Unruhig wandert der Berliner Despot Wow I.die Gänge des Roten Rathauses auf und ab..... wird ihm der Bote der Grauen Frau gute Neuigkeiten bringen?
Es ist schon spät am Vormittag, aus dem Ratskeller steigen verlockende Gerüche.... die Dauerparty der hedonistischen Gralsbrüder findet kein Ende. Sie prassen und zechen bis zur Unterzeichnung auf Kosten der Stadt, so steht es im Vertragsentwurf.
Der Bote der Grauen Frau ist schon seit der achten Morgenstunde angekündigt, was ist passiert?
Sorgenvoll starrt der Despot aus dem Fenster zum Neptunbrunnen.... die einbetonierten Fontänenfische sind bisher nicht erwacht, das Wasser fließt noch nicht, dieses Frühjahr will nicht farbig werden..... alt und müde fühlt sich der Despot, selbst die Bilder dieses Märchens sind inzwischen stumpf und glanzlos geworden.... mit leiser Wehmut denkt Wow I. an die legendären Kämpfe der Vergangenheit, als es ihm gelang, die Kühne Renate allein durch das Herzeigen des diamantglitzernden Suspensoriums und seines mächtigen Bauchs in die Flucht zu schlagen.... die Gegenwart ist trist und neblig.
Den Zauberspiegel Henkelfrank hat der Hofalchemist wieder gekittet, aber zur Erheiterung oder Aufmunterung ist Henkelfrank nicht fähig: der krakelierte Spiegel bleibt seit dem Wutanfall des Despoten stumm wie eine erloschene Kerze und durchsichtig wie ein geruchloser Furz.
Der Ratsdiener spricht ihn leise an: „Der Bote der Grauen Frau wartet im Foyer, großer Wow!“ Der Despot zuckt zusammen, hatte er doch nicht bemerkt, dass sich jemand genähert hat. „Dann bringt ihn in den Thronsaal!“ befiehlt der müde Despot und verschwindet, um seine schwarz-rot-gold karierte Perücke anzulegen.
Seit dem Ende der Vier-Mächte-Regierung wird der Thronsaal nur selten benutzt, der Bote muss sich in den zähen Staub knien und wohl zehn Minuten mit gebeugtem Nacken verharren, bis der Despot den wurmstichigen, leicht wackelnden Bärenthron erklimmt: „Bringt Er gute Kunde? Wenn nicht, so lasse Er Seinen Nacken gebeugt, ich rufe gleich den Scharfrichter!“
Diese launige Eröffnung ist als Scherz gedacht, um den trüben Tag etwas aufzuheitern.... unser Despot lacht fröhlich, dem Boten aber quillt die Zunge im Hals, sodass er kein Wort mehr hervorbringen kann.
„Sagt also an: wie viele Millionen bringt Ihr?“ Der Despot schielt auf den schicken, schwarzledernen Diplomatenkoffer, den der Bote mit dem rechten Arm umklammert. Wow I. braucht dringend Geld für sein Schloss.
Statt einer Antwort öffnet der Bote den Diplomatenkoffer für den erwartungsvollen Blick des Berliner Herrschers.... ein graues Funktelefon liegt darin auf einem silbernen Polster. Es klingelt auch sofort, der Bote streckt die Tasche dem Despoten entgegen, der nimmt das Telefon heraus.
Die Graue Frau spricht von sehr weit weg: „Wie steht’s mit den Piraten?“
Das ist im Moment fast die peinlichste Frage für den Berliner Despoten, ein paar Vertreter der Piraten wurden bereits im Rathaus gesehen.... der Städtische Kammerjäger entwickelt gegen diese Schädlinge liquide Fallen, die sich aber erst in einer frühen Testphase befinden.
„Am Strand haben die Fischer neulich ein paar von ihnen vertrieben....“ lügt Wow leichthin ohne rot zu werden. In Wahrheit haben sich die Fischer und die Piraten angefreundet, sie politisieren jede Nacht an den Strandräuberfeuern.... aber das wird der Despot der Chefin nicht auf die Nase binden.
Endlich darf er die Gegenfrage stellen: „ Wie viele Millionen werdet Ihr mir in diesem Frühjahr für das Schloss überweisen?“ Sollten die Piraten eines Tages das Rathaus besetzen, will er sich endlich mit seiner Herzensfreundin in das Stadtschloss zurückziehen, aber auch das wird er der Grauen Frau lieber nicht verraten.
