Er will uns ernten

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Unsere Wohnung gehört ihm jetzt.

Auch das Haus, in dem wir wohnen. Das Haus hat vierzehn Wohnungen. Auch das Haus daneben, die Strasse entlang, der halbe Block gehört ihm jetzt. Den Eigentümerwechsel hat die Hausverwaltung mitgeteilt.

Verkauft vom Insolvenzverwalter des Vermögens der Siebten XYZ-Grundbesitz- und Verwaltungsgesellschaft mbH und Co. KG mit 212 Wohnungen an die neue Eigentümer GmbH und Co. KG. Vor einem Jahr.

Hamburger Kaufleute! hat der Hausmeister erzählt.

Baugerüste stehen vor den Häusern.

Wann kann die Miete erhöht werden?

Die wichtigsten Gründe für eine Mieterhöhung im Sozialen Wohnungsbau sind:

  • Erhöhung der gesetzlich festgelegten Pauschalen für Verwaltungs-, Instandhaltungskosten und Mietausfallwagnis,
  • Anhebung des Zinssatzes für Fremdkapital, z.B. öffentliche Baudarlehen
  • bauliche Veränderungen aufgrund von behördlichen Auflagen,
  • Modernisierungen mit Zustimmung der IBB,
  • planmäßiger und im Mietvertrag festgelegter Abbau der öffentlichen Förderung,
  • außerplanmäßiger Abbau der öffentlichen Förderung,
  • Betriebskostensteigerungen.

Steht geschrieben in der Berliner Mieterfibel.

Weiter heißt es:

Beachten Sie:Für Sozialwohnungen, die ab dem Jahr 1987 bezugsfertig geworden sind, können durchWegfall der Anschlussförderung Mieterhöhungen eintreten. Zum Mieterschutz werden für die betroffenen Haushalte im Sozialen Wohnungsbau Mietausgleich und Umzugskostenhilfe gewährt, wenn die Voraussetzungen vorliegen. Nach dem am 10. Juli 2011 in Kraft getretenen Gesetz über den Sozialen Wohnungsbau kann Mietausgleich bis zehn Jahren nach Wegfall der Anschlussförderung erfolgreich beantragt werden, insoweit die weiteren Voraussetzungen erfüllt werden.

Schriftwechsel seit Monaten – die Hausverwaltung hat eine Mieterhöhung wegen planmäßiger und im Mietvertrag festgelegter Abbau der öffentlichen Förderung angekündigt, rückwirkend für den Abbau der vergangenen drei Jahre, dann hat die Hausverwaltung gewechselt und die Miete weiter erhöht... Unstimmigkeiten auch bei der Berechnung der Nebenkosten. Ein Anwalt hat schon zwei Briefe für uns geschrieben.

Aus Hamburg ruft die Sekretärin an. Ob wir denn übermorgen Zeit hätten? Der neue Eigentümer sei in Berlin und wolle gerne die vielen Schreiben mit uns besprechen.

Er ist irgendwas um vierzig, seine Brille randlos.

Sie wohnen hier von Anfang an? ....eröffnet das Gespräch mit einem energischen Nicken, als wolle er die Miete bis 1987 rückwirkend verdoppeln. Nein, wir sind erst später eingezogen...

Sie wissen ja vielleicht, dass die Förderungen weggefallen sind, das Land Berlin hat das so entschieden, damit sind hohe Kosten auf die Eigentümer zugekommen, die nicht auf die Mieter umzulegen waren. Auch Ihre Eigentümergesellschaft musste in die Insolvenz gehen.... macht er uns dafür verantwortlich?

Wir haben in diesen Häusern besonders viele Klagen, wegen akuter Überlastung hat mir die neue Hausverwaltung Ihre Schreiben geschickt.

Sollen wir ihn bedauern?

An einem Streit verdienen nur die Anwälte, damit kommen wir keinen Schritt weiter.... blättert er in den Unterlagen hin und her.

Die Berliner Mietpreise sind ein Witz! sagt er. Vor zehn Jahren musste man in Bukarest schon neun Euro fünfzig netto kalt zahlen.... Bukarest liegt in Rumänien!

Im Mietspiegel ist der Mittelwert von 6,66 Euro für unsere Lage ausgewiesen.

Zwei Wohnungen sind jetzt frei geworden, die werden für zehn Euro angeboten, und jede könnte ich zehnmal vermieten, so lang sind die Anfragelisten!

Bei seinem Angebot könnten wir nicht mitbieten. Wir sind froh, dass unser Mietzins mit etwa sechs Euro dem unteren Bereich des Mietspiegels entspricht.

Eine jährliche Erhöhung um zwölfkommasechs Cent pro Quadratmeter wie im Vertrag vorgesehen reicht nicht aus!

Sind immerhin zwei Prozent jedes Jahr, ganz real, die als Summe im verfügbaren Einkommen fehlen. Bohr noch ein Loch in den Gürtel....

Und mal ehrlich, es muss ja nicht jeder hier wohnen, sagt er.

Wir leben auf seinem Acker.

Wir sind seine Frucht.

Er will uns ernten.


Hier endet der 296. Eintrag: Dieser Blog mischt Fiktion und Realität. Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen sind zufällig und in der historischen Überlieferung nicht verbürgt. Ich bin nur der Navigator, mein Name sei NEMO:

Ich schreibe um unser Leben. Bitte bleib dran.


Next

Back

Klick zum Gästebuch

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

archinaut

Ein Blick weitet den Horizont: Dieser Blog zieht um die deutschen Häuser

archinaut

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden