Flaschenpost in den Wald

Brief: ... also blicke ich zurück auf die Zeit mit Dir, meine schöne Freundin

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Peggy schreibt einen Brief an die Freundin Marlene:

Was erzählen mir die alten Pläne von dem, der ich mal war... das hat er mir in die Zeichnung geschrieben, liebe Marlene, als er mir „Ein Haus für den 26. August“ skizzierte, mein Geburtstagshaus also, und er gab dem schmalen Bau fünf Stockwerke: den Keller unten in den Fels geschlagen, darüber aus kräftigen Blöcken die Basis gemauert, weite steinraue Wandflächen für Bilder und Skulpturen, einen Galerieraum mit Licht von oben, in der Mitte zwischen Himmel und Boden das großzügige Besucherdeck mit offenen Terrassen, weiter oben dann die Bücher, das Lese- und das Arbeitszimmer, ganz oben als Dach Sterne am Schlafbaldachin, die Liege breit genug für eine kleine Familie.... ausgelacht habe ich ihn natürlich, aber gefreut hat mich’s doch....

Wie ein kleiner Turm ragt dieses Häuschen in meine Erinnerung, und diese trifft mich gerade jetzt, auf einem weiten Platz, neben mir ein Monument aus Stein, das trägt eine dunkle Schale, in der eine Ewige Flamme züngelt, ringsum drängt der Verkehrslärm mit Eile und Geschäftigkeit die Stadt nach morgen und übermorgen... dieser Platz hier liegt etwas höher, ein Plateau am Rand des Urstromtals der Spree, einen weiten Blick haben wir von hier zurück in die Mitte Berlins, wie ein Schnitt durch die Jahresringe dieser Stadt, die ich in den letzten Monaten durchquerte.... darf ich überhaupt noch schreiben WIR, obwohl wir uns im letzten Herbst trennten? In Gedanken bist Du mir immer noch so nah, dass ich ständig mit Dir rede... Ob Du noch im Tiergarten bist, frage ich mich.... und wie hast Du den Winter überstanden?

Also blicke ich zurück auf die Zeit mit Dir, meine schöne Freundin, wenn ich nach Osten schaue, aber ich bin noch auf dem Weg, hier ist nur ein Rastpunkt, von dem ich weiter wandern werde: „Heerstraße“ heißt westwärts die Fortführung dieser schnurgeraden Chaussee, sie führt bis in die Wüstungen des Truppenübungsplatzes bei Döberitz...

Was erzählen mir die alten Pläne...müssen wir uns an ihnen messen, an ihnen verzweifeln, wenn wir sie nicht umsetzen konnten, oder sollten wir gerade dann an Plänen wachsen, wenn sie Plan geblieben?

Jetzt sehe ich Dich lächeln, weil Du nie über Deine Pläne geredet hast... und dieses spitze Lächeln vermisse ich, weil es mir immer gezeigt hat, dass Du einen kühlen Kopf behältst, auch wenn unsere Tage voll Sorge waren....

Nein, ich werde Dir nicht schreiben, was ich in den letzten Monaten erlebt habe, vielleicht kann ich es Dir irgendwann erzählen, so bleibt die Hoffnung, dass wir uns eines Tages wieder sehen...

Ich werde diesen Brief in einer grünen Flasche verkorken, ich werde die Flasche einem Kind auf der Straße geben, „Für Marlene“ , werde ich dem Kind sagen, und wenn der Tag um ist, soll mein kleiner Bote die Flasche an das nächste Kind weitergeben, „Für Marlene“, von Tag zu Tag wird die Flasche so durch die Stadt reisen, von Kind zu Kind, denn ein Kind glaubt noch an Wunder, und eines Tages wird die Flasche Dich treffen, da bin ich ganz sicher, liebe Marlene!


Hier endet der 286. Eintrag: Dieser Blog mischt Fiktion und Realität. Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen sind zufällig und in der historischen Überlieferung nicht verbürgt. Ich bin nur der Navigator, mein Name sei NEMO:

Ich schreibe um unser Leben. Bitte bleib dran.


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Geschrieben von

archinaut

Ein Blick weitet den Horizont: Dieser Blog zieht um die deutschen Häuser

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