„Wie macht sich der neue Schlossprediger?“ fragt die Chefin zurück: „sein Wort ist mächtig, er wird die verstockten Herzen Deiner Bürger rühren und sie zum Spendensack treiben!“
„Er ist noch unterwegs,“ erwidert Wow I. betrübt, „jede Woche bekomme ich eine bunte Ansichtskarte aus einer anderen Stadt... Warschau, Brüssel, Straßburg, Jerusalem... die neuen Reisefreiheiten gefallen ihm ausnehmend gut, scheint mir...“
„Wir werden kein Geld schicken,“ sagt die Graue Frau jetzt entschieden, „unsere Reserven sind eingefroren!“
„Wie meinen.... noch eingefroren? Aber jetzt zieht der Frühling ins Land!“ Der Despot ist ehrlich entsetzt über das Gehörte: „Hochwohlgeborene, verehrte Graue Frau, stellt Euch nur vor, die Piraten kommen, bevor das Schloss fertig ist.... sie werden die Baustelle plündern und alles mitgehen lassen, was nicht niet- und nagelfest ist, Ihr wisst doch, wie Piraten zum Eigentum stehen!“ Fast schreit er in das graue Funktelefon, er hofft, sie mit diesem Argument von der objektiven Dringlichkeit seines Anliegens zu überzeugen.
„Wir haben bereits Soldaten ausgeschickt,“ sagt die Grau Frau leise und fast tonlos, „sie werden alle Piraten auftreiben und standrechtlich erschießen..... Schnellgericht vor Ort in Somalia und wo immer wir sie auch finden.... sind doch alles verkappte islamistische Terroristen!“
Hier endet der 294. Eintrag: Dieser Blog mischt Fiktion und Realität. Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen sind zufällig und in der historischen Überlieferung nicht verbürgt. Ich bin nur der Navigator, mein Name sei NEMO:
Ich schreibe um unser Leben. Bitte bleib dran.
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Hier die Chronik der Peinlichkeiten:
Prolog: Kannibal Sarrazin
Hetär der Hedonisten Teil 1
Hetär der Hedonisten Teil 2
Hetär der Hedonisten Teil 3
Hetär der Hedonisten Teil 4
Hetär der Hedonisten Teil 5
Christlicher Wolff sucht neues Rudel
Delicious Martin stellt den Despot zur Rede
Wo ist der Neue Schlossprediger?
Wow I. sehnt sich nach dem neuen Schloss, um mit seiner Herzdame endlich das Haus PreußischWow! in das güldene Buch der Geschichte Berlins einzuschreiben, aber der Schlossbau bleibt von Folge zu Folge chronisch unterfinanziert....
Kommentare 20
Lieber archinaut,
schreiben wollte ich:
L-ach, h-ach,
das ist mir mit dem letzten Satz nicht mehr möglich.
Junge, Junge
; )
Herzlichen Gruß
Suzie
Ja, liebe SuzieQ,
jede Gegend auf dieser Welt hat andere Sorgen,
bei den einen geht es um hohle Schlossrekonstruktionen,
bei den anderen um die nackte Existenz....
Die Welt brennt,
und niemand löscht.
Herzliche Grüße
trotzdem
archie
"Die Welt brennt,
und niemand löscht."
Ja, Du hast recht, im Gegenteil, es wird immer noch mehr Öl ins Feuer geschüttet.
Ich fand es erst amüsant, weil Du ja auch so viele Wow I.-Erinnerungs-Stückchen eingebaut hast, aber dann blieb mir das Lachen wirklich im Halse stecken.
Danke für 'Die Graue Frau und das Eis',
da frierts einen förmlich.
LG
Schließe mich SusieQ an. Die Hintergründigkeit ist gruselig. "Graue Frau" finde ich besonders gelungen.
Liebe SuzieQ,
gherne würde ich jetzt auf den Frühling verweisen
oder darauf, dass die Sonne immer wieder aufgeht....
Aber wenn's einen friert,
muss man zusammenrücken
(wahlweise auch dickere Pullover überziehen ;-))
Guten Morgen
archie
Liebe SuzieQ,
gerne würde ich jetzt auf den Frühling verweisen
oder darauf, dass die Sonne immer wieder aufgeht....
Aber wenn's einen friert,
muss man zusammenrücken
(wahlweise auch dickere Pullover überziehen ;-))
Guten Morgen
archie
Da ich bisher nur von Grauen Klöstern gehört hatte,
und aus unbestimmten Gründen gruselig fand,
(vielleicht gefühlte Nähe zu Klöstern des Grauens?)
