Finale Bank

Bank: Geh da rein, wohin das Geld verschwunden ist!

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Jüngers Blick wandert über die graue Spree zum Ufer. Wartet um diese Stunde auf den trader der ZyankaliBar..... archinaut:s finest ordert man in vielen Läden dieser Stadt. Versucht die Erinnerungen an die letzte Nacht zu vertreiben..... schwarze Klumpen tändeln zwischen öligen Wellen die Spree herab, dunkel vom Blut der Aufständischen irgendwo flussaufwärts am Viktoriasee, oder quellt die Spree aus dem Tschadsee, aus der Großen Marina.... nein, nur geträumt....

Der alte Holzkahn knarzt leise, die meisten Gäste schlafen noch. Erfolgreich gelaufen der Abend, das bizz floriert...... die BaseBar an Bord verkauft sauberen Stoff, Unterhaltungschemie aller Aggregate, fest flüssig gasförmig, verspricht die Werbetafel,die Auswahl reichlich, die Bedienung gewaltfrei, das zieht Laufkundschaft.

Gewässer sind exlegale Zonen, freie Handelswege für Waren aller Art, nicht den Stadtgesetzen unterworfen: Achtung, Sie verlassen den drogenfreien Sektor.

Ist noch früh am Morgen, Jünger blättert ziellos im Bordbuch, John blinzelt in die magere Sonne.... Jünger gefällt nicht, was er liest.

„Verabschiedet sich tränenreich, Mitleid heischend, unerträglich zu lesen sein Brief, klebt vor Selbstmitleid,“ sogar Jüngers Fingerspitzen scheint die Berührung des Papiers zu ekeln: „Man hat von ihm nichts mehr gehört.... wer einen Brief schreibt wie diesen, geht in die Dunkelheit,“ sagt er halblaut zu John ohne den Blick zu heben, „also vermuten wir, dass Du der letzte bist, der ihn lebend gesehen hat...“

John lächelt schmal, ohne die Augen zu öffnen: „Du bist gefährlich, alter Mann..... dafür hasse ich Dich.“

„Meine Aufgabe ist, für das Ende zu sorgen,“ pariert Jünger, „so ist es bestimmt.“

„Jeder muss kämpfen, seiner Bestimmung zu entkommen.....“ Johns Sprachkenntnisse haben sich seit unserer Ankunft auf dem Schlossplatz erheblich verbessert: „Wir sind frei, das ist unsere Bestimmung!“

„Ich bin frei genug zu warten,“ nickt Jünger mit Blick auf das Ufer.

„Frag mich nicht....“ John schweigt trübsinnig, schaut auf die schillernden Blasen, die gemächlich flussabwärts treiben....

„Wie hat er Euch gefunden?“ fragt Jünger sanft, aber bestimmt, ohne seine Augen vom Ufer abzuwenden.

John widerstrebt noch: „Warum willst Du das wissen?“

„Wir müssen die Geschichte zum Ende bringen, dear John.... es wird Zeit, bald schüttelt der Herbst die Blätter von den Bäumen.... Du weißt es genau so wie ich.“

Johns Kiefer mahlen geräuschlos. Rede nie über beschissene Geschäfte, ist seine Regel. Trotzdem gibt er sich einen Ruck:

„Da sucht jemand was automatisches, ’ne AK-47 oder so, haben die Jungs erzählt,“ murmelt er, „Anfrage aus einem verschnarchten Kaff hinterm Harz... wir kannten niemanden da, also kam der Kunde zu uns.“ Wieder breitet sich wortlos Stille aus zwischen den beiden Männern auf dem Deck des Holzkahns, aber Jünger kann warten. Am Bug des Kahns steht der Name, ja, Ihr ahnt es: archinaut!

Wofür brauchst Du das Ding, fragen wir.... Für den Tag, an dem sie mich holen kommen, antwortet er.... hockt in seiner kalten Wohnung über dem Marktplatz, letzter Fluchtpunkt, sein Weg ist zu Ende.... hat aber Fenster nach drei Seiten...“

„Ihr helft ihm?“ stellt Jünger als Frage.

„Wir sind für jeden Kunden da.... Service, Du verstehst? Aber nicht jeder Kunde hat eine gute Idee... und da liegt der Schlüssel, der richtige Plan ist das Entscheidende.“

„Du gibst ihm einen besseren Plan?“

„Der Kunde hat keine Chancen mehr in der kleinen Stadt, sie sind durch mit ihm, seine Frist ist abgelaufen..... Wir füttern ihn, bis er endlich redet: Schulden bei Subunternehmern, Mietschulden, auch die Raten bei der Bank nicht bezahlt.... wie ein hypnotisiertes Kaninchen starrt er auf das schwarze Loch, das er Monat für Monat bedienen muss... Geh da rein, wohin das Geld verschwunden ist, sagen wir ihm, wir gehen mit Dir, wir sind an Deiner Seite!“

Jünger nicht wortlos. Sein Blick mustert weiter die Ufer.

