ja selbst: "Manches ist neu, vieles aber auch altbekanntes Material eines Steuerskandals". So ist es und deswegen ist die abstrakte Idee, dass Wissen auch einen Zeitkern hat, hier nur dazu angetan, von der zu vermutenden Kumpanei von Stadt und Bank abzulenken. Das es dafür keine Belege gibt, liegt in der Natur dieser Beziehungen zum gegenseitigen Nutzen und zu Lasten des Steuerzahlers. Aber, dass es diese finalen Belege nicht gibt, ändert nichts an der Tatsache des Vorhgandenseins zahlreicher Merkwürdigkeiten, die die Fantasie in unterschiedliche Richtungen anregen können. Es gibt auch noch keine strafrechtliche Würdigung von Cum-Ex-Geschäften, was im Übrigen viel mit der Kumpanei von Bankenverband als Lobby der Cum-Ex-Verbrecher:innen, Großkanzleien von Wirtschaftsprüfern und Rechtsanwälten und Teilen der Politik und der Verwaltung zusammenhängt und trotzdem bestreitet kaum noch jemand, dass es sich bei Cum-Ex-Geschäften um Kriminalität gehandelt hat.

Ikens Verniedlichung der Warburg Bank ist aber ziemlich unerträglich: "Warburg ist einer von fünf Nebenbeteiligten", das hört sich irendwie harmlos an, ist es aber nicht. Das Bonner Verfahren, auf das die Bemerkung anspielt zielt in der Tat auf zwei Hauptangeklagte britische Wertpapierhändler und weil diese Angeklagten voll umfänglich geständig sind und mit der Staatsanwaltschaft kooperierten, kam es zur Beiladung von u.a. Warburg. Bei den beigeladenen Banken handelt es sich um die Holdinggesellschaft der Hamburger Privatbank M.M. Warburg, deren Tochter Warburg Invest. Ansonsten sind auch noch Fondsgesellschaften der französischen Großbank Société Générale, das US-Institut BNY Mellon sowie die Warburg-Geschäftspartnerin Hansainvest Hanseatische Investment-Gesellschaft Beigeladene. Grund ist ihre Beteiligung an den zur Verhandlung stehenden Cum-Ex-Deals. Die Beiladung erfolgt, zum Zwecke der „Abschöpfung von Vermögensvorteilen“, die nicht nur bei den direkt an der Straftat Beteiligten, sondern auch bei den Partizipateuren vorgenommen werden kann. Das Ganze stützt sich auf eine noch recht junge Vorschrift des Strafgesetzbuches, den § 73b StGB. Spannend ist auch, wer nicht als Beteiligter geladen wurde. So nicht die Deutsche Bank, die Depotbank, die von Warburg verklagt wird, weil sie aus Sicht von Warburg pflichtwidrig unterließ Steuern abzuführen. Diese Sichtweise wird von der 12. Großen Strafkammer in Bonn offensichtlich nicht geteilt. Zwar wird davon ausgegangen, dass diese zwar in die Beantragung und Auskehrung der Steuergutschriften eingebunden waren, die betreffenden Beiträge aber nicht bei ihnen verblieben. Was ja für Warburg und Cons. auch keinen Sinn gemacht hätte. Dies landeten bei den Beigeladenen.

Im Gegensatz zum Landgericht in Bonn, hat Iken aber Spaß an dem Narrativ Warburgs, von der kleinen Inhaber geführtern Bank und ruchloser Großbank. Iken bezieht sich nun aber nicht auf die Deutsche Bank, sondern auf die HSH-Nordbank, denn die hatte "freiwillig" ihre aus Cum-Ex-Geschäften erlangten Beträge einschließlich Zinsen an den Hamburger Fiskus zurückerstattet: Er schreibt dazu: "Anders als viele andere Banken hat Warburg lange auf stur geschaltet und sich geweigert, Millionen an den Fiskus zurückzuzahlen. Das liegt auch daran, dass Max Warburg und Christian Olearius mit ihrem eigenen Vermögen haften. Die ebenfalls beteiligten Landesbanken wie die frühere HSH Nordbank haben die Kosten einfach weitergereicht an den Steuerzahler, Bankmanager der Privatbanken ihre Aktionäre bluten lassen. Das alles vermag Warburg nicht freizusprechen, aber es kann die Aufregung relativieren und das Geschehen einordnen". Schade nur, dass er vergisst zu erwähnen, dass sowohl Max Warburg wie Christian Olearus verdächtig sind, auch persönlich in Cum-Ex-Geschäfte kräftig investiert und profitiert zu haben.

