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Im archinaut: Marlene erzählt aus ihrer Zeit in New York, auch von der Begegnung mit einem ganz besonderen Mann

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„Du hast Greenie gekannt, erzählt man sich zuhause in New York,“ ganz nebenbei lässt Peggy diese Bemerkung fallen und sie ist sicher, dass Marlene schweigend dicht an ihrem Kopf vorbei auf einen Punkt in der Ferne starren wird ohne zu antworten. Aber sie hat sich getäuscht.

Marlene lächelt unmerklich..... die beiden Frauen sind allein im archinaut: „Er war etwas ganz besonderes,“ sagt sie dann und beginnt mit dem Aschenbecher zu spielen.

„Manche sagen, dass er schuld ist,“ probiert Peggy einen neuen Ansatz.

„Das habe ich gehört,“ erwidert Marlene nachdenklich, „über seine Jobs weiß ich nicht mehr als man so lesen konnte, Geldpolitik ist keine angewandte Wissenschaft, sondern Kunst! wurde ja oft zitiert.....“

„War er zu gierig?“ bohrt Peggy nach. Marlene lacht laut auf: „Gierig?! Alan ist nicht gierig.... er ist ein zauberhafter Mann, etwas verträumt vielleicht, aber er ist der großzügigste Mensch, den ich kenne!..... Er glaubte nicht an Geld, das ist alles!“

„Wie meinst Du das, Marlene?“

„Er hat Geld nicht angebetet wie die anderen Jungs bei den Banken, die ihm danach die Schuld geben wollten......“ „Aber ein Bankchef muss doch an Geld glauben,“ zweifelt Peggy.... „Muss ein Fleischer an Fleisch glauben, ein Farmer an Kartoffeln, eine Hure an die Freier? Natürlich nicht, liebe Freundin!“

Marlene überlegt etwas: „Vielleicht liegt darin der Vorwurf: Alan Greenspan, Du glaubst nicht an Geld! Bekennst Du Dich schuldig? Endlich können sie ihn in die Zange nehmen...“ Marlene lacht kurz auf: „Er war achtzehn Jahre an der Spitze, er muss mehr Feinde haben als der Papst!“

„Ich glaube auch nicht an Geld,“ versucht Peggy vorsichtig: „Mit Geld kann man etwas bewegen.....mein Erbe habe ich eingesetzt, um Bilder zu kaufen, um Künstler zu stützen, eine Sammlung anzulegen...“

„Du hast verkauft, meine Liebe, Du hast gekauft und glücklich verkauft, sonst wäre Deine Sammlung nicht gewachsen, Deine Männer haben geliefert...“ „ Ich habe immer zuviel bezahlt!“ wirft Peggy ein: „Für die meisten bin ich die dumme Millionenerbin aus dem Land der Kulturbanausen, man widmet mir ein Bild mit einer poetischen Floskel und hält die Hand auf.....Glaub’ nicht, dass ich sie nicht durchschaut habe!“ Marlene lenkt ein: „Das weiß ich doch, liebe Freundin, und ich beneide Dich nicht, wir wollen nicht streiten, aber versteh doch, ich habe für jeden Dollar gesungen, meinen Atem gegeben, mein Gesicht in die Kamera gehalten, mit dem Duft der Liebe gehandelt wie ein Freudenmädchen...“

„Viele Menschen haben Dich verehrt, Marlene, ich gönne Dir diese Bewunderung gern, aber jetzt erzähl doch bitte weiter von Greenie!“

Die Menschen reden von der Klugheit der Spinnen, aber sie lieben die Spinnen nicht, hat er mal gesagt, sein Herz hing am Jazz, er wollte ein Frontmann werden wie Benny Goodman, das weiß man ja, seine Kollegen im Bankgewerbe fand er ziemlich unmusikalisch, glaube ich, Sie müssen im Schatzhaus sitzen und thesaurieren.... Geld ist für sie wie eine Droge, Stimulans für irgendein fehlendes Enzym...“ fährt Marlene fort, „wenn Du als Banker nicht glaubst und raffst, gehörst Du nicht richtig dazu.....“

„Warum konnte er sich so lange halten? Er war fast achtzig, als er zurückgetreten ist!“

„Er hat das Schatzhaus bewahrt, der Präsident hätte es gerne für die Kriegskasse geplündert.... Alan konnte seine geheimen Träume gut verstecken, synkopisch sind seine Worte gesprungen, wenn er geredet hat.... Ich weiß, dass Sie glauben, Sie wüssten, was ich Ihrer Ansicht nach gesagt habe. Aber ich bin nicht sicher, ob ihnen klar ist, dass das, was Sie gehört haben, nicht das ist, was ich meine...Sein größter Coup war natürlich das Ende: Jeder Familie ein eigenes Haus!“

„Warum bist Du so sicher, Marlene? Woher weißt Du das?“

Marlene weicht aus..: „Ich mochte ihn einfach, weil er so mächtig war, aber kein Egomane!“

„Marlene, wir sind Freundinnen......? Warum kennst Du ihn so gut?“

Marlene schweigt.

„Kein Mann ist es wert, dass eine Frau ihre Freundin belügt!“ sagt Peggy bestimmt, aber sie weiß natürlich, dass sie in diesem Moment etwas übertreibt.

„Man sucht ja einen Schuldigen, damit man vergessen kann, dass man selbst lange mitgemacht hat....“ sagt Marlene dann..... sie schaut jetzt rüber zur Schlossbaustelle.

„Frau Magdalena Dietrich, Sie weichen aus...!“ kichert Peggy.

„Wir haben uns jeden Tag gesehen, aber bitte rede darüber nicht mit den anderen.....“

„Ich schweige wie ein toter Indianer!“ verspricht Peggy eifrig. „Wie war er?“

„Sehr entspannt......ein glücklicher alter Mann, wie ein freundlicher Buddha in Gold...... wir haben immer Kerzen aufgestellt, niemand durfte uns stören, er hatte ein elegantes Appartement im Gebäude der Bank, für die Nächte, wenn er lange arbeiten wollte, das Badezimmer lag ganz innen, nur ein paar Kerzen, das Wasser floss warm durch die Wanne, er hat seine Ansprachen konzipiert, seine Analysen....“ Peggy ist eine erfahrene Frau und stellt jetzt keine Frage mehr.

„Er mochte es, wenn ich in der Badewanne für ihn singe, Falling in Love again, Lilli Marleen natürlich, aber auch die anderen alten Sachen, Sag mir wo die Blumen sind.....so habe ich gesungen und das warme Wasser übertrug all diese Töne und Schwingungen, während er über die Strömungen des Geldes nachdachte.....er sah dabei aus wie ein Komponist, der an einer Symphonie arbeitet...wie ein Dirigent, der die Noten studiert, die Stimmen verteilt, die Tempi vorgibt..... aber sich gewiss nicht vorstellen kann, dass die Musiker während des Konzerts anfangen, sich gegenseitig mit den Klarinetten und Violinen zu verprügeln.“

Peggy hört schweigend zu.

„Es ging gut, bis seine Frau dahinter kam....... sie hatte leider gar keinen Sinn für Musik. Wir haben uns danach nie wieder gesehen...“



Hier endet der 112. Eintrag: Dieser Blog mischt Fiktion mit Realität. Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen sind zufällig und in der historischen Überlieferung nicht verbürgt. Ich bin nur der Navigator, mein Name sei NEMO:

Ich schreibe um unser Leben. Bitte bleib dran.


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archinaut

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