„Mach einen Termin bei Deiner Bank, sagen wir, einer von uns geht mit Dir rein, sag Ihnen, wir wollen das Sanierungskonzept erläutern... Du stellst mich als Berater vor.“

Seine Geschäftspartner nannten ihn früher John „the Brain“, denkt Jünger....

„Eine Stunde vorher treffen wir uns, das Parkhaus steht nicht weit von der Bank am Ring um die Innenstadt von Leipzig..... die Jungs verkabeln ihn und kleben die Päckchen an, tausend Gramm und den Zünder.... er ist nervös, redet von einer neuen Geschäftsidee... wir müssen ihn runterkühlen, sprechen immer wieder den Plan durch... er hat sich dann beruhigt, und ich denke, ja, jetzt kommt er klar, er packt es... „

John verstummt, schaut nachdenklich in sein Glas und bringt das Getränk sanft zur Rotation..... Jünger schweigt und behält die Ufer im Blick....

„Wir haben den Job groß aufgezogen...“ sinniert John in sein Glas, „diese Bank hat viele Kredite vergeben, überall im Osten treibt sie Schulden ein.... kleine Geschäftsleute, verschuldete Ladenbesitzer, Arbeitslose, die ihr Haus verlieren, zerrissene Familien.... crash-downsize, wenn Du verstehst, was ich meine....“

„Es ist Montag, wir wissen nicht, ob wir am ersten Tag unser Ziel erreichen..... gegen zehn sind wir dann rüber, er und ich, das Sanierungskonzept in einer schwarzen Ledermappe.... der Bankpalast hinter einer Glaswand, hoch wie ein Haus, davor haben sie einen alten Mühlgraben freigelegt, Du gehst über die Brücke wie in ein Wasserschloss, oben ragt ein riesiges Flugdach.... „

„Gibt es keine Kontrollen am Eingang?“ fragt Jünger.

„Sie rechnen nicht mit einem Angriff,“ erwidert John, „sie haben keine Geldautomaten, keine Kassenschalter, keine Tresore, nein, da sitzt die Rückführung, wohl zweihundert Leute, die sperren Konten, pfänden Zahlungen, die ihren Schuldnern zukommen sollten, sie tun alles, was möglich ist, um das Kapital von der Weide zurück in den Stall zu treiben: niemand geht freiwillig über die Brücke in das Glasschloss...“

An der Bordwand treibt ein harter Gegenstand entlang, puckert im trägen Takt der kurzen Wellen ein paar Mal gegen das Holz, dann ist nur noch leise das schmatzende Plätschern zu hören, mit dem die Spree nach Westen treibt.

„Wir sind auf die Minute pünktlich.... natürlich lassen sie uns warten, ist klar, wir wollen was von ihnen,“ John lacht kurz auf. „Nach einer Weile führt uns jemand in einen Raum nach oben.... Dann kommen sie, zwei Bänker in dunkelblau!“

Er nimmt jetzt einen Schluck aus seinem Glas. Die Sonne ist inzwischen aus dem Dunstschaum der Stadt gestiegen und hat die Nebelschleier über dem Fluss verscheucht.

„Nie wieder ein Amateur für einen großen Job, habe ich mir danach geschworen,“ stöhnt John und schüttelt den Kopf.

Jünger wartet wie ein Schatten, schaut Richtung Ufer, sein Kopf sinkt zurück, er schließt die Augen und richtet sein Gesicht in die warme Sonne.

„Als erstes erkläre ich den beiden, dass ihr treuer Kunde jetzt ein hochexplosiver Totmacher auf zwei Beinen ist, versperre die Tür und erläutere kurz, dass er entweder selbst den Zünder bedienen wird oder ich, wenn ihm was zustößt..... sie haben sofort begriffen..... werden sehr blass und sehr ruhig. Unsere Jungs haben zehn Filialen vorbereitet, alle Päckchen sind per Funk verbunden... wenn uns etwas passiert, werden wir zehn Bombenkrater hinterlassen!

