Brief an die Sehnsucht

Heimat: Wie man den Verstand verlieren kann

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Peggy schreibt wieder einen Brief an Marlene:

Erst viel später habe ich erfahren, warum ich Max nicht halten konnte, liebe Freundin, und diese Erkenntnis war so schmerzhaft, dass ich nicht nur meine scharfe Zunge, sondern am Ende auch meinen Verstand darüber verlor....

Nach einem Jahr zwischen Zweifel und Warten hatte ich Beckett endlich vergessen, die Nazis hatten Europa in alle Richtungen okkupiert, bald würden sie ganz Frankreich besetzen, wir mussten den Kontinent verlassen... Du weißt ja, die Nazis hatten Max bereits drei mal im Konzentrationslager interniert, sein Visum war abgelaufen, er war zwar als Maler berühmt, seine Werke und seine Person aber gefährdet... ich habe dann sein Ticket in die Staaten bezahlt... hatte die Hoffnung, aus unserer Affäre könnte eine längere Reise werden, obwohl er sich ständig für ganz junge Künstlerinnen begeisterte... und mir erklärte, warum ich ihre Bilder kaufen sollte... In den Staaten musste ich versichern, dass Max kein Nazi sei, alle Deutschen galten als feindliche Ausländer und potentielle Spione... als ob der Krieg auch unsere Beziehung beherrschte, das war so anstrengend, dass ich ihn nach dem Angriff auf Pearl Harbour geheiratet habe.... damit machte ich ihn gewiss noch unzufriedener.... wir hatten ständig Streit, überall, er war viel zu stolz, um in meinem Haus glücklich zu werden, dabei konnte er doch sehen, dass die meisten Bilder in meiner Galerie seine Signatur trugen... nicht nur meine Herkunft, mein Erbe stand zwischen uns, auch meine verzweifelte Eifersucht: nie zeigte Max so viel Herzlichkeit für mich, wie er für seine alte Liebe Leonora oder für irgendwelche jungen Malerinnen trug.... die er dann fand, hat über ihn geschrieben:

Er brauchte nur wenige Stunden, um einzuziehen. Es gab keine Diskussion. Es war, als hätte er ein Haus gefunden. Ja, ich denke, ich war sein Haus. Er wohnte in mir; er schmückte mich aus; er wachte über mich. Von der einen zur anderen Stunde wurde meine kahle, hallende Etage gepackt wie ein Haufen Kisten, sodass, als das Schieben und Schleppen getan war, unsere Stimmen sich nahe blieben, wie sie es von Anfang an gewünscht hatten. Ich schaute zu im Zustand leichten Schwindels.

Textpassagen fett

aus Birthday

Lebenserinnerungen von Dorothea Tanning


Hier endet der 311. Eintrag: Dieser Blog mischt Fiktion und Realität. Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen sind zufällig und in der historischen Überlieferung nicht verbürgt. Ich bin nur der Navigator, mein Name sei NEMO:

Ich schreibe um unser Leben. Bitte bleib dran.


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Geschrieben von

archinaut

Ein Blick weitet den Horizont: Dieser Blog zieht um die deutschen Häuser

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