Es wird kein Zufall sein, dass sich das in die David-Goliat-Erzählung der Warburg Bank einordnet, die ihre Unschuld stehts mit Verweis auf die Deutsche Bank betonen: "Die Warburg-Bank-Eigentümer versicherten weiterhin, dass das Kreditinstitut beim Kauf von "Cum"-Aktien den Kaufpreis "mit (!) der Kapitalertragssteuer an die Depotbank" bezahlt habe. Die Deutsche Bank habe aber die Steuer nicht an den Fiskus abgeführt. "Würde die Warburg Bank die Euro 47 Millionen entrichten, würde sie zwei Mal bezahlen!" (NDR 90,3 am 15.02.2020)".

Im Übrigen vermag die unbestreitbare Tatsache, dass die HSH-Nordbank als Produkt größenwahnsinniger Politiker:innen von CDU und SPD, nicht nur den größten Raubzug gegen Steuergeld in Hamburg durchzog, sondern der Steuerzahler auch noch mit deren Cum Ex – Verbrechen gebeutelt wurde, Warburg nicht zu entlasten. Es zeigt nur die mangelnde Führsorge des Senats für ihm anvertrautes Vermögen. Die Länder Hamburg und Schleswig-Holstein sicherten die Zahlungsfähigkeit der HSH-Nordbank mit Zahlungsversprechen im zweistelligen Milliardenbereich ab und ließen gleichzeitig zu, dass die Strukturen, die in die finazielle Katastrophe geführt hatten, beibehalten wurden, während gleichzeitig alle Politiker aus dem Aufsichtsrat abgezogen wurden. So konnte man immer sagen: wir wussten von nichts und wir haben keinerlei Einfluss ausgeübt. Die Cum-Ex-Geschäfte im Milliardenumsatzbereich, mit einem Ertrag im dreistelligen Millionenbereich dürften für erhebliche Boni-Zahlungen in und außerhalb der Bank gesorgt haben. Das aber nur nebenbei, denn hier geht es um Cum-Ex-Geschäfte der Warburg Bank und da verwundert es schon, wenn der NDR 90,3 die Geschichte von der bösen Deutschen Bank weitererzählt. Die Warburg Bank hatte nämlich am 11.12.2019 vor dem Landgericht in Bonn von ihrem Anwalt Prof. Dr. Christian Jehke erzählen lassen, Geld an den Fiskus zahlen zu wollen und zugleich behauptet seit längerem Gespräche mit den Finanzbehörden zu führen, um die so erzielten Gewinne unverzüglich an den Fiskus zurückzuerstatten.

Zurück zum Abendblatt, dass die Wiederbelebung der friedlichen Koexistenz mit der SPD im Hauptartikel vom 19.02.2020 dadurch realisierte, dass es auf der Folie des Agierens der Warburg Bank versuchte, Zweifel an der Berichterstattung von Zeit und Panorama zu sähen: In seiner Erklärung geht Rechtsanwalt Kury, als langjähriger Präsident der Hanseatischen Rechtsanwaltskammer einer der angesehensten Juristen der Stadt, hart mit der Berichterstattung ins Gericht: Es handele sich um ‚böswillig verfärbte, unwahrhaftige Behauptungen …, mit denen die Bürgerschaftswahlen in der Hansestadt in manipulierender, unzulässiger Weise beeinflusst werden sollen‘, schreibt er. Er veröffentliche den Tagebuch-Auszug, ‚um der Öffentlichkeit zu dokumentieren, in welch schändlicher, verwerflicher Weise ein Beweismittel sinnentstellend verfälscht wurde‘“.

Und die Verfälschung selbst, stellt sich dann so da: „Zunächst beschreibt der Warburg-Mitinhaber, er habe vom Sachstand bei Finanzbehörde und Staatsanwaltschaft berichtet. Dann kommt der entscheidende Satz: „Er, Olearius, meine, Scholz’ zurückhaltendes Verhalten so auslegen zu können, dass Warburg sich keine Sorgen zu machen brauche“. Das soll nun etwas gänzlich anderes sein, als die Zeit schrieb: "Die Reaktion deute er so, schreibt Olearius, "dass wir uns keine Sorgen zu machen brauchen".