„Dann zieht mein Sprengmeister die Liste aus der Tasche, unsere Forderung, denke ich, haben wir abgesprochen..... aber dieser Idiot liest was anders vor: Er prangert irgendwelche Auftraggeber an.... fordert Honorare ein, die nicht bezahlt wurden, Name für Name, Betrag für Betrag über fast zwanzig Jahre! Hey, gib einfach die Summe an! sage ich noch, unsere Geiseln sollen nichts merken, und sein Finger spielt die ganze Zeit unruhig am Zünder... aber er liest seine Aufstellung weiter runter bis zum Schluss, da steht noch ein Name: Richter Zanke Riemke! sagt er. Aber seine Liste erreicht nur ein paar hunderttausend...“

Wir fordern zehn Millionen und einen Hubschrauber! sage ich dann zu den beiden Bänkern, und das haben sie sofort verstanden, fangen gleich an zu telefonieren..... Was soll der verdammte Scheiß, frag ich meinen ausgetickten Partner ganz leise, so ist das nicht abgesprochen!“

„Aber er ist völlig neben der Spur... die Nerven wahrscheinlich: Dieser Richter hat die helle Angst in mein Herz gepflanzt, sagt er mit so einem abgedrehten Gesichtsausdruck, seitdem hetze ich Tag um Tag, ohne jemals anzukommen.... Er soll sofort aufhören, sage ich, aber sein Finger kratzt die ganze Zeit am Zünder. Ich will nur, was mir zusteht, schreit er, dann kann ich alle Schulden bezahlen...... und vom Richter will ich eine Antwort! Ich muss ihn dringend beruhigen: Wir finden Deinen Richter, keine Sorge, Du wirst Deine Antwort bekommen... aber lass uns diesen Job sauber beenden.... Du bist nicht alleine hier!“

John nimmt noch einen tiefen Schluck.

„Wenn Du in eine Bank gehst und eine hohe Auszahlung forderst, kennt jeder die Regeln,“ fährt er schließlich fort. „Die Leute an den Kassen sind für den Ernstfall trainiert, also musst Du entschieden und professionell bleiben, damit es keine Probleme gibt... straight performance ist wichtig, so freundlich wie möglich, aber keine Luft dranlassen.“

„Nach einer halben Stunde oder so kommt der Rückruf... und ich kann sofort erkennen, dass die beiden Jungs von der Bank plötzlich nervös werden.... etwas Unerwartetes ist geschehen, sie verlieren die Peilung, als ob jemand den Stecker rausgezogen hat.... sind verwirrt und ringen um einen klaren Gedanken.... Was ist passiert?“

„Der eine stammelt nur sinnloses Zeugs, der andere zieht ein Gesicht, als ob er gleich heulen muss.... Was ist los? frage ich noch einmal..... Wir sind verkauft, stottert der eine, gestern beschlossen von den Aufsichtsräten.... Stopp aller Transaktionen... Konten eingefroren... wir können Ihnen nichts auszahlen.... Ich frage natürlich gleich nach, lasse mich zu den Bossen in Frankfurt durchstellen, aber es bleibt dabei: Die Bank ist nur noch Fassade, eine Ruine ohne Pulsschlag, ein Kadaver zum Ausweiden!“

„Künstlerpech...“ kommentiert Jünger trocken.

„Eines Tages werde ich Dich über Bord werfen, alter Mann,“ knurrt John, „Dann kannst Du den Krokodilen da unten den Tag verderben!“

„Wie ging es weiter in Leipzig?“

„Einer heult vor Angst, denkt wir lassen ihn hochgehen, der andere hat längst aufgegeben.... Müssen Sie uns jetzt töten? fragt er nur..... wir greifen die beiden und gehen langsam raus, durch die Gänge, nehmen den Aufzug, niemand achtet auf uns, wie Zombies stolpern die Leute über die Flure: die Nachricht aus Frankfurt hat alle paralysiert! Aber keiner hält uns auf....“

„Hast Du Deinen Partner gefragt, warum er nicht im Plan geblieben ist? Wie kommt er dazu... und was hat es mit dem Richter auf sich?“

“Plötzlich ist er verschwunden.... vielleicht in einen Bus gestiegen, habe es nicht gemerkt, hat sich einfach verdrückt, die Päckchen kleben ihm noch in der Unterwäsche und das Rätsel um Zanke Riemke hat er auch mitgenommen, wo immer er jetzt sein mag...“ sagt John: „Richter sind zu oft von der falschen Seite gekauft, oder sie haben eine persönliche Mission, irgendeine faulige Stelle..... was schlimmer ist, weiß ich nicht.“

Hier endet der 364. Eintrag: Dieser Blog mischt Fiktion und Realität. Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen sind zufällig und in der historischen Überlieferung nicht verbürgt. Ich bin nur der Navigator, mein Name sei NEMO:

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Geschrieben von

archinaut

Ein Blick weitet den Horizont: Dieser Blog zieht um die deutschen Häuser

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