Schwerer Montag

Ostharz: NIcht jeder liebt Überraschungen.... ein Roman in Fragmenten

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Kristin Radomsky legt den Monatsabschluss auf seinen Tisch, ihr Mienenspiel sollte ausreichen, ein medizinisches Todesurteil vorzubereiten.... Bohr hat noch nicht bezahlt, wenigsten ist das Geld von der WoBauGe endlich auf dem Konto....

Weißt Du eigentlich, wie man Kurzarbeit anmeldet? Vielleicht würde das helfen.... fragt der Geschäftsführer.

Kristin Radomsky weicht zurück und verschränkt die Arme: Nein, nein, damit hatten wir bei Bauprojekt noch nie zu tun! Ihre Augen funkeln böse, sie holt tief Luft: Das geht nicht.....ich bin Alleinverdiener, mein Mann ist seit sechs Jahren arbeitslos, er kriegt kein Geld mehr, wir sind auf mein Gehalt angewiesen!

Dann ist sie schnell aus der Tür und verhüllt ihre Gedanken für den Rest des Tages in unheilschwangerer Finsternis.

Die Agentur für Arbeit sitzt in Halberstadt, der nächste Versuch also telefonisch... es dauert einen Moment, bis die Stimme am anderen Ende versteht.... Sie rufen als Arbeitgeber an, sagen Sie das doch gleich..... da müssen Sie aber eine andere Nummer wählen!

Bauprojekt Quedlinburg? fragt die nächste angewählte Stimme beim Arbeitgeberservice der Agentur... wie ist denn die Betriebsnummer..... ja, warten Sie.... hier habe ich Bauprojekt Quedlinburg gefunden... ja, natürlich können Sie auch für einen kleinen Betrieb mit zehn Angestellten Kurzarbeitergeld beantragen....aber nicht für Ihr eigenes Gehalt, wenn Sie Eigentümer sind.... am besten kommen Sie vorbei, damit ich Ihnen alles erklären kann!

In der Woche drauf muss der Geschäftsführer in der Montagsrunde die unangenehme Botschaft vermitteln: Es ist zwar noch viel zu tun.... Ronny Kaske hat den Antrag auf Vorbescheid für den Kindergarten in Thale abgegeben, Herr Grau hat die Ausschreibungen für die Werkstatt rausgeschickt, Frau Keyser hat den Bebauungsplan vorgestellt und arbeitet mit Maik Peters an der Großküche, sie muss preiswerter werden... aber wir warten auch auf Entscheidungen.... unsere Vorstellung in Wernigerode ist gut angekommen, das Konzept hat der Leiterin des Hochbauamts gefallen, das Amt hat aber noch nicht bestimmt, welches Büro den Auftrag bekommen soll..... Für das Gymnasium in Quedlinburg kommen die Fördermittel nicht, da müssen wir die Arbeit einstellen, der Bauherr hat einen Planungsstopp ausgesprochen, selbst die Reparatur am Bachdurchlass ist noch nicht beauftragt, obwohl wir schon dran arbeiten sollen... Wir haben zwei Baustellen, aber nicht genügend gesicherte Verträge für alle Planungen..... er macht eine kurze Pause, bevor er sagt: Wir müssen leider Kurzarbeit anmelden, nicht für jeden von Ihnen, und nicht zu hundert Prozent.....

Frau Keyser kann nicht mehr ruhig bleiben: Das ist das Ende! unterbricht sie aufgewühlt, wütend blickt sie in Richtung der beiden jungen Mitarbeiter, die erst sei wenigen Wochen dabei sind: Wie soll es dann weitergehen? Es ist nicht genug Arbeit für alle da... Was sagst Du denn dazu, Wolf?

Frau Radomsky hat sich mit verkniffenen Lippen zurückgelehnt, die Arme verschränkt, schaut wie die meisten Kollegen zu Wolf Obermeyer, dem leitenden Architekt. Es sieht aus, als spiele ein feines Lächeln um seine Lippen, aber das täuscht gewiss... er räuspert sich: Die Geschäftsführung wird ihre Gründe haben, Hanne....

Wie stellen Sie sich das vor? will Frau Keyser jetzt empört wissen, Sollen wir alle nach Hause gehen und die Arbeit liegen lassen?

Nein, nein, wehrt der Chef ab, ich werde nachher zu jedem Einzelnen gehen, wir werden besprechen, wie viel in dieser Woche zu tun ist... bei der Bauleitung gibt es natürlich keine Kurzarbeit... nicht für Herrn Grau und nicht für Herrn Peters....

Für einen kurzen Moment sieht Frau Keyser aus wie ein Feuerlöscher, der gleich platzt, irgendjemand schnaubt verächtlich....

Heute löst sich die Besprechung bald auf..... für jede Mitarbeiterin, für jeden Kollegen will der Geschäftsführer eine individuelle Vereinbarung treffen, er geht durch die einzelnen Räume.

Die Firma zahlt den Gehaltsanteil, der Ihrer verkürzten Arbeitszeit entspricht, dazu die Sozialabgaben, und vom restlichen Teil Ihres Gehalts trägt die Agentur für Arbeit den Anteil, der Ihnen als Arbeitsloser zustehen würde, es kommt also leider weniger im Netto raus für Sie.... erklärt er bei Maik Peters und Ronny Kaske, die sich ein Büro teilen.... bisher will niemand die neuen Kollegen in seinem Raum haben. Kaskes Wochenarbeitszeit muss halbiert werden, von vierzig auf zwanzig Stunden, aber Ronnie Kaske ist zufrieden: Es ist Sommer, da habe ich mehr Zeit zum Motorradfahren! grinst er, und ihm fällt noch etwas ein: Mir ist aufgefallen, dass einige Kollegen am Computer sehr unsicher sind, sagt er vorsichtig, ohne dass ich da jemandem zu nahe treten will..... aber ich biete gerne an, dass wir uns zusammensetzen, außerhalb der bezahlten Arbeitszeit natürlich... ich kann ein paar Übungen vorbereiten, Word und Excel, aber auch für das Zeichenprogramm.... außerdem helfe ich natürlich Maik bei der Bauleitung, Herr Grau findet gar nicht genug Zeit, ihm was zu erklären...

Im nächsten Raum sitzt Frau Bollmann, sie ermittelt sonst die Massen aus den Zeichnungen und tippt die Leistungsverzeichnisse für Bauleiter Grau in den Rechner. Sie haben früher hier im Büro auch gezeichnet, Frau Bollmann, sie sind doch Bauzeichnerin? fragt der Chef, und Frau Bollmann nickt. Die beiden großen Ausschreibungen sind ja inzwischen durch, sagt er dann, es wäre schön, wenn Sie in Zukunft wieder zeichnen könnten, solange keine Leistungsverzeichnisse zu schreiben sind... Frau Bollmann schüttelt den Kopf, sie möchte nicht zeichnen.... das neue Programm kenne ich nicht, sagt sie abwehrend. Ronny Kaske hat angeboten, mit allen zu üben! wirbt der Geschäftsführer... jetzt schüttelt sie den Kopf: Ich tippe die Ausschreibungen für Herrn Grau, damit kenne ich mich aus, zeichnen möchte ich nicht mehr! sagt sie mit fester Stimme. Aber es gibt im Moment keine neue Ausschreibung, Frau Bollmann... ich müsste Sie auf null Stunden setzen.... Frau Bollmann nickt: In Ordnung, ich bleibe gern mal ein paar Tage zu Hause, mein Mann ist Vertreter, da kann ich ihm helfen, die Abrechnungen zu machen....


Hier endet der 333. Eintrag: Dieser Blog mischt Fiktion und Realität. Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen sind zufällig und in der historischen Überlieferung nicht verbürgt. Ich bin nur der Navigator, mein Name sei NEMO:

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Geschrieben von

archinaut

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