Wann immer er anruft, schleudert Frau Radomsky den Firmenname in die Leitung: Bauprojekt Quedlinburg! .... und ihr Schweigen fordert Angaben zur weiteren Vermittlung. Wenn er nachfragt: Frau Radomsky? kommt zurück: Ja! Wer sonst? Bei ihr liegt die Hauptleitung an.
Die indirekte Nachfrage zeigt keine Wirkung, also bittet er sie heute: Es wäre schön, wenn sie am Telefon ihren Namen nennt.
Im Landratsamt sagt die Vermittlung ihren Namen auch nicht! weist sie ihn zurecht.
Aber wir sind keine Behörde, erwidert er, jeder Mitarbeiter soll sich mit dem eigenen Namen melden, das wirkt persönlicher!
Ist nicht nötig, sagt sie spitz, wer hier anruft, will die Bauleitung oder die Architekten sprechen, dann verbinde ich... es interessiert niemanden, wie ich heiße, die meisten wissen es außerdem... Hier ist die Bauprojekt, so war es immer! Und sie denkt: Steck nicht überall deine Nase rein, bloß weil du hier der neue Chef ist... wir sind bisher gut klargekommen! Am liebsten würde sie ganz laut denken, schreien sozusagen.
Wenn Sie mal krank sind, könnte auch jemand anders am Telefon sitzen.... Sie unterbricht: Ich werde nicht krank! ...oder wenn Sie in Urlaub gehen.... Ihre Augen weiten sich: Wer soll dann hier sitzen?
Sie wird diesen Stuhl mit Zähnen und Klauen verteidigen, denkt er... allerdings hat sie vor einigen Tagen gefragt, ob sie im nächsten Sommer vier Wochen Urlaub nehmen könne.... ich durfte bisher nie länger als zwei Wochen weg.
Wir sollten ausbilden, Frau Radomsky... schlägt er vor. Bauzeichner braucht kein Mensch mehr! setzt sie dagegen... Nein, an das Sekretariat denke ich... fragen Sie doch bitte bei der Kammer nach, Kauffrau für Bürokommunikation heißt die Ausbildung, oder so ähnlich.... Sie hört nicht, malträtiert bebend mit starrem Blick die Tastatur ihres Rechners:
Herr Dr. Frantz hat angerufen, grimmt sie dunkel gegen den Monitor, er kommt morgen Nachmittag, Sie sollen eine Stunde Zeit einplanen!
Das Telefon klingelt: Bauprojekt Quedlinburg! Der Ansagetext ist bei ihr offenbar irgendwo tief im Reptilienhirn programmiert, trotz ihrer Verärgerung klingt die Ansage exakt wie immer, sie reicht ihm den Hörer: Schilling!
Wir haben Differenzen mit dem Architekt aus Hannover, sagt Schilling am anderen Ende, die Pläne für die Therme sind mangelhaft, danach können wir nicht bauen..... zu viele Fehler! Außerdem liegt seine Kostenberechnung um dreihunderttausend zu niedrig.... die Summe fehlt im Budget, wir haben Forstmann aufgeklärt, dass er das Geld vom Architektenhonorar abziehen kann..... eine eigenwillige Rechtsaufassung, denkt er still bei sich. Liegt die Rechnung aus Hannover schon bei Euch zur Prüfung? Gebt sie nur zur Hälfte frei!
Außerdem will Schilling wissen, ob man schon einen Vorentwurf für den alten Kindergarten in Thale zeigen kann... Die Bürgermeisterin hat nachgefragt!
Als er wieder an seinem Schreibtisch sitzt, klopft Frau Keyser.... sie wolle nicht stören, sagt sie schnell, es gehe sie ja nichts an, aber einen Lehrling brauchen wir hier nicht.... Frau Radomsky hat schon genug um die Ohren!
Morgen kommt der Konzernchef Dr. Frantz, er muss jetzt an das zahnreiche Lächeln denken... Ob Frau Radomsky sich bei ihm beschwert hat?
Wer hat wen angerufen? fragt er sich.
Hier endet der 300. Eintrag: Dieser Blog mischt Fiktion und Realität. Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen sind zufällig und in der historischen Überlieferung nicht verbürgt. Ich bin nur der Navigator, mein Name sei NEMO:
Ich schreibe um unser Leben. Bitte bleib dran.
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Dieser Blog mischt Fiktion und Realität. Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen sind zufällig und in der historischen Überlieferung nicht verbürgt. Ich bin nur der Navigator, mein Name sei NEMO:
Ich schreibe um unser Leben. Bitte bleib dran.
Kommentare 18
Lebendige Figuren, muss am Autoren liegen. :)
Ja, sehr lebendig. Diese Frau Radomsky ist ziemlich gusseisern. Die Sorte kenne ich: Ein bisschen zwischen Mutti und Gefängniswärterin. (Na, das ist jetzt sehr hart). Diese Frauen waren und sind soooooooo tüchtig, die machen nichts falsch. Usw. usw.
