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Berliner Schloss: Entscheidung in 2013

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Während die akuten Probleme der Großprojekte Stuttgart 21 (Baukosten zwischen 4,5 und 10 Mrd EUR), des Flughafens Berlin-Schönefeld (Baukosten aktuell 4,3 Mrd EUR) oder der Elbphilharmonie (Baukosten aktuell 575 Mio EUR) in den Medien breit diskutiert werden, findet das Vorhaben Berliner Stadtschloss-Humboldtforum zurzeit kaum Beachtung.

Liegt es möglicherweise daran, dass dieses bis heute umstrittene, reichlich überflüssige Vorhaben in den nächsten Monaten noch verhindert werden kann, ohne erhebliche Schadenersatzforderungen auszulösen?

Im ersten Halbjahr 2013 soll der U-Bahnhof unter dem zukünftigen Bauplatz realisiert werden, ab Sommer 2013 sollen die Bauarbeiten über der Erde beginnen: Kosten in Höhe von 478 Mio EUR will der Bund tragen, 32 Mio EUR das Land Berlin, die letzte offizielle Kostenschätzung liegt bei 590 Mio EUR. Ein privater Verein soll 80 Mio EUR für die Erstellung der Fassaden nach historischem Vorbild einsammeln, hat aber bisher erst Einnahmen und Spendenzusagen über ca. 22 Mio EUR bekannt gegeben. Höchste Zeit also, das lautKulturstaatsminister Bernd Neumann bedeutendste Kulturbauvorhaben in Deutschland gründlich zu hinterfragen!

Gelegentlich klärt der scharfe Blick von außen: Man glaubte..., wenn man etwas wieder aufbaut, wie es war, kann man keine Fehler machen. Unbewusst hat man sich nichts zugetraut. Die gleiche Haltung hält heute Architekten davon ab, etwas Neues zu schaffen, sagt der aus Nürnberg stammende Architekt Helmut Jahn, und das Vorhaben der Bundesregierung, das Berliner Stadtschloss wieder aufzubauen, kommentiert er mit den Worten: Dass ein Technologieland wie Deutschland sich nicht zu seiner Zukunft bekennt, halte ich für unglaublich feige. (im Dezember 2012auf FOCUS Online)

Deutlich auch die Worte von Rem Koolhaas: ... ist die Idee, das Schloss wiederaufzubauen, der Versuch, eine historische Epoche auszuradieren – und gleichzeitig den Menschen in Ostdeutschland zu zeigen: Eure Leben waren nutzlos. (im Jahr 2004 auf Spiegel-Online)

Oder hat Dr. Josef Ackermann recht, wenn er sagt: Mit dem HumboldtForum kann Berlin seinen Ruf als dynamische, kreative und internationale Metropole im Zentrum Europas weiter stärken und Deutschland einen einzigartigen Ort der Begegnung besonders für junge Menschen aus aller Welt erhalten. ( Stimmen zum Berliner Schloss – Humboldtforum, S. 40)

Wir sind faktisch nicht mehr in der Lage, Großprojekte zu stemmen, klagt Michael Knipper Mitte Dezember 2012 im Gespräch mit der Süddeutschen, als Geschäftsführer des Verbands der Deutschen Bauindustrie spricht er das Problem offen aus: Die Politik neigt leider dazu, die Baukosten aus Angst vor unendlichen Diskussionen nicht ehrlich auszuweisen. Nach seiner Schätzung warten bundesweit bei etwa 70 steuerfinanzierten Großprojekten Aufträge oder Nachträge in Höhe von 48 Milliarden Euro auf die erforderlichen Finanzierungszusagen. Vor allem weil derart schlecht geplant wird - intransparent, nachlässig und am Bürger vorbei. (Die ganze Welt lacht über uns, Interview in der Süddeutschen )

Für die Schlossrekonstruktion wird von politischer Seite unverdrossen die Kostenobergrenze von 590 Millionen EUR genannt.... Ob die halbe Schlossmilliarde in der Schätzung von Herrn Knipper schon berücksichtigt ist?

Wenn der Betondeckel über der neuen U-Bahn-Station unter der Schlosswiese fertig gestellt wird, schließt sich voraussichtlich das letzte Zeitfenster, die Arbeiten für das umstrittenste und überflüssigste Repräsentationsbauvorhaben des Bundes in Frage zu stellen. Die Mehrzahl der Berliner stehen dem Projekt distanziert oder skeptisch gegenüber. Wer weiß schon, was 2013 wird? fragte Bernhard Schulz im Sommer 2010 (Berliner Tagesspiegel ).


Man muss diesem Vorhaben heute im Jahr 2013 mit aller Entschiedenheit widersprechen: Einspruch jetzt!

Schon die erste Landnahme für die feudale Niederlassung auf der Spreeinsel erregte den berechtigten Widerspruch der autonomen Berliner Bürgerschaft, dokumentiert als Berliner Unwille im Jahr 1448. Nach der Unterwerfung der Stadt durch die Hohenzollern presste das Haus der aufstrebenden Preußenkönige über nahezu fünf Jahrhunderte Ressourcen und Geldmittel für Kriegszüge und Eroberungen aus Stadt und Umland bis zum vernichtenden, auch selbst verschuldeten Untergang der Dynastie mit dem Ende des 1. Weltkriegs. Die Berliner haben das Schloss nicht geliebt, wohl eher gefürchtet.

Der Sturm auf die Bastille 200 Jahre vor dem Mauerfall gilt der Geschichtsschreibung als Auftakt und Geburtsstunde der Französischen Revolution. Der Umsturz der Berliner Schlossrekonstruktion sollte die Emanzipation des Europäischen Hauses vom Kapital- und Schuldendienst der global operierenden Großanleger eröffnen, damit die Berliner Republik vor der Geschichte bestehen kann.



Nachtrag zum 342. Eintrag vom 03.07.2012: Hinter uns liegen die Chronolysen (in vier Akten)... die Timeline im Blog archinaut: ist inzwischen justiert. Dieser Blog berichtet aus Deiner Welt. Ich bin nur der Navigator, mein Name sei NEMO:

Ich werde Euch nicht schonen. Öffne Deine Augen.


Zur Vertiefung: 8 detaillierte Argumente als Ergänzung des Artikels sind hier verlinkt

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archinaut

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