Hab mir eigentlich nichts böses dabei gedacht,
liebe Alien59,
und dann fand ich das:
Die graue Frau von Hohenbaden.
Habt ihr gehört von der grauen Frau
Im Bergschloß Hohenbaden?
Bethört von finstrer Macht, dem Gau
War sie zu Schreck und Schaden;
Ließ schwingen zur Frohn
Die Geißel mit Hohn
Aufs Volk, ach! mit Bürden beladen.
Der Herrschaft Zügel hielt sie straff
In frevler Willkür Launen;
Mit ihr zu Rathe saß der Pfaff,
Ihr Unrecht zuzuraunen.
Wie wetternder Strahl,
So schmettern ins Thal
Befehle zu Bangen und Staunen.
Wer gab hier Trost dem armen Mann,
Wo fanden Schutz Bedrängte?
Der Büttel nur auf Qualen sann,
Der in den Block sie zwängte.
Recht fordert der Knecht?
Kaum Gnade für Recht
Vergönnt sie, fürs schmählich gekränkte.
Ihr Herz, so liebeleer und kalt,
Wenn Schmerzensthränen flossen,
Der Mutterliebe Allgewalt
Nur blieb es nicht verschlossen;
Ihr einziges Kind
Nur liebte sie blind,
Den blühenden, fürstlichen Sprossen
Einstmal, im Abendsonnenglanz
Sich wieder frisch zu laben,
Der Warte höchsten Zinnenkranz
Erstieg sie mit dem Knaben.
Sie zeigt ihm das Land
Im Segensgewand
Voll prangender, köstlicher Gaben.
„Mein Kind, mein adlig Fleisch und Blut,
Herr du von Gottes Gnaden!
In dessen Händen einstens ruht
Mein reiches Wittthum Baden:
Dort kocht dir der Wein
Am strahlenden Rhein,
Hier die Quelle mit heilendem Schwaden.
Und Alles ist dir unterthan,
So weit du blickst von dannen;
Dein Wink gebeut; im Staube nah’n
Vasallen dir und Mannen,
Die niedere Brut
Mit eiserner Ruth’
In scheue Verehrung zu bannen.
Regiere stark, dem starren Trutz
Des Volkes zum Entsetzen!
Nie soll sein schnöder Eigennutz
Am Kronengut sich letzen!
Dein göttliches Recht
Durch Geburt und Geschlecht,
Das reiße dir Keiner in Fetzen!
Siehst du den Falken siegeskühn?“
– Sie hob empor den Knaben –
„Aus ihren Purpurrändern glühn
Die Augen stolz; erhaben
Beherrscht er das Blau!
Wie ducken zur Au
Die Schufte, die Häher und Raben!
Die Macht verleiht wohl Kraft und Muth
Dem scharfen Krallenschläger,
Wie fühlt er sein altadlig Blut,
Der hohe Schwingenträger!
Ho hussa zur Hetz’!
Ihm gilt nur Gesetz
Sein eigener Wille, dem Jäger.
So herrsch’ auch Du!“ … da fasset jach
Ein Schwindel ihre Sinnen,
Aus ihrem Arm entstürzet, ach!
Das Knäblein von den Zinnen;
Zerschmettert im Fall
Am felsigen Wall. …
Da fühlt sie das Blut sich gerinnen.
O qualenvoller Augenblick,
O grausenhafte Stunde!
Wem schlug des Himmels Strafgeschick
Je tiefre Herzenswunde?
Von Schmerzen durchrast,
Die Augen verglast,
So starrt sie zum schaurigen Grunde.
So starrt die Aermste, sprachberaubt,
Hinunter auf die Klippen,
Die Finger krampfhaft eingeschraubt,
Verzerrt die fahlen Lippen.
Wie malmendes Erz,
So schallt ihr das Herz
Und hämmert und pocht an die Rippen.
Verzweiflung gibt ihr endlich Kraft
Und Worte ihrem Jammern,
Das bricht in wirrer Leidenschaft
Aus ihres Herzens Kammern.
Woran, ach woran
Soll nun sich fortan
Ihr mütterlich Hoffen noch klammern?
Sie rafft sich auf, sie fliegt hinab
Der Treppe Steingewinde,
Zu spähn nach ihres Lieblings Grab;
Nach eilt das Hofgesinde.
Umsonst sie durchsucht
Die waldige Schlucht,
Nie fand sie die Spur von dem Kinde. –
Noch heut entsteigt, ein Bild von Eis,
Sie Nachts des Schlosses Hallen
Im grauen Kleid, die Haare weiß,
Die Wangen eingefallen.
