Dr. Frantz hebt das Glas

Ostharz: Diner mit Ansage - ein Roman in Fragmenten

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Über zweihundert Augenpaare richten sich auf Dr. Frantz, er hat zum jährlichen Frühlingsball nach Salzgitter geladen, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der verschiedenen Unternehmen und die vollständig vertretene Geschäftsleitung füllen den Saal bis auf den letzten Tisch, mehr als zweihundert abendgekleidete Menschen schauen erwartungsvoll in sein zahnreiches Lächeln:

..... aus dem benachbarten neuen Bundesland sind auch in diesem Jahr die Mitarbeiter der Bau Union Quedlinburg und der Bauprojekt Quedlinburg zu unserem Fest gekommen, die seit zwölf Jahren durch ihren Einsatz und ihre Fähigkeiten das Leistungsspektrum der Unternehmensgruppe Frantz&Söhne bereichern... und er begrüßt alle namentlich, von den beiden Geschäftsführern bis zur neuen Auszubildenden, so wie auch bei den anderen Firmen der Gruppe. Er wendet er sich an die Ehemaligen, die sich heute in diesem Saal eingefunden haben, und räuspert zum Schluss der Begrüßung ein paar bedeckte Abschiedsfloskeln für eine kürzlich verstorbene Buchhalterin.

Dr. Frantz berichtet danach über die letzten Neuigkeiten aus den Unternehmen. Wortreich bittet er um Verständnis für die Unternehmensberater, die in den letzten Wochen in der Zentrale für Unruhe sorgten, völlig grundlos, wie er betont, es gebe keinen Anlass zur Sorge, die Geschäfte laufen zur Zufriedenheit, man müsse lediglich einige kaufmännische Optionen prüfen, dazu seien die Damen und Herren von der Unternehmensberatung im Haus.... und sein zahnstrahlendes Lächeln schneidet dabei in die Wangen wie gekerbt zu einer hölzernen Maske, unter der sich allein der Unterkiefer zum Sprechen bewegt.

Ich freue mich ganz besonders, dass ich Ihnen heute eine wichtige Veränderung ankündigen kann: Im nächsten Jahr wird die Bauprojekt in dieser Runde nicht mehr dabei sein, mit dem neuen Geschäftsführer sind wir überein gekommen, dass er das Unternehmen bald in eigener Regie fortführen wird....

Der Angesprochene lächelt jetzt auch, in mechanischer Reaktion, weil sich plötzlich über vierhundert Augen auf ihn richten, insbesondere an seinem eigenen Tisch die Mitarbeiter ihn ungläubig bis entsetzt anstarren, er lächelt in einem hilflosen Überlebensreflex, weil Dr. Frantz ihn mit dieser Ankündigung absolut kalt erwischt hat: die Sparkasse hat die Finanzierung abgelehnt, es gibt keinen Termin, kein Budget, nur ein unlösbares Versprechen....



Hier endet der 313. Eintrag: Dieser Blog mischt Fiktion und Realität. Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen sind zufällig und in der historischen Überlieferung nicht verbürgt. Ich bin nur der Navigator, mein Name sei NEMO:

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Geschrieben von

archinaut

Ein Blick weitet den Horizont: Dieser Blog zieht um die deutschen Häuser

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