Wenn man sich vergegenwärtigt, was Olearius da gerade Ende 2017 erzählt hat, dann darf man wohl mit Fug und Recht annehmen, dass schon die Tatsache, dass der Erste Bürgermeister ihn zu einem vertraulichen Gespräch ohne Zeugen und Ergebnismitschrift empfing, Anlass positiven Erstaunens gewesen sein wird. Immerhin war Olearius da schon schwer belastet, durch staatsanwaltliche und BaFin Untersuchungen. Verdächtigt, damals wie heute, die Stadt Hamburg – gemeinsam mit Komplizen - um einen dreistelligen Millionen Euro Betrag erleichtert zu haben. Die Willfährigkeit der SPD gegenüber Hamburger Unternehmern ist legendär, aber auch das hat normalerweise Grenzen. Denn Cum Ex ist kriminell und in seiner Umsetzung nur durch organisierte Kriminalität ins Werk zu setzen.

Der von Olaf Scholz 2018 abbestellte und in den einstweiligen Ruhestand befohlene Ministerialdirektor Michael Sell, hat als Abteilungsleiter Steuern im BMF 2016 im Zusammenhang mit Cum Ex-Geschäften vor dem Untersuchungsausschuss von organisierter Kriminalität gesprochen: „Wenn man grundsätzlich - und ich bin der Überzeugung, dass das der Fall ist, dass Cum/Ex strafbar ist […] - ... das ist Organisierte Kriminalität mit einem sehr klaren Plan.., ganz klar die Kenntnis der einzelnen Abläufe, arbeitsteilig und das Ganze durch Teilung der Ergebnisse“(BT-Drcks. 18/12700, S. 507). Was auch noch einmal anschaulich den ikenschen Unfug, "die berechtigte Kritik mit dem Wissen das Jahres 2020 darf nicht die Handlungen von 2016 bewerten" schön beleuchtet.

Das Treffen Scholz/Olearius fand denn auch nicht 2016 - jedenfalls nicht belegt - sonder im November des Jahres 2017 statt, also im klaren Bewusstsein, dass der Bürgermeister einen mit hoher Wahrscheinlichkeit Kriminellen empfängt. Davon künden ja auch die Zeilen: „Zunächst beschreibt der Warburg-Inhaber, er habe vom Sachstand bei Finanzbehörde und Staatsanwaltschaft berichtet“. Der Chef des Präses der Finanzbehörde trifft sich mit dem Steuerpflichtigen und der berichtet, sowohl vom steuerrechtlichen-, wie vom Strafverfahren. Zeugen keine und bislang wurden auch keine alternativen Mitschriften zu der vorhanden vorgelegt. Anders als jetzt die Entlaster von Scholz glauben machen wollen, besteht der Skandal auch nicht in der plausiblen Vermutung versuchter politischer Einflussnahme, sondern im Treffen selbst. Davon will man ablenken.

Durch die Pöbelattacke von Kury, dem Rechtsanwalt der Warburg Bank, muss nun nicht länger nur vermutet werden, dass es dieses Treffen gab, bei dem über Cum Ex und die laufenden Verfahren gesprochen wurde. Das hatten sowohl Sprecher von Olaf Scholz, als auch der SPD bislang stets bestritten und die SPD fügte dann noch an: „Konkrete Unterredungen zum Steuerverfahren mit dem Steuerpflichtigen führt die Steuerverwaltung, nicht die Politik“. Man war also tolldreist. Die Behautung: es ist alles ganz anders, als es aussieht, hat man gar nicht erst versucht, sondern einfach abgestritten, dass da über das laufende Verfahren gegen Warburg gesprochen wurde. Stunden später behauptet man das Gegenteil und findet, dass sich das Blatt gedreht hätte, weil das Abendblatt seine Berichterstattung auf SPD- und Warburg-Propaganda umgestellt hat.

Weil aber ein zweites Eisen nützlich sein könnte, hat die SPD - Steuergeheimnis hin oder her - am Dienstag, 18.02. einen Vermerk des Finanzamtes für Großunternehmen) gestreut. Unter der Überschrift: "Finanzamt bestätigte der Warburg-Bank bereits 2015 korrekte Steuer-Abrechnung" hat die Welt dieses Dokument verwurstet . In ihm bestätigt das Finanzamt genau das, was in der Überschrift steht.