Im klagenden Wind
Ach! wähnt sie das Kind
Zu hören, sein Wimmern und Lallen.
* * *
Das ist die Mähr von der grauen Frau
Im Bergschloß Hohenbaden;
So büßt sie schwer, was sie dem Gau
Verübt zu Schreck und Schaden.
Nicht findet sie Ruh
In marmorner Truh, –
Gott wolle der Seele genaden!
Ignaz Hub.
(Originalmittheilung.
de.wikisource.org/wiki/Die_graue_Frau_von_Hohenbaden
Danke für das Gedicht, kommt mir irgendwie bekannt vor. Als ich anfing zu lesen, hätte ich allerdings auf Fontane getippt.
Weiße Frauen gibt es ja viele ;-) - aber die Besetzung hier brachte mich wirklich ein Stück weit zum Schmunzeln.
Fontane..... klar,
hier frisch im Internet gepflückt,
für Dich, liebe Alien59:
Wangeline von Burgsdorf oder Die weiße Frau
(Fragment)
Das ist die Sage: Und will Gefahr
Die Hohenzollern umgarnen,
Da wird lebendig ein alter Fluch,
Die weiße Frau im Schleiertuch
Zeigt sich, um zu warnen.
Sie kommt dreimal, geht um dreimal,
Zögernder immer und trüber,
Die Wache ruft ihr Halt-Werda nicht mehr,
Sie weiß, den Gast schreckt kein Gewehr -
Der Schatten schreitet vorüber.
Die Lichter verglühn, im Schloß wird's still,
Nur Eine, die sich noch schmücken will,
Sie tritt an den Spiegel und löst ihr Haar,
Wangeline die schöne, wie schön sie war.
Sie schmückt sich; für wen? Für ihren Galan:
Kurt Jagow hat es ihr angetan;
Sie sahen sich viel, sie küßten sich oft,
Wird heut er kommen? Sie harrt, sie hofft.
Sie hofft und wirft mit schimmernder Hand
Ihr schwarzes Haar übers weiße Gewand,
Sie flüstert: »Ich lieb' ihn mit Seel' und Leib -
Was soll mich kümmern sein gramblaß Weib.
Und ob ihr bräche das Herz in der Brust,
Je blasser die Tote, je röter die Lust,
Feigherzig Gewissen, fahr hin, fahr hin,
Es brennt mein Blut, und es schwindelt mein Sinn.«
Sie spricht es. Da sieh, hellblendender Schein
Fällt von der Tür in den Spiegel hinein;
Sie wendet sich um, auf schreit sie jäh -
Ein trat Kurfürstin Dorothee .
Die zittert selbst. In bebender Hand
Mit bebt die Kerze, halb niedergebrannt ...
Theodor Fontane
Aus der Sammlung Deutsches. Märkisch-Preußisches
gedichte.xbib.de/Fontane_gedicht_Wangeline+von+Burgsdorf+oder+Die+wei%DFe+Frau.htm
Lieber archie,
gerne gelesen. Ich bleibe auf alle Fälle dran. Möchte Kommentare schreiben , die Deinen tollen Geschichten gerecht werden. Das ist aber schlecht möglich. Deine Geschichten sind so perfekt. ;O)
LG
por
kicherkicher...
;)
bleib dran.
Da kriege ich gleich eine schamrote Jacke, lieber por ;-))
Trotzdem vielen Dank für das Kompliment, auch wenn es nicht stimmt, habe noch einige Fehlerchen entdeckt und korrigiert, außerdem noch einen Link gesetzt:
www.tagesspiegel.de/politik/anti-piraten-mission-atalanta-wenn-der-strand-zur-kampfzone-wird/6526692.html
Herzliche Grüße
archie
Danke,
das spornt an ;-))
Lieber archie,
das Lob stimmt schon.
Liebe Grüße
por
P.S.
Danke für den Link
Einfach klasse!
Ja - aber das war es nicht, auch wenn ich mich an dieses Gedicht aus einem anderen Roman von ihm erinnere. Egal, trotzdem schön.
Lieber archie,
im April gibt es von allem etwas, abwechselnd oder gleichzeitig
Guten Abend :)
Suzie
Freue mich über Deinen Besuch, liebe S. !
Dann will ich es jetzt gut sein lassen,
soll sie doch in Frieden ruhen, die Weiße Frau ;-))
Gleichzeitig???
Kuscheln im dicken Pullover??
Wärmste Grüße
sendet
archie