Brief zum Ende

Schönheit ... wer Blumen sät, muss eine maßlose Sehnsucht nach Schönheit im Herzen tragen

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Heute schreibt Peggy den Brief an Marlene, in dem sie erzählt, wie sie den Namenlosen Architekt verlor:

Weißt Du, was ich auf unserer Reise vermisst habe, fragte er mich eines Abends: Als Kind habe ich in Holland noch die weiten, bunten Tulpenfelder erlebt, rechts und links der Straße.... wie verzaubert war ich, hier auf den Ackerflächen rings um Quedlinburg bunte Blüten zu sehen... wer Blumen sät, muss eine maßlose Sehnsucht nach Schönheit im Herzen tragen, dachte ich, und ich verehrte die Bewohner dieses unzerstörbaren, unsterblichen Städtchens schon, bevor ich die Stadttore erreicht hatte....

Wenn wir uns nach jener kühlen Reise ans Meer trafen, sprach er nicht mehr von seinen Bauherren, nicht mehr vom Wohnheim oder von neuen Projekten... nein, er redete nur über die Leuchttürme... zeigte mir alle Standorte, die er ausgesucht hatte... kreuz und quer fuhren wir durch die Harznächte, offen das Verdeck, dicht an den hellen Wolken, unter den verschleierten Sternen, die er mit den Türmen spiegeln wollte.... jede Leuchtspur erklärte er mir, jedes Turmsignal, ein Strahlenballett wie farbiges Wetterleuchten über den Waldgipfeln, damit ich mir die Wirkung vorstellen könnte... Du bist verrückt, rief ich fröhlich, und er lachte er nur leise: In der Nacht blühen die Leuchttürme!

Wir sind im Harz, rief ich ihn, wer bräuchte hier wohl Leuchttürme?

Geträumt habe ich’s in Segelnächten vorm Passat, Häuser, die vom Wind getragen werden... murmelte er: Leichter als Luft, wie ein Heliumballon, und die farbigen Lichter geben Leitfeuer für lautlos schwebende Ballon-Trails über den Nachtwäldern, nach Sonnenuntergang, zum Schlafen sammeln sich die müden Gondelfahrer auf der Wolkenreede über der Marina Gernrode.... die Verheißung der Moderne, Häuser ohne Gewicht....

Und erzählte von einer Skizze, die ihn seit der Studentenzeit faszinierte, ein Landhaus von Mies, schwärmte er, wie ein Versprechen, dass der Mensch endlich frei sei, nie mehr Sklave seines Hauses....

Wir telefonierten jede Woche... aber endlich war er restlos abgebrannt wie die ostafrikanische Savanne nach der großen Dürre, alle Unterlagen, alle Rechner und Möbel aus dem Alten Wasserwerk geborgen in einer Scheune bei Freunden verkaufte er Stück um Stück.... und in seiner Verwirrung war er viel zu verzweifelt, um Geld von mir anzunehmen...


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Hier endet der 360. Eintrag: Dieser Blog mischt Fiktion und Realität. Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen sind zufällig und in der historischen Überlieferung nicht verbürgt. Ich bin nur der Navigator, mein Name sei NEMO:

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Geschrieben von

archinaut

Ein Blick weitet den Horizont: Dieser Blog zieht um die deutschen Häuser

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