Der Vermerk liegt ein halbes Jahr vor Beginn der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Köln, die die Ermittlungen bei Warburg erst in Schwung brachten. Mitte 2015 war nicht bekannt, wass 2016, insbesondere durch den Deloitte-Zwischenbericht bekannt wurde. Überhaupt war 2016 für die Cum-Ex-Kriminellen ein böses Jahr. Die Dekabank scheiterte damit 50-Millionen Euro aus Cum Ex-Geschäften gegen das hessische Finanzamt zu erstreiten. Beim Bundestag wurde ein Untersuchungsausschuss zu Cum Ex eingerichtet und Hessens Finanzminister Thomas Schäfer (CDU) hatte die Fährte im Zentrum der Bankenwelt aufgenommen und verkündete seinen Wunsch: „Ich will die Verbrecher alle kriegen“ .

Warburg beschwerte sich am 28.04.2016 bitterlich: „Gleichzeitig weht Banken eine steife Brise entgegen: Die öffentliche Meinung beurteilt Geschäfte zunehmend nicht mehr danach, ob Gesetze eingehalten werden, sondern nach im Wandel befindlichen moralischen Kategorien“. Das ist großer Blödsinn, denn das Gegenteil trifft zu, Teile der Judikative knüpfen gegen das Kartell aus Teilmengen von Politik und Verwaltung und dem Bankenverband an den Gedanken an, dass das Strafrecht auch für Verbrecher mit feinen Geschäftsadressen gilt.

Die SPD mag gedacht haben, dass Kurys - also Warburgs - Attacke auf die freie Presse und ein völlig irrelevanter Vermerk aus dem jahre 2015 vielleicht als Strohfeuer zu schnell abbrennen könnte und deswegen musste sich nun - 19.02.2020 - Senatsdirektor Ernst Stoll mit einer „Erklärung der Hamburger Steuerverwaltung“ zu Wort melden. Selbstverständlich aus freien Stücken und ohne jede politische Einflussnahme:"Es hat in Hamburg weder bezüglich Cum-Ex-Gestaltungen noch sonst Versuche gegeben, politisch auf Entscheidungen der Steuerverwaltung Einfluss zu nehmen". Aus dem ganzen Text und seinem Zusammenhang ist zu entnehmen, dass damit - politisch Einfluss nehmen - die sachliche oder auch sachfremde Entscheidung der Behördenleitung gemeint sein soll, die die Entscheidung der administrativ Zuständigen suspendieren würde.

So eine Handlungsweise ist aber kaum anzunehmen. Die Möglichkeiten, dass sich der Wille der Regierenden durch die Verwaltung auch ohne Anweisung exekutiert, sind vielfältig. Insbesondere, weil die SPD nur wenige Gelegenheiten verstreichen lässt, Mitglieder der eigenen Partei auf einflussreiche Posten in staatlicher Verwaltung und öffentlichen Unternehmungen unter zu bringen. Bestritten wird dann, was nie jemand behauptet hat, nämlich dass das Finanzamt mit einem Vorschlag auf Warburg zugegangen sei, weniger Steuern zu zahlen, als rechtlich verpflichtend wäre.

In einem reichlich verschwurbelten Text, wird implizit mitgeteilt, dass die vorgeschlagene und mit der Verwaltung verhandelte Billigkeitslösung von Warburg bzw. deren Beratern kam. Das ist auch logisch, weil die Verwaltung an Recht und Gesetz gebunden ist - was immer außer Zweifel steht - auch wenn man dabei manchmal einen weiten und bislang auch engen Spielraum der Auslegung und Anwendung hat."Sofern z.B. Cum-Ex-Geschäfte ausreichend nachgewiesen werden können, wird die entsprechende Kapitalertragsteuer ausnahmslos zurückgefordert", schreibt Ernst Stoll. Was auch sonst. Die Finanzverwaltung stellt hier aber auf einen zu bequemen Standpunkt, weil die Frage ist, was die Steuerverwaltung 2016ff. proaktiv veranlasst hat, um an den Erkenntnissen der BaFin - Deloitte Bericht - und der Kölner Staatsanwaltschaft zu partizipieren. Aber hierzu äußert sich die Steuerverwaltung nicht, wie sie sowieso keinen Beitrag zur Klarheit liefern wollte. Das ist ihr gelungen, lässt aber auch Rückschlüsse zu. Denn durch das Steuergeheimnis wäre sie nicht gehindert, ihren Aufwand zu beschreiben.

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