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Kaninchenwiese: Phänomene der Geschwindigkeit, der Herrschaft und der Revolution

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Dieser Blog kommt aus der Zukunft. 02.10.20?? Happy und Nele sind high..... sie haben eine neue Droge entdeckt: „Wo sind wir, wenn wir reisen? Wo liegt dies Land der Geschwindigkeit, das nie genau mit dem zusammenfällt, das wir durchqueren?

Die Zwergkaninchen haben beim Stöbern in der Bordbibliothek des archinaut: Texte von Paul Virilio gefunden. Der Architekt, Urbanist und Dromologe aus Paris hat üppig delirierende Essays über historische und philosophische Phänomene der Geschwindigkeit, der Herrschaft und der Revolution veröffentlicht:

„Historisch gesehen vollzieht sich das erste Umschalten in der Ordnung der Geschwindigkeiten mit dem Gebrauch der beiden großen Archetypen von Fahrzeugen: dem Pferd und dem Schiff.....Die Koppelung animalischer Körper (Pferd, Dromedar, Elephant, Strauß) liefert die ersten Medien der Bewegung, die ersten Fahrzeuge der menschlichen Gattung........Dem Nachen, der auf die Meere hinausfährt, gibt die Wasserfläche, über die er rasch dahin gleitet, eine eigentümliche Macht: an diesem Nicht-Ort, auf See, gewinnt das Schiff eine Vektor-Macht.“

(aus „Fahren, fahren, fahren...“, Berlin 1978)


Wie ein Gesang wandern die Worte in die hochsensiblen Gehörgängen der Zwergkaninchen: auch Happy und Nele lieben die Geschwindigkeit!

Heute lesen sie mit Ernst Jünger, Wilhelm von Humboldt hat sich dem Ansturm der beiden neugierigen Kaninchen entzogen. Jünger zitiert aus einem anderen Text von Virilio: „..der revolutionäre Gesang ist eine kinetische Energie, die die Masse auf das Schlachtfeld treibt, zu der Art von Angriff, die bereits Shakespeare als Tod, der den Tod tötet beschrieben hat.“

(aus „Geschwindigkeit und Politik“, Berlin 1980)


Die friedfertigen Tierchen schrecken zurück, Gewalt und Kraftausdrücke meiden sie wo es nur geht. Mies wendet sich ab, aber El Lissitzky folgt den Ausführungen und nickt gedankenvoll.

Virilio stellt sich hier auf die Schultern von Nietzsche, erklärt Jünger dazu, und er blättert schon im Essay „Vom Übermenschen zum überreizten Menschen“:

„Während sich die technische Entwicklung seit Urzeiten immer am Erdhorizont und an der Oberfläche der Kontinente orientierte, bereitet man sich jetzt, das heißt nach der Erfindung von hydraulischen Systemen, Kanälen, Brücken und Straßen – von Megamaschinen also....man bereitet sich jetzt also darauf vor, die Masse des Lebendigen mit Mikromaschinen auszurüsten, mit deren Hilfe unsere Fähigkeiten wirkungsvoll zu stimulieren sind: Der Invalide, der dank seiner Ausrüstung seine Behinderung überwinden kann, wird plötzlich zum Vorbild für den mit Prothesen jeder Art überrüsteten Gesunden....“

„....Die Erfindung des Herzschrittmachers, mit dessen Hilfe der Rhythmus des Lebens erzeugt, ja sogar ersetzt werden kann, bildet letzten Endes einen der Ausgangspunkte für diese Form biotechnologischer Neuerungen.“

(aus „Die Eroberung des Körpers“, Berlin 1994)

Peggy denkt daran, dass sie sich ein neues Handy besorgen will, sobald wieder Geld in der Kasse ist. Sie hat eine Werbung für ein Gerät gesehen, das sanft errötet, wenn der Liebste anruft.

Hier endet der 28. Eintrag: Dieser Blog mischt Fiktion mit Realität. Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen sind zufällig und in der historischen Überlieferung nicht verbürgt. Ich bin nur der Navigator, mein Name sei NEMO:

Ich schreibe um unser Leben. Bitte bleib dran.

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Geschrieben von

archinaut

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