Ängstigten mich auch. Das war die Sorte, von der mein Mann mal lästerte: "Die hören abends immer zum Ausgleich Roland Kaiser.
Und wollen nischt ändern.
Eine Chef-Sekretärin muss so sein, oder? Wenn sie ein wenig in den Chef verknallt wäre, würde es ganz anders laufen... :))
Jetzt muss ich aber mal für die Frau Radomsky eine Lanze brechen. Wenn ich die Story richtig im Kopf habe, sitzt die da auf ihrem Platz seit Jahr und Tag und hat mindestens einen Chef überlebt. Die macht diesen Job also seit vielen Jahren. Und nun kommt jemand daher, der möchte dieser erfahrenen Frau sagen, wie sie sich am Telefon(!) zu melden hat. Wer wäre da nicht sauer? Und dann diese plötzliche Bedrohung. Denn die (mehr beiläufig geäußerte) Aussage "Wir sollten eine Bürokraft ausbilden" bedeutet für Frau Radomsky ja nicht, eine Hilfe zu bekommen, sondern ist die ganz klare Ansage "Du bist ersetzbar" und ist somit ziemlich perfide.
Und was macht jemand, der sich bedroht fühlt? Er (oder besser sie) holt sich Hilfe. Also alles nachvollziehbare Handlungen. Zu raten wäre dem neuen Chef der Umgang auf Augenhöhe mit der Frau. Das bedeutet, sie ernst zu nehmen und auch sie mal einen eigenen Vorschlag machen lassen. Dann würde es sicher für alle Beteiligten leichter werden.
Ich rufe also der stahlharten Frau Radomsky zu: lass Dich nicht unterkriegen - und vor allem keine Angst machen.
Na gut, da ist auch was dran. Sie wird eigentlich infrage gestellt im Text. Aber, in mir rief das ein Bild ab, das ich kenne.
Goedzak - ts, ts. :-)))))
Tote Dichter leben länger... ;-))
Guten Abend, sehr harte Magda!
Wer wird denn vor Mutti Angst haben.....
sagt man nicht, dass hinter einer harten Schale ein süßer Kern steckt?
Herzlichst
archie
.... verknallt?
Werde sehen , ob ich den Tip in die weitere Handlung einbauen kann, lieber goezak!
Ja, liebe S. Steinebach,
ein guter Vorschlag, werde ihn für die weitere Handlung beherzigen.... soll ja kein Macho-Blog werden ;-))
Herzliche Grüße
archie
Prima, dann wird das vielleicht auch etwas mit goedzaks romantischem (wenn auch mit rosa Zuckerguss bis Zahnweh verbrähmten) Wunsch.
*flüster* Frau Radomsky nehmen sie den Zahnarzt, der hat mehr Kohle und bietet Ihnen kostenlose Zahnbehandlung - in unserem Alter nicht zu unterschätzen! :-)
Durchaus bedenkenswert,
liebe S. Steinebach,
zeitgemäß kommt der Arztroman
im weißen Gewand des Zahnarztblogs ;-))
Werde den Tip weiterflüstern...;-))
PS: einen Zahnarzt gibt es in diesem Blog schon,
ist aber nix für zarte Nerven:
www.freitag.de/community/blogs/archinaut/bleich-und-uebelriechend
Für mich ist es jedes Mal schwer, mich auf diese Realitäten einzulassen.
Es geht weder um die Frau, die ans Telefon geht, noch um den neuen Chef, zumindest nicht als reale Personen.
Es geht um alte Besen, neue Besen und wie sie kehren.
Es geht um real vorhandene Existenzängste und wer denn in seinem Leben eine Position erwirbt, zu entscheiden, was Wert hat.
Womit eben nicht gesagt ist, dass derjenige auch recht hat.
Jeder denkt in seinen eigenen Grenzen, Sinn macht es erst, wenn man über den Tellerrand schaut, doch wer kann das schon, im Angesicht des Selbst-Überleben-Müssens?
LG, Suzie
Das ist der Berufsalltag in dieser Branche. Ich bin gantz einfach sicher, auch wenn ich nicht aus dieser Branche komme. Vielen Dank für das tolle Blog, Lieber archie.
Herzliche Grüße
por
Hätte auch gut heißen können "Frau Teflon".
Liebe SuzieQ,
für das Überleben ist es bestimmt besser,
gelegentlich über den Tellerrand zu schauen,
auch wenn man nicht immer glücklich wird dabei...
Herzliche Grüße
archie
Wo die Decke nicht für alle reicht,
wird mit harten Bandagen gekämpft,
lieber por!
Schön, wieder von Dir zu hören
Herzliche Grüße
archie
... bei Teflon muss man aber Kratzbürstigkeiten vermeiden,
